Illustration von Joel Benjamin
Gefängnisse sind ein nie versiegender Quell bizarrer Nachrichten. In den letzten paar Monaten hatten wir zum Beispiel schon Insassen, die halbnackt Gladiatorenkämpfe um Drogen führen, ihre Rivalen mit flüssigem Sprengstoff abservieren wollen und sich nackt durch die Essensluke ihrer Zellentür quetschen. Hinter Gittern passieren einfach Dinge, die es im normalen Alltagsleben nicht gibt.
Es mag ein Klischee sein, dass das Gefängnis eine Welt für sich ist, aber es ergibt ja auch Sinn. Immerhin handelt es sich um den Ort, an dem Menschen verwahrt werden, die für das Leben in der Gesellschaft als ungeeignet gelten. Weil diese Tatsache mich fasziniert, habe ich vier ehemalige Häftlinge kontaktiert, um sie nach ihren bizarrsten Gefängniserlebnissen zu fragen.
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John Williams
67 Jahre alt
Mehrere Haftstrafen für bewaffneten Raub
Während meiner verschiedenen Haftstrafen habe ich zwei Vorfälle gesehen, die mir als ziemlich bizarr in Erinnerung geblieben sind. Der erste war, als die Wärter meinen toten Wellensittich ausgruben, weil sie dachten, ich hätte verbotene Gegenstände. Leute mit langen Haftstrafen durften Wellensittiche haben, und meiner war für mich wie mein Kind. Es gab einen kleinen Flecken Gras mit einem Baum vor dem Gebäude, und das hielt ich für den besten Ort für sein Grab. So 20 Minuten, nachdem ich fertig war, sah ich aus meinem Zellenfenster und bemerkte eine Gruppe Knastbullen, die auf den Grasstreifen zugingen.
Zu meinem Entsetzen fingen sie an zu graben, weil sie wohl dachten, ich hätte was Verbotenes verbuddelt. Es war echt surreal. Schließlich kam der Wellensittich zum Vorschein und die Bullen lachten alle eine Runde darüber. Ich habe allerdings keinen Humor in der Situation gesehen. Ich hatte zu dem Vogel eine engere Beziehung gehabt als zu den meisten Menschen in meinem Leben—vermutlich einer der Gründe, warum ich überhaupt im Gefängnis gelandet bin.
Der zweite Vorfall war, dass ein Häftling dabei erwischt wurde, wie er die Unterwäsche der Ehefrau des Gefängnisleiters trug. Es gab eine Leibesvisitation und dabei kam ein Spitzenhöschen zum Vorschein. Die Bullen durchsuchten seine Zelle und fanden nochmal vier Paare im selben Stil. Sie durchlöcherten ihn mit Fragen: “Was ist hier los? Gibt es einen Schwarzmarkt für Höschen? Wo haben Sie die her?” Er weigerte sich zu antworten, also wurde er zum Gefängnisleiter geschleift.
Später hörte ich, der Leiter habe ihm vorgelesen, was ihm vorgeworfen wurde, und dann gefragt, ob er dem etwas hinzufügen wolle. “Ja”, sagte der Höschendieb. “Es tut mir wirklich Leid, Sir, aber die Höschen sind von Ihrer Frau.” Man hatte ihn aus dem Gefängnis gelassen, um das Haus des Leiters zu streichen, weil er als vertrauenswürdig galt. Dann hatte er sich ins Haus geschlichen und die Unterwäsche geklaut.
Justin Rollins
32 Jahre alt
Mehrere Haftstrafen für Straßenraub
Der seltsamste Vorfall, den ich je gesehen habe, war im Gefängnis Highdown in [der englischen Grafschaft] Surrey. Ich war gerade auf der Krankenstation, weil ich mir die Arme mit einem Rasierer geritzt hatte, um dorthin verlegt zu werden. Dort war es ruhiger und sicherer als in der Jugendabteilung des Gefängnisses, wo ich vorher war.
In Highdown waren hauptsächlich erwachsene Häftlinge der Sicherheitsstufen A und B [maximale und hohe Sicherheit], aber auch ein paar Jugendliche. Einer davon war ich. Alle anderen auf der Krankenstation waren erwachsen und viele der Häftlinge dort hatten ernste psychische Probleme. Eines Tages sah ich, wie Wärter in weißen Dekontaminationsanzügen einen Häftling aus seiner Zelle zerrten. Sie steckten ihn in eine spezielle Zelle, in der er sich nicht so leicht selbst verletzen konnte.
Es war nicht ungewöhnlich, dass Häftlinge von Männern in weißen Anzügen geholt wurden. Meist kam es vor, weil sich jemand mit Scheiße beschmiert hatte, und das war regelmäßig der Fall. Diesmal war es allerdings etwas viel Seltsameres. Sie hatten in der Zelle einen Polsterbezug voller abgetrennter Taubenköpfe gefunden. Er hatte die Tauben mit Brot an sein Fenster gelockt, ihnen die Köpfe abgerissen und die dann gesammelt.
Wir haben den Taubenmörder danach nie wieder gesehen. Ich schätze, er wurde entweder in ein anderes Gefängnis verlegt oder auf schnellstem Wege in eine psychiatrische Anstalt gebracht. Die anderen Häftlingen fanden den Vorfall lustig. Letzten Endes muss man wohl in den krassen Situationen im Gefängnis den Humor sehen. Das Personal war noch viel abgebrühter als die Häftlinge. Sie hatten schon alles Mögliche gesehen und waren durch nichts aus der Ruhe zu bringen. OK, eine Wärterin hat ihr Frühstück erbrochen, als sie die Tauben gefunden haben, aber das kann ich gut nachvollziehen.
Ceri “Cesto” Stokes
33 Jahre alt
Mehrere Haftstrafen für Gewaltdelikte
Das Bizarrste, was ich in meiner Haftzeit gesehen habe, war ein Typ, der einen Knastbullen als Geisel genommen hat, mit nichts als einer Bombenattrappe aus einer Flasche und ein paar Radiodrähten. Er war Ire und setzte auf die ganzen IRA-Stereotypen. In Wirklichkeit hatte er keinen Plan, wie man Bomben baut. Die Geisel war eine Wärterin namens Emma, und Emma machte allen das Leben schwer. Der ganze