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Popkultur

Ist 'Rick and Morty' wirklich so intelligent, wie die Fans glauben?

Wir haben eine Wissenschaftlerin, eine Philosophin und einen Drehbuchschreiber gefragt.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Adult Swim

Rick and Morty ist eine sehr lustige und kurzweilige Sendung, die Menschen unterschiedlichster Art zu schätzen wissen. Blöderweise gibt es unter den Zuschauern einen kleinen aber lauten Teil, der sich große Mühe gibt, allen Fans der Sendung einen schlechten Namen zu verpassen. Es sind Pseudointellektuelle eines ganz bestimmten Schlages – vornehmlich Männer, die in einem Mengendiagramm den Schnittpunkt zwischen Gamer, E-Zigaretten-Aficionado und YouTube-Nietzsche-Rezitator besetzen.

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Schau einfach mal bei den unzähligen Diskussionen auf Reddit, Facebook oder Twitter vorbei und ziemlich schnell dürftest du mindestens einen der folgenden Typen entdecken: a) diejenigen, die fest davon überzeugt sind, dass es sie zu inhärent intelligenteren Menschen macht, wenn sie eine Serie mögen, in der ein paar wissenschaftliche oder philosophische Themen aufgegriffen werden; b) diejenigen, die glauben, dass einem Großteil der Fans von Rick and Morty der überlegene Intellekt fehlt, um die Feinheiten der naturwissenschaftlichen und philosophischen Verweise so tiefgründig zu verstehen wie sie.

Ich wollte herausfinden, ob diese Fans wirklich so schlau sind, wie sie denken, und ob überhaupt ein gutes Physik- und Philosophiewissen notwendig ist, um die Sendung mögen zu können. Darum habe ich mich mit ein paar Zuschauern unterhalten, die gleichzeitig Experten in relevanten Feldern sind.

Dr. Pragya Agarwal – Geoinformationswissenschaftlerin

VICE: Dr. Agarwal, was halten Sie von Rick and Morty?
Dr. Pragya Agarwal: Ich bin kein großer Fan, aber vielleicht gehöre ich auch einfach nicht wirklich zur Zielgruppe. Ich habe die Sendung auch nicht übermäßig verfolgt, aber sie ist lustig und ich kann verstehen, was vielen Menschen daran gefällt.

Würden Sie als Wissenschaftlerin sagen, dass Zuschauer ein hohes wissenschaftliches Grundwissen brauchen, um die Serie wirklich verstehen zu können?
Nein, ich glaube nicht, dass irgendjemand dafür wissenschaftlich besonders bewandert sein muss. Die Serie hat viele Ebenen und ist darauf angelegt, auch für wissenschaftliche Laien lustig zu sein. Sie greift auf relativ herkömmliche Science-Fiction-Referenzen zurück, die den allermeisten bekannt sein dürften. Aber ein Wissenschaftler könnte manche Witze und Referenzen in einem größeren Kontext wertschätzen. Die allermeisten Ideen werden allerdings überspitzt oder sind frei erfunden.

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Ich muss also kein Genie sein, um die Anspielungen in der Serie zu verstehen?
Nein, die Sendung funktioniert ja durch ihre Zugänglichkeit. Viele der wissenschaftlichen Konzepte, die darin vorkommen, sind inakkurat und basieren dementsprechend nicht wirklich auf Wissenschaft.

Aber würde ich als Wissenschaftsinteressierter die Serie mehr wertschätzen oder ist das total egal?
Nun, es gibt Verweise auf Wurmlöchern und Schrödingers Theorie und viele Witze basieren auf echten Theorien, werden aber überspitzt. Also vielleicht ein kleines Bisschen. Die Gags sind aber an sich schon einfach witzig und können von allen verstanden werden – auch ohne fundamentale Kenntnis der Theorie dahinter.


Aus dem VICE-Netzwerk: Der Alienforscher, der seinen Kollegen einen Funkspruch voraus ist


Peg O'Connor – Philosophin

VICE: Was halten Sie von Rick and Morty?
Peg O'Connor: Ich habe gemischte Gefühle, was die Sendung angeht. Einerseits finde ich es toll, dass Fragen der Philosophie und Physik in der Serie so präsent sind. Es ist super, wenn die Fragen der Sendung bei den Zuschauern hängenbleiben, etwa: "Gibt es irgendeinen Sinn und Wert in dieser Welt?"

Als Frau und Philosophin sehe ich in der Serie allerdings männliche Verhaltensweisen, die die Philosophie und Physik zu Männerdomänen gemacht hat – inklusive einer langanhaltenden Frauenfeindlichkeit. Da kommt man als Zuschauer nur schwer dran vorbei. Ricks destruktives und unverantwortliches Verhalten gehört dazu. Als Mann kommt er damit durch, eine Frau würde dafür am Pranger landen.

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Könnte das auch der Grund dafür sein, dass die Sendung bei Naturwissenschaftlern und Philosophen so beliebt ist?
Die Popularität hat definitiv etwas mit dem Zeichentrickformat zu tun. Die Simpsons konnten aufgrund dieses Formats unterschiedlichste gesellschaftliche, moralische und ökonomische Fragen aufgreifen. Bei den Simpsons gibt es eine radikale Kritik. In den Rick and Morty-Folgen, die ich gesehen habe, gab es die nicht.

