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Razzia mit Hundertschaft im Club – und der hat nichts dagegen

Der ausschlaggebende Hinweis kam von einem mutmaßlichen Drogendealer im Görlitzer Park. Kann das rechtens sein?
Foto: imago | Votos-Roland Owsnitzki

Stell dir vor, du hängst am Dienstagabend bei einem Feierabenddrink im Strandclub und genießt einen der letzten warmen Tage. Auf einmal rauschen etliche Polizeifahrzeuge heran, eine Hundertschaft marschiert ein und durchkämmt die Location mehrere Stunden lang. Die Polizisten suchen nach Drogen, filzen auch dich und deine Freunde. Schließlich finden sie in irgendeiner Ecke ein paar Päckchen. Genau das ist an diesem Dienstag im Berliner YAAM-Club passiert.

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Ausgelöst hatten die Aktion zwei zivile Fahnder. Sie hatten gegen 17 Uhr beobachtet, wie ein Mann im Görlitzer Park, zwei Kilometer vom YAAM entfernt, einen Gegenstand aus einem Gebüsch nahm. Die Beamten griffen zu, durchsuchten ihn und einen weiteren Verdächtigen. Bei der Befragung sagte einer der beiden, dass er die Drogen im YAAM bekommen hätte. Ein Richter stellte der Polizei daraufhin einen Durchsuchungsbeschluss aus. Und das binnen weniger Stunden, denn schon um 20:15 Uhr stürmte die Polizei den Club. Laut Polizeipressestelle waren rund 90 Beamte am Einsatz beteiligt. Anschließend präsentierten sie die Beute – "Dope, Pillen und Pulver" – stolz auf Twitter:

Kann das rechtens sein? Reicht die Aussage eines einzelnen mutmaßlichen Dealers im Görlitzer Park aus, um mit einem Großaufgebot anzurücken?

Wir haben Rechtsanwalt Tilman Schürer gefragt, welche Vorschriften in Deutschland für die Durchsuchung von öffentlichen Einrichtungen gelten. Der Anwalt hat sich mit Drogenrazzien in einem Nürnberger Techno-Club befasst. Seiner Meinung nach ist es nicht entscheidend, ob der Hinweis auf eine Straftat nur von einer einzelnen Person kommt. Werden die Person und deren Aussage von den Polizisten als glaubwürdig eingeschätzt, reicht sie als Grundlage für einen Verdacht aus – selbst, wenn es sich um Dealer handelt.


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Schürer erklärt jedoch, dass für jede polizeiliche Maßnahme das mildeste geeignete Mittel angewandt werden sollte. Hätte sich die Polizei also nicht einfach mit den Clubbetreibern absprechen können, statt so einzufallen? Nicht wirklich, meint der Anwalt. Wenn die Polizei davon ausgehe, dass größere Mengen im Spiel seien, ist ein direkter Zugriff schwierig zu vermeiden. Ab einer gewissen Menge gäbe es einfach keinen Ermessensspielraum mehr, da man sich sonst einer Strafvereitelung schuldig mache. Da könne auch ein Polizist kein Auge zudrücken.

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Die Existenz des YAAM steht auf dem Spiel

Auch sonst wäre eine Razzia kaum zu verhindern gewesen. Dealer hätten das Außengelände des Clubs offensichtlich "missbraucht", um dort Drogen zu bunkern, erklärt das YAAM auf Anfrage. Lutz Leichsenring von der Clubcommission Berlin bestätigt, dass der Club in der Vergangenheit schon öfters Probleme mit verstecktem Stoff hatte. Um die Lage in den Griff zu bekommen, hätte man Hausverbote ausgesprochen, die Security erhöht und mit der Polizei kooperiert. Geholfen hat das anscheinend nur bedingt.

Auch deshalb halten die Betreiber des YAAM den Eingriff der Polizei nicht für unverhältnismäßig. Die großen Mengen an gefundenen Drogen würde zeigen, dass es ein deutliches Problem gebe. Auch Anwalt Schürer hält die Funde für einen ausreichenden Rechtfertigungsgrund. Doch bei so viel Gras, Frieden und Polizei blieben nicht alle entspannt, sagt das YAAM: "Afrikaner haben sich beschwert, anders kontrolliert worden zu sein als Deutsche oder 'Weiße'." Einige sprachen von "Racial Profiling".

Die Clubcommission will sich nun mit dem YAAM und den zuständigen Stellen der Polizei zusammensetzen, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden und die Dealer vom Gelände fernzuhalten. Gelingt das nicht, könnte das laut Leichsenring das Aus für den Club bedeuten.

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