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Roadtripping ohne Benzin: Im E-Auto bis ans Mittelmeer

Elektroautos werden immer schneller und effizienter. Doch wer ohne Sprit weit reisen will, hat ein Problem: Für grenzübergreifende Strecken gibt es kaum genügend Stromtankstellen. Die EU will das mit einem neuen System nun ändern – wir haben es getestet.
Alle Bilder: Motherboard

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Der Siegeszug des Elektroautos scheint nicht mehr aufzuhalten. Nicht erst seit dem Abgasskandal investieren die großen Autokonzerne in den technologischen Fortschritt und bringen immer reichweitenstärkere Elektromodelle auf den Markt. Auch die Politik befeuert den Umstieg auf E-Mobilität mit Subventionen und ehrgeizigen Plänen: Auf Deutschlands Straßen sollen nach dem Willen der Bundesregierung im Jahr 2020 insgesamt eine Million Elektroautos fahren.

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Die drängendsten Fragen von Autofahrern beantworten solche Zahlen jedoch nicht: Wie komfortabel ist es in der Praxis mit einem Elektroauto? Und wie weit kommt man überhaupt mit einem Auto, das nur mit einer Batterie angetrieben wird? Muss ich mich, wenn die Batterie leer ist, stundenlang an einer Ladestation langweilen, um endlich weiterfahren zu können?

Eine der größten Hürden für die massenhafte Durchsetzung liegt momentan weniger in den Autos als in den verfügbaren Lademöglichkeiten, denn bevor E-Autos für eine größere Zahl von Menschen praktikabel werden, braucht es ein verlässliches Netz an Ladestationen. Bisher haben die meisten Elektroautos lediglich eine Reichweite von 150 bis 400 Kilometern. Für Stadtfahrten kein Problem, aber große Sprünge sind damit nur bedingt möglich.

Freie Fahrt voraus.

Eines der aktuell drängendsten Probleme der Branche ist daher die "Reichweitenangst". So nennen Experten die Furcht der Autofahrer, dass ihnen plötzlich der Saft ausgehen könnte. Laut Umfragen herrscht in Deutschland beim Thema Reichweite die größte Skepsis gegenüber den neuen elektrischen Fahrzeugen. Auch um diesem Problem etwas entgegenzusetzen, ging die Europäische Union 2015 mit einem Pilotprojekt an den Start: "Central European Green Corridors (CEGC)" heißt das grenzübergreifende System von Ladestationen. Das Projekt ist praktisch, um eine längere Strecke zurückzulegen, bei der es auch mal einen Zwischenstopp braucht. Aber eignet es sich auch für einen echten Roadtrip?

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530 Kilometer mit dem Elektroauto: Kann das gutgehen?

Um zu schauen, wie weit wir mit einem Elektroauto kommen, mieten wir uns einen Wagen, der je nach Fahrweise bis zu 300 Kilometer am Stück schafft. Kein schlechter Wert für Stadtfahrten und kleinere Ausflüge. Für die Strecke von Hamburg nach Berlin aber beispielsweise reicht diese Reichweite ohne Aufladen nur mit Ach und Krach.

Für unseren Selbstversuch suchen wir uns jene Central European Green Corridors-Route aus, die uns bis ans Mittelmeer bringen könnte. Startpunkt: München. Mit einer Reichweite von 300 Kilometern würden wir gerade mal bis in die österreichischen Alpen kommen – ohne Ladepausen würde unsere Reise also nichts werden.

Der Akku im voll aufgeladenen Zustand. Es kann losgehen.

Das Straßennetz entlang der Korridore ist dank der Initiative, die von der EU und vier großen Autobauern getragen wird, recht gut mit Ladestationen versorgt. Insgesamt 115 Schnellladestationen wurden auf diesem Routennetz in fünf europäischen Ländern gebaut. Das Projekt Central European Green Corridors beginnt in Deutschland an der südlichen Landesgrenze und zieht sich durch Österreich, Slowenien und die Slowakei bis über die Grenze nach Kroatien. Es gibt noch drei weitere EU-Projekte dieser Art, die in fünf weiteren europäischen Ländern ein Netzwerk von insgesamt 429 Schnellladesäulen etabliert haben. Doch wir kennen nur ein Ziel: das Mittelmeer.

