Der blonde Mann Till Reiners sitzt an seinem Schreibtisch und vor ihm liegt ein Blatt Papier. Er hat die Mietpreisbremse genutzt.
Alle Fotos: Flora Rüegg

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So kannst du eigenmächtig deine Miete senken

Ich zahle dank Mietpreisbremse neuerdings 160 Euro weniger. Pro Monat.

Vor zweieinhalb Jahren gelang mir das Unmögliche: Ich habe nach nur zwei Bewerbungen eine Wohnung in Berlin bekommen. Ich bin nicht reich, ich kannte den Vermieter nicht, einfach so. "Da muss es doch einen Haken geben!", dachte ich, verwarf den Gedanken aber wieder. Ich mochte die Wohnung, es war die erste "eigene" nach zwölf Jahren Zusammenwohnen mit anderen, die Wohnlage war super und meine Lage war zu dem Zeitpunkt nicht super: Ich musste bei meiner Freundin raus. Dringend.

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Als die Zusage des Vermieters kam, habe ich, ohne zu überlegen, zugesagt. Drei Tage nach der Besichtigung traf ich mich mit einem Mitarbeiter des Vermieters, um den Mietvertrag zu unterzeichnen. Natürlich gab es einen Haken. Staffelmiete. Fuck. Das hatte ich wohl überlesen. 2,3 Prozent pro Jahr. Das sind jedes Jahr mindestens 180 Euro mehr. Das läppert sich. Aber egal. Doch es gab noch einen Haken: Bevor ich den Mietervertrag unterschrieb, schob mir der Mitarbeiter einen Zettel mit einer Liste an Möbelstücken zu. "Die Wohnung wird möbliert vermietet." Ich sollte unterschreiben. Verdammt. Ich hatte wirklich viel überlesen. Ein wenig absurd – die Wohnung hatte noch gar keine Möbel. Aber egal, ich hatte wenig Sachen und dachte: Dann kreuze ich eben an, welche Möbel ich haben möchte, ist ja sogar praktisch! "Den Tisch hätte ich auf jeden Fall gerne", sagte ich. Der Mitarbeiter schaut mich verblüfft an: "Nee, auf diesem Zettel steht, dass Sie auf all diese Dinge verzichten." Ich verstand immer noch nicht. "Ja, aber den Tisch hätte ich ja wirklich gerne." Die nächste Szene hat sich tief in mein Gedächtnis gebrannt. Der Mitarbeiter sagte genervt, aber wie selbstverständlich zu mir: "Die Möbel haben wir gar nicht. Sie unterschreiben, dass Sie auf die Möbel verzichten, damit wir die Wohnung als möbliert vermieten können." Ich verstand es immer noch nicht. "Na, damit wir die Miete höher machen können." – "Das ist ja toll, wie transparent man hier übers Ohr gehauen wird", habe ich geantwortet. Stimmt natürlich nicht, aber hätte ich gerne.

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Ich unterschrieb einen Mietvertrag, in dem stand, dass ich 25 Euro zusätzlich monatlich für Möbel zahle, die es nicht gibt. Und ich dachte nur: "Das kann alles nicht rechtens sein, wenn ich eingezogen bin, geh ich später mal dagegen vor."


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Aus "später" wurden zwei Jahre und zwei Mieterhöhungen. Mittlerweile zahlte ich 850 Euro warm pro Monat. Für 69 Quadratmeter in Kreuzberg. Für heutige Verhältnisse würde man sagen: fast noch OK. Aber ich weiß: Die Miete wird laut Vertrag die nächsten 15 Jahre steigen. Angepeilte Miete in 2032, wenn die Nebenkosten so bleiben: mindestens 1100 Euro.

Ich hasse Papierkram. Ich hasse Kleingedrucktes und sowieso alles, was nach Langeweile riecht. Ich bin in der privilegierten Situation, mir die Miete leisten zu können. Aber genau deswegen hat mein schlechtes Gewissen irgendwann gesiegt. Zahlte ich wirklich aus Faulheit zu viel Miete? Gentrifiziere ich for fun? Was ist denn mit dieser ominösen Mietpreisbremse? Ich hatte schon darüber gelesen, dass sie viel zu lasch ist und selten anwendbar – aber probieren wollte ich's, schließlich kostet es ja nichts – bis auf die Mitgliedkosten beim Mieterverein. Ich vereinbarte dort einen Sprechstunden-Termin. Macht euch bereit, ihr Miethaie! Hier kommt Till Reiners, ich lasse meine Anwälte von der Leine!

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Ich fühlte mich wie ein Grisham-Anwalt, bis ich in den Räumen des Vereins angekommen war. Ich warne vor: Es sieht hier nicht aus wie die Anwaltskanzlei bei Suits. Das juristische Bollwerk, das das Recht des kleinen Mannes durchsetzen soll, hat den Charme eines AStA-Cafés. Der Anwalt war nett und zurückhaltend. "Ob die Mietpreisbremse auf Ihren Fall anwendbar ist, kann ich noch nicht sagen, füllen Sie bitte das Formular aus. Nehmen Sie sich Zeit dafür, bisher hat es noch nie jemand geschafft, es beim ersten Mal richtig auszufüllen."

