FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Frau filmt, wie Verkehrssünder ihr Auto beschädigt – und wird vor Gericht gezerrt

Mit einer Dashcam filmte eine Münchnerin, wie ihr parkendes Auto von einem anderen Wagen gestreift wurde. Die Aufnahmen übergab sie der Polizei – und musste daraufhin eine saftige Geldbuße zahlen.
Bild: Imago.

Sie sollte die ultimative Waffe gegen Drängler, Raser und andere Verkehrssünder sein: die Dashcam. Immer mehr Autofahrer in Deutschland haben sich diese über dem Armaturenbrett hängende Mini-Kamera installiert, die den nahen Außenbereich des Autos filmt. Die Dashcam soll so zur Aufklärung von Verkehrsverstößen beitragen.

Doch nicht alle teilen die Begeisterung für die praktikablen Überwachungskameras – vor allem wenn diese rund um die Uhr angeschaltet sind. Besonders Juristen und Datenschützer betrachten den Trend mit Argwohn. Dies hat nun eine Münchnerin erfahren müssen, die mit ihrer Dashcam filmte, wie ein anderes Auto ihren parkenden Wagen streifte. Nachdem die Autofahrerin ihre Aufnahmen der Polizei übergab, musste sie nämlich selbst vor Gericht erscheinen.

Anzeige

Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter

Das Amtsgericht München verurteilte sie wegen vorsätzlicher und anlassloser Erhebung personenbezogener Daten und des Verstoßes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu einer Geldbuße von 150 Euro.

"Es geht nicht an, dass 80 Millionen Bundesbürger mit Kameras herumlaufen"

Die 52-Jährige hielt dagegen, sie habe mit der Kamera lediglich die Täter der Sachbeschädigung ermitteln wollen. Außerdem habe die Kameras nicht die Personen erfasst, sondern nur die Autos inklusive Kennzeichen, die kaum als schützenswerte personenbezogene Daten gelten könnten. Das Münchner Amtsgericht war anderer Ansicht. Es überwiege "das Recht der gefilmten Personen auf informationelle Selbstbestimmung", heißt es in der offiziellen Pressemitteilung vom 2. Oktober. Das Interesse der Betroffenen an der Aufdeckung der Sachbeschädigung müsse demgegenüber zurückstehen.

Auch an alle anderen Autofahrer in Deutschland hat das Gericht eine Botschaft: "Es geht nicht an, dass 80 Millionen Bundesbürger mit Kameras herumlaufen, um irgendwelche Situationen aufnehmen zu können, die eine Straftat aufdecken könnten."

Juristischer Zankapfel: Mal erlaubt, mal nicht, mal beinahe

Diese deutliche Haltung des Münchner Amtsgerichts in der Dashcam-Debatte wird zwar von zahlreichen Datenschützern, aber längst nicht von allen Richtern der Republik geteilt. Manche Juristen argumentieren gegen ein generelles Verbot von Dashcam-Aufnahmen in Gerichtsverfahren und plädieren für eine fallbezogene Entscheidung, etwa wenn der Kernbereich privater Lebensführung durch die Kamera verschont bleibe. Andere vertreten die Ansicht, das Verbot aus dem Bundesdatenschutzgesetz beziehe sich lediglich auf anlassloses, permanentes Filmen. Aufnahmen aus einem konkreten Anlass heraus, etwa durch rücksichtsloses Verhalten anderer Autos, seien zulässig.

Zu einem möglicherweise wegweisenden Dashcam-Urteil kam das Oberlandesgericht Stuttgart im Sommer dieses Jahres, als es die Verwertung von Dashcam-Aufnahmen erstmals in einem Schadensersatzprozess zuließ. Für den Senatsvorsitzenden Richter Hans-Joachim Rast sei ausschlaggebend gewesen, dass die Dashcam lediglich die Straße filme, nicht aber in die Privat- oder gar Intimsphäre von Personen eindringe. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht sei daher relativ gering. "Im öffentlichen Raum muss jeder damit rechnen, fotografiert oder gefilmt zu werden", so Rast.

Sollte das Urteil bundesweit Wirkung entfalten, könnte dies eine Wende in der Dashcam-Debatte bedeuten.

Die 52-jährige Autobesitzerin aus München wird davon aber wohl nicht mehr profitieren. Die 150 Euro Strafe wird sie vermutlich zahlen müssen, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Zumindest beim Strafmaß – theoretisch ist eine Strafe von bis zu 300.000 Euro möglich – hat das Gericht ein wenig Verständnis dafür, dass die Frau zu einer Dashcam griff: „Zu ihren Gunsten konnte gewertet werden, dass offenbar in der Vergangenheit das Fahrzeug schon einmal beschädigt worden ist, und die Betroffene subjektiv einen Anlass hatte, die Kameras einzusetzen". Subjektiv, das heißt: nicht aus Sicht des Gerichts.