IBIZA

Warum das Verhalten von Strache und Gudenus ein Paradebeispiel toxischer Männlichkeit ist

FPÖ-Wählende schreckt das aber nicht ab. Es zieht sie teils noch an.
Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache
Johann Gudenus (l.) und Heinz-Christian Strache als noch alles rund lief || Foto: Gudenus: imago images / K.Piles |

Strache: imago images / photonews.at || Collage: VICE

"Es war ein typisch alkoholbedingtes Macho-Gehabe, mit dem ich wahrscheinlich auch die attraktive Gastgeberin beeindrucken wollte", sagt Heinz-Christian Strache vor über einer Woche in seiner Stellungnahme zum Ibiza-Video. Das sollte eigentlich eine Entschuldigung sein. Es wurde aber zu einer endlos langen Schleife aus Ausreden und Schuldzuschreibungen. Ein bisschen "Schmutzkübelkampagne" hier, ein bisschen "Man will mich ins rechtsextreme Eck stellen!!1!" da und et voilà: fertig ist die Opferrolle, die beliebteste politische Strategie im rechten Kosmos.

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Die Causa Ibiza, und alles was danach an unglaubwürdigem Geschwafel kam, steht jedoch symptomatisch für ein Problem, dem sich wohl kein männlicher Rechtspopulist entziehen kann: Dieses Verhalten trieft vor Machtgier und Sexismus und ist Ausdruck einer toxischen Maskulinität, von der Männer aus dem rechten politischen Spektrum scheinbar jeden Morgen einen großen Schuss in ihren kleinen Braunen rühren.

Eine "bsoffene G´schicht", eine private Entgleisung soll der wahrscheinlich größte innenpolitische Skandal der zweiten Republik gewesen sein. Eine Ausrede, die auch ausfällige Männer auf Volksfesten gern verwenden, wenn sie sich daneben benommen haben, und das Bier Schuld ist, nicht aber sie selbst. Aber noch bei keinem Menschen haben ein paar Gläser zu viel Wodka eine Verwandlung vom astreinen Familienvater zum grapschenden Macho gerechtfertigt. Genauso wenig zu einem korrupten, schmierigen und machtgierigen Politiker. Strache war noch nie ein Strahlemann, sondern ein Verfechter einer rassistischen und sexistischen Politik. Auch wenn FPÖ-Fans derzeit auf Facebook verzweifelt Verschwörungstheorien zum Schutz ihres "Bumsti" spinnen und "Jetzt erst recht!" krakeelen.


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Die Ursache von Straches und Gudenus’ Totalschaden liegt viel tiefer. Es steht symptomatisch für das Verständnis von Männlichkeit, das dem rechtskonservativen Rollenbild zugrunde liegt, das sie so konsequent vertreten. Und dieses Bild ist giftig. Ein richtiger Mann ist stark, er muss beschützen und die Familie ernähren. Und als Politiker im besten Fall noch die Nation vor dem bösen Islam retten. Das ist das Strache-Bild, das die klassische FPÖ-Wählerschaft von ihm hat und nach Ibiza versucht aufrechtzuerhalten. Rassistisch und sexistisch war Strache schon immer, was in Österreich für viele auch kein Problem zu sein scheint. Das Ibiza-Video riss dem FPÖ-Helden die perfekt zusammengebastelte Maske aber endgültig herunter.

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Doch das scheint seine Wählerinnen und Wähler nicht zu beeindrucken: Bei der Europawahl verliert die FPÖ zwar leicht, wird aber entgegen vieler Erwartungen nicht abgestraft. Mit knapp über 17 Prozent verlor die FPÖ im Vergleich zur letzten EU-Wahl 2014 nur etwas mehr als zwei Prozent. Auch wenn es im Vergleich zur letzten Nationalratswahl um die neun Prozent sind, ist das wenig, wenn man das Ibiza-Videos im Hinterkopf hat.

Alkohol, Frauen, Brüderschaft: Männer eben!

Spricht Strache tatsächlich über das Ibiza-Video, fallen ein paar Wörter besonders oft: die Attraktivität der Gastgeberin, der Alkohol, das eigentlich private Gespräch und überhaupt, die hinterhältig eingefädelte "Schmutzkübelkampagne". Alles Faktoren, die Gudenus und Strache erst dazu gebracht haben sollen, sich "prahlerisch wie ein Teenager zu verhalten". Damit wischen sie die komplette Verantwortung von ihrem versifften Tisch.

Das alles hinterlässt folgendes Bild über ihr Verständnis von Männlichkeit: Es kann schon mal passieren, dass man im Alkoholrausch eine attraktive Frau mit illegalen Machenschaften beeindrucken will. Ein richtiger Mann säuft sich eben ab und an den Verstand weg und macht Dummheiten. Vor allem wenn das weibliche Gegenüber dermaßen attraktiv ist. So sind sie eben, die Männer. Da kann’s auch mal passieren, dass man die halbe Republik verkaufen möchte. Shit happens!

So einen Mann möchte man nicht als Ehemann haben, nicht als Bruder, geschweige denn zum Sohn. Und wer möchte von so einem Mann regiert werden?

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Die Schuld am eigenen Fehlverhalten externen Faktoren zuzuschreiben, ist eine gängige Strategie, die insbesondere Rechtspopulisten gerne aus ihren politischen Werkzeugkoffer holen. Die schöne russische Oligarchennichte – die auch noch eine Falle aufbaute, um die FPÖ in die Knie zu zwingen – ist die eigentlich Schuldige an dem ganzen Dilemma. Und dann war da noch der Alkohol. Als wären österreichischer Rechtspopulisten nicht auch ohne russische Oligarchen-Nichten und ihr Nationalgetränk unverfroren und machtgeil.