Die Central European Green Corridors sind dabei nur eines von zahlreichen Projekten der investEU-Initiative, die Zukunftstechnologien und innovative Start-ups aus den verschiedensten Bereichen fördert.

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„Ist das Ding schon an?", frage ich meinen Kollegen, nachdem ich den Motor gestartet habe. Als Journalist war ich viel unterwegs und habe für Recherchen schon in so manchem Auto gesessen, doch keines war so leise wie dieses hier – in diesem Wagen könnten wir sogar unterwegs unseren neuen Podcast aufnehmen, so still ist es hier. Mein Foto-Kollege auf dem Beifahrersitz ist ebenfalls ein wenig irritiert. Doch die Anzeige wirft uns eindeutige Blicke zu: Ja, ist an. Alles klar, wir fahren los. Insgesamt 530 Kilometer liegen zwischen unserem Startpunkt in München und dem Strand im slowenischen Portorož.

Face off: Wir kreuzen den Weg eines Harley-Davidson-Fahrers, der sich gerade zur "European Bike Week" in der Region aufhält.

Reichweitenangst ade – aber nur mit der richtigen Planung

Der erste Streckenabschnitt verläuft ohne Probleme. Obwohl das Lade-Netzwerk relativ breit ausgebaut ist, sollte man sich rechtzeitig überlegen, welche Station man als nächstes anfahren möchte. Die Anzeige in der Armatur gibt uns den Akkustand in verbleibenden Kilometern an. Wir planen also besser einen Puffer ein, um im Notfall die nächstgelegene Station noch erreichen zu können. Wer will schon mit einem Elektroauto liegen bleiben?

Unser Roadtrip will sorgsam geplant sein. Wir müssen die richtigen Tankstellen im Vorhinein raussuchen – und auch unsere Fahrweise sollten wir anpassen. Denn die wirkt sich unmittelbar auf die Reichweite des Autos aus. Unser Wagen hat einen sogenannten "Eco"-Modus. Der ermöglicht uns zwar, Energie zu sparen und die maximale Reichweite des Fahrzeugs auszureizen, allerdings fahren wir damit maximal 95 km/h – was auf der Autobahn eher nicht so unsere Sache ist. Am Anfang der Fahrt drehen wir auf 145 km/h hoch und gönnen uns für eine Weile die linke Autobahnspur.

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Je nach Akkutyp lädt man in normaler (11 Kilowatt), beschleunigter (22 KW) oder in Highspeed-Geschwindigkeit (bis 50 KW) auf.

Das erste Mal tanken wir Strom in Österreich, etwa auf halber Strecke. Welche Ladestation die nächstgelegene oder die am günstigsten zu erreichende liegt, lässt sich am einfachsten über eine App herausfinden. Die offizielle App heißt Smatrics und hat nicht nur eine interaktive Karte, auf der sämtliche Ladesäulen verzeichnet sind, sondern berechnet zugleich die Distanz zwischen aktuellem Standort und gewünschter Station. Wichtig zu wissen: Nicht jedes Auto kann jede Ladesäule anzapfen. Je nach Akkutyp des Autos kann man in normaler (11 Kilowatt), beschleunigter (22 KW) oder in Highspeed-Geschwindigkeit (bis 50 KW) aufladen.

Keine Ladestation, an der wir nicht interessierte Blicke auf uns ziehen oder danach gefragt werden, wie weit unser E-Auto denn fahre oder wie lange es zum Aufladen brauche.

Auch die Bezahlmodalitäten sind nicht überall gleich: An manchen Stationen bezahlt man per zuvor gekaufter Karte, an anderen per App. Auf unserer Route brauchen wir beides: Die Ladesäulen in Deutschland und Österreich steuern wir mit dem Handy an, fürs Laden in Slowenien besorgen wir uns die Karte zuvor in der Tanke.

Schnelladestation zwischen Kranj und Ljubljana. Gezahlt wird bequem per Karte.

Ladezeit reicht gerade mal für einen kleinen Pausensnack

Auch was die Ladezeiten angeht, können besorgte Benzin-Fans aufhorchen: An Schnellladestationen dauert das Laden nicht länger als eine Kaffeepause. Nach einem Cappuccino und einem kleinen Snack ist der Lithium-Ionen-Akku schon wieder mit Voltchargen vollgepumpt. Zwischen 20 und 30 Minuten dauert es, bis die Akkukapazität zu 80 Prozent geladen ist. Aber auch hier gilt: abhängig von der Ladeleistung des jeweiligen Autos. Fahrzeuge, die nicht über die Schnellladefunktion verfügen, warten schon mal zwei Stunden auf eine volle Batterie.

Schnellladestation am McDonald's in Villach, Österreich

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Die Ladesäulen des Central European Green Corridors-Netzes sind größtenteils entlang der Autobahnen gebaut. In Deutschland und Österreich stehen die Ladesäulen an Orten in unmittelbarer Autobahnnähe, wir brauchen also nur wenige Minuten Umweg, um sie anzusteuern. In Slowenien sind sie noch einfacher zu erreichen – dort sind die Ladesäulen direkt an normalen Tankstellen installiert worden. Ein Vorteil, wenn man sich wie wir die Wartezeit mit etwas Koffein und slowenischem Streetfood versüßen will.

Das Auto der Zukunft: Wie fühlt sich das an?

Auch wenn es etwas mehr Planung bedeutet, einen längeren Trip mit dem E-Auto zu machen, ist das Fahrgefühl gegenüber einem Benziner deutlich angenehmer. Auch bei hohen Geschwindigkeiten surrt der E-Motor so leise, dass es kaum wahrnehmbar ist. Es fühlt sich fast ein wenig futuristisch an, als würden wir in einem Raumschiff über die Autobahn schweben.

Zumindest könnte man das meinen, wenn man die Gesichter der anderen Autofahrer studiert. Keine Ladestation, an der wir nicht interessierte Blicke auf uns ziehen oder danach gefragt werden, wie weit unser E-Auto denn fahre oder wie lange es zum Aufladen brauche. Selbst ein Porsche-Fahrer, der über die leiser werdenden Motoren bei der Formel 1 klagt und sich gleich zu Beginn als „Gegner von E-Autos" vorstellt, fragt mehrfach ungläubig nach, ob ein Stromauto wirklich 145 km/h schaffe.

Ja, schafft es. Wir düsen weiter. Berge, Seen, Flüsse rauschen an uns vorüber wie flatternde Postkarten. Klar, wer die dröhnenden Sounds eines Benziners vermisst, wird beim Elektroauto enttäuscht werden. Aber lautes Motorengeheule ist auch bei modernen Verbrennungsmotoren längst Geschichte. Das Auto der Zukunft schnurrt leise wie ein Kätzchen.

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Am Ziel: parken, schwimmen, Bier trinken

Unseren zweiten Ladestopp erledigen wir kurz vor der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. Jetzt sind es nur noch gut hundert Kilometer bis zum Ziel unseres Roadtrips: dem malerischen Portorož, einem beliebten Badeort an der slowenischen Mittelmeerküste. Die Serpentinen, die uns hinunter ins Tal tragen, führen uns vorbei an venezianischer Architektur und klassizistischen Villen. Der Geruch von Pinien kriecht ins Auto.

Unten angekommen, parken wir unsere E-Karre direkt am Ufer. Wir steigen aus und genießen die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Lauschen, wie Wellen träge gegen das Ufer branden und nur gelegentlich von Möwen übertönt werden, die über das beschauliche Örtchen segeln. Wir haben es geschafft: Mit nur zwei Ladepausen sind wir von Deutschland bis ans Mittelmeer gefahren.

Auf das nächste Abenteuer.

Während wir die letzte Wärme dieses Spätsommertags für einen Sprung ins Wasser nutzen, hängt blass der Mond am Himmel, als hätte er noch nicht so richtig Lust, die Nacht einzuläuten und wollte selbst noch etwas in der Abendsonne baumeln.

Wir fahren ins Hotel, gehen an die Strandbar und bestellen ein kühles Helles. Geschafft.