Um es kurz zu machen: Ich brauchte drei Anläufe, um das sechsseitige Formular auszufüllen. Ich wusste wieder, warum ich so lange untätig war. Meine Befürchtungen wurden bestätigt.

Der Autor sitzt auf einem Sessel

"Ich hasse Papierkram. Ich hasse Kleingedrucktes und sowieso alles, was nach Langeweile riecht."

Die Mietpreisbremse ist ein Gesetz, das besagt, dass man die Miete nicht unbegrenzt erhöhen darf (Update 15. Oktober 2020: 2019 & 2020 wurde die Mietpreisbremse von der Regierung verschärft und verlängert, alle Infos zu den Änderungen findest du hier.). Die Frage, die durch die Mutter aller Formulare geklärt werden soll, ist: Welche Miete ist angemessen in Relation zur Qualität der Wohnung? Es gibt Gründe, die als wertmindernd angegeben werden können. Das führt dann dazu, dass man sogar angeben muss, ob die Heizungsrohre über der Wand verlaufen (wertmindernd) und ob das Badezimmer ein Fenster hat.

Bisher gibt es strenge Auslegungen, was als wertmindernd angesehen wird. Eine "schlechte Wohngegend" beispielsweise kann man nicht angeben, wenn Junkies jeden Tag vor die Eingangstüre pinkeln und sich manchmal im Hausflur einen Schuss setzen. Wenn nicht direkt vor der eigenen Haustüre die Erde aufreißt und Dämonen aus der Hölle emporsteigen, gilt in Berlin die Wohngegend grundsätzlich als "normal".

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Trotz dieser vermieterfreundlichen Auslegung konnte ich ein paar Punkte als wertmindernd angeben, außerdem kriegsentscheidend: Wie viel haben die vorherigen Mieter gezahlt? Und wie ist der Mietspiegel für die Gegend? Mein Anwalt kam auf eine Mietminderung von 160 Euro. Pro Monat, wohlgemerkt.

Ein paar Tage nachdem mein Anwalt dem Vermieter geschrieben hatte, antwortete er: "Unsere Anwälte melden sich bei Ihnen." Haben sie dann auch, zwei Wochen später. Ihre Antwort: "Wir bestätigen, dass Ihre Miete nur noch die von Ihnen errechnete Höhe beträgt." Das war's. Ich zahle jetzt 160 Euro weniger Miete pro Monat, einfach, weil ich ein Formular ausgefüllt habe.

Wollt ihr auch weniger Miete zahlen? Spart Zeit und Nerven mit diesen vier Tipps:

  1. Keine Angst

Grund Nummer eins, warum die Mietpreisbremse so selten aktiviert wird, ist: Die Leute haben Angst vor ihrem Vermieter. Mietpreisbremse klingt so, als würdet ihr eurem Vermieter vom Beifahrersitz aus auf die Bremse treten. Es ist der umgekehrte Fall: Ihr weist euren Vermieter darauf hin, dass er konstant zu schnell fährt. Mein Vermieter hat zweieinhalb Jahre das Gesetz gebrochen und keine Strafe gezahlt. Die Strafe habe ich gezahlt, in Form von zu viel Miete. Ich habe meinem Vermieter insgesamt 4.000 Euro dafür geschenkt, dass er dreist war. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass euer Vermieter nicht mehr ganz so nett grüßt. Das isses mir wert.

  1. Mieterverein

Googelt, ob es die Mietpreisbremse in eurer Stadt gibt. Wenn ja: Geht zu einem Schutzbund eurer Wahl und klärt mit den Mietrechts-Profis, ob man was machen kann. Bevor ihr euch fragt: Nein, ich bekomme kein Geld vom Mieterverein dafür, dass ich hier Werbung mache. Ich mache Werbung, weil es für mich einfach so viel Gründe gibt, die dafür sprechen, sich als Mieter zusammenzuschließen. Ihr bekommt Rechtsbeistand in Sachen Mietpreisbremse. Darüber hinaus könnt ihr bei der nächsten Modernisierungsanfrage, Mietpreiserhöhung oder merkwürdigen Nebenkostenabrechnungen sagen: "Das lasse ich checken."

  1. Pflaster-Strategie

Wenn euch gesagt wird: Hier hat die Mietpreisbremse Aussicht auf Erfolg: Megagut! Macht das Ganze so, wie man ein Pflaster abzieht: einmal kurz und schmerzvoll, dann habt ihr es hinter euch. Sucht eure Unterlagen zusammen, dann guckt, was noch auf euch zukommt, am besten, indem ihr oben erwähntes Formular checkt.

Ihr könnt euren Vermieterin fragen, wann zum Beispiel das Haus erbaut wurde oder wie der Energieausweis der Wohnung ist – der/die muss euch das mitteilen.

  1. Warten

Es dauert eine paar Wochen, dann wisst ihr, was Sache ist. Notfalls müsst ihr klagen. Das würde dann auch euer Schutzbund zahlen, wenn er das für sinnvoll hält. Das Schlimmste, was passieren kann: Ihr zahlt so viel wie bisher. Das war's.

Till Reiners ist deutscher Comedian und Autor - und seit Neuestem Experte für die Mietpreisbremse.

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