Diese Tatsache wird jedoch bewusst verwischt. Straches und Gudenus’ Pläne hätten nach ihrem Verständnis jedem passieren können.

Die kuschelige Opferrolle der ach so starken Männer

Die eigene Verantwortung zu negieren, ist Teil eines viel perfideren Vorgangs. Seit die Ereignisse vom Juni 2017 bekannt wurden, machen Strache und Gudenus nichts anderes als sich wohlwollend und grunzend in der eigenen Opferrolle zu suhlen. Schmutzkübelkampagnen und die bösartige Lügenpresse – das sind die wahren Übeltäter! Niemals aber die Personen, aus deren Mündern die Wörter kamen, die ganz Österreich innerhalb weniger Tage auf den Kopf gestellt haben.

Diese perfekt ausgeklügelte Rolle, aus der, wenn man die FPÖ nur lange genug kennt, auch immer ein bisschen Verzweiflung herausschaut, nahm mit einer weiteren Ausflucht von Johann Gudenus ihren vorläufigen Höhepunkt. Er behauptete, möglicherweise mit K.O.-Tropfen oder anderen Substanzen betäubt worden zu sein. An Teile des Gesprächs könne er sich gar nicht mehr richtig erinnern. Und das obwohl er in dem Video deutlich spricht, ins Russische übersetzt und konzentriert seine illegalen Vorhaben diskutiert.

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Das liefert nicht nur ein komplett falsches Bild des Begriffes K.O.-Tropfen, es ist eine Verhöhnung und ein harter Schlag ins Gesicht all jener, dietatsächlich Opfer von unfreiwillig verabreichten Drogen wurden – und das sind meistens Frauen. Gudenus zeigt sich damit verantwortungslos, sexistisch und respektlos. Und die Aussage verdeutlicht auch, wie wenig die blauen Herrschaften von weiblichen Lebensrealitäten zu wissen scheinen, während sie sich sonst als Beschützer aufspielen.

Das ist auf vielen verschiedenen Ebenen toxisch: Verantwortung abstreifen, in der Höhle verkriechen und respektlose Lügen präsentieren, während man auf Ibiza noch den starken Mann gab. Doch lassen Sie sich sagen, Herr Gudenus: Was Sie in dem Video gemacht haben, ist unter Einfluss von K.O.-Tropfen schier unmöglich. Vertrauen Sie mir und unzähligen anderen Frauen, die diese Erfahrung tatsächlich machen mussten, und denen oft genug nicht geglaubt wird.

16 Prozent der Österreicher wünschen sich einen starken Führer

Das in der derzeitigen Regierungskrise propagierte Bild der Männlichkeit ist kein Phänomen der FPÖ, es lässt sich bei beinahe allen Rechtspopulisten erkennen. Mit der Darstellung des gefestigten und starken Mannes in der Politik, einem Führer, gehen sie auf Stimmenfang – durchaus erfolgreich.

2018 wünschten sich immerhin noch 16 Prozent der Österreicher einen starken Führer. Die Zustimmung dafür ist zwar zurückgegangen, im derzeitigen Kontext aber weiterhin gefährlich: Über 70 Prozent der Österreicher denken, dass Zuwanderung das Sozialsystem belastet und Kriminalität verschärft. Wenn sich also Strache, Gudenus und der ehemalige Innenminister Herbert Kickl als die Retter vor eben diesem vermeintlichen Problem inszenieren, sind ihnen Stimmen sicher.

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Der rechte Mann ist der Hoffnungsträger, der uns unsere Traditionen sichert und die bösen Ausländer verbannt. Das gilt sogar dann, wenn er auf Ibiza mal kurz den glanzvollen Politiker ablegt. Strache ganz privat eben – wer ist schon unfehlbar?

Den männlichen Wählern wird suggeriert, dass auch sie "echte Männer" sein dürfen

Immer wieder versprechen rechte Kräfte ihrer männlichen Wählerschaft, dass sie ein "echter Mann" sein dürfen und können. Was damit genau gemeint ist, wird zwar selten erklärt, es hält aber in jedem Fall an überholten Strukturen und Rollenbildern fest. Souveränität, Stärke und Macht sind Teil davon. Damit sichert die FPÖ gleichzeitig Attribute, die auf Überlegenheit beruhen und macht andere klein, um sich über sie zu erheben. Strache deutet im Ibiza-Video Gerüchte über die Sexualität politischer Gegner an, um sie zu diffamieren, und bezeichnet Journalistinnen und Journalisten als Huren. Und er konnte mit diesem Gebaren in den vergangenen Jahren immer mehr Wählerinnen für sich gewinnen.

Straches Verhalten ist ein Abbild der patriarchalen Strukturen, in denen wir noch immer leben. Von Männern, die am Wochenende beim Volksfest lauthals lachend drei Bier bestellen und der Kellnerin an den Arsch grabschen, hebt ihn lediglich seine Machtposition ab. Sonst nichts. Denn diese Männer standen am Sonntag verkatert auf und wackelten zum Wahllokal, um ihr Kreuzchen bei der FPÖ zu setzen. Davon hat sie auch kein Ibiza-Video abgehalten.

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