Aber junge Männer mit einem Interesse an Naturwissenschaften und Philosophie bekommen eine Sendung, die sich nur um sie dreht. Männer und Jungen können darin Wissen ergründen und gegen Feinde oder sogar gegen andere Versionen ihrer Selbst kämpfen. Sie können Helden sein und die Welt retten. Männer lieben die Serie also. Ich frage mich, ob junge Frauen mit ähnlichen Interessen die Sendung genau so gut finden. Vielleicht müssen sie auch mehr Zeit damit verbringen, sich ihren eigenen Platz in die Geschichte hineinzudenken, weil sie dabei ihr Geschlecht hinter sich lassen müssen.

Glauben Sie also, dass nur intelligente Menschen die Sendung verstehen können?
Mir wäre gar nicht wohl dabei, so etwas zu sagen. Vor allem weil die Philosophie und Philosophen den – nicht ganz unberechtigten – Ruf haben, elitär zu sein. Ihnen wird vorgeworfen, die Philosophie so abstrakt und entfremdet von den Fragen des Alltags zu denken, dass die meisten Menschen damit nichts anfangen können. Das ist wirklich schlimm, weil die Philosophie, wie sie damals von den alten Griechen wie Platon und Sokrates praktiziert wurde, das Leben verbessern wollte. Das ist aber nicht das Philosophie-Verständnis von Rick and Morty. Ich würde es begrüßen, wenn etwas mehr Moralphilosophie in ihre Welt Einzug halten würde. Damit könnte man die männliche Dominanz und Frauenfeindlichkeit in Angriff nehmen, von der die Sendung durchzogen ist.

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Jack Warner – Drehbuchschreiber und Autor

VICE: Was halten Sie von Rick and Morty?
Jack Warner: Ich war ein großer Fan von Community – der Sitcom-Serie von Dan Harmon, einem der beiden Erfinder der Sendung. Community hat ähnlich wie Rick and Morty eine große Fangemeinschaft, die sich vor allem auf Tumblr rumtreibt. Und auch sie gaben stolz an, die Sendung besser zu verstehen, weil sie ihre Theorien und Beobachtungen teilte. Dann fing Dan Harmon an, Rick and Morty für diese kleine Fangruppe zu machen und lieferte ihr alles, was sie sich nur wünschen konnte … was auch bedeutete, dass die Sendung immer weiter verwässert wurde.

David Mitchell beschrieb einmal, was er bei seiner Arbeit hinter der Bühne eines Theater beobachtet hatte. Er sah, wie ein Schauspieler mit einer sehr natürlichen Geste eine große Publikumsreaktion hervorrief. Jeden Abend machte der Schauspieler diese Geste und gegen Ende der Spielzeit vollführte er sie so überschwänglich, dass sie ihren Witz verloren hatte. Ich glaube, das passiert gerade bei Rick and Morty.

Glauben Sie, dass man für die Serie Fachwissen braucht?
Nein. Die Verweise aufs Science-Fiction-Kino zu verstehen, dürfte zwar definitiv helfen, aber ein Großteil des Humors kommt aus dem Alltag. Ich würde sagen, dass der Humor sich vor allem daraus ableitet, Alltagsbeobachtungen zu nehmen und sie in ein abgefahrenes Science-Fiction-Setting zu werfen. Ein paar der lustigsten Momente der Serie sind die, in denen sich Harmons Kollege Justin Roiland einfach frei an den Figuren austobt. Ich kenne ein paar richtige Vollidioten, die das lieben, und ich kenne ein paar richtige Intelligenzbestien, die das lieben. Eine gute Serie zeichnet sich dadurch aus, dass sie viele verschiedene Menschen anspricht – nicht eine spezifische Gruppe. Aber insgesamt denke ich, dass Science-Fiction an sich ein Genre ist, das schlaue Menschen für sich beanspruchen. Ich erinnere mich an ganz ähnliche Diskussionen, als Futurama noch lief.

Es ist also ganz allgemein eine gut geschriebene Sendung?
Ja, definitiv. Dan Harmon und Justin Roiland sind in meinen Augen absolute Meister ihres Fachs und unglaublich lustige Typen. Rick and Morty-Folgen sind manchmal eine regelrechte Lehrstunde darin, wie man eine Sitcom-Folge zu strukturieren hat. Ihre Fantasie ist darüberhinaus unerschöpflich.

Warum werden Menschen bei Fernsehsendungen so fanatisch?
Fernsehen ist das vielleicht persönlichste Medium. Es ist extrem konsumentenfreundlich. Du kannst es im Bett schauen und dich einfach berieseln lassen. Wenn du es alleine schaust, kannst du das Gefühl bekommen, dass es nur für dich da ist. Wenn du die Vorliebe für eine Sendung mit jemandem teilen kannst, habt ihr sofort einen gemeinsamen Bezugspunkt. Science-Fiction und Cartoons für Erwachsene haben beide eher Nischencharakter und das Internet hat es Fans erlaubt, sich effektiver zu finden denn je.

Wenn du dich etwas außerhalb des Mainstreams befindest, weißt du jede Verbindung zu schätzen, die du kriegen kannst. Schau nur, wie sich ältere Menschen als Wutbürger bei Facebook finden. Vor ein paar Jahren sammelten sie sich noch in kleinen Kreisen an Stammtischen, aber jetzt merken sie plötzlich, dass es im ganzen Land viel mehr von ihnen gibt. Mit Fan-Communitys ist es das Gleiche: Es ist schön, wenn Fremde den eigenen, vermeintlich subversiven Geschmack wertschätzen.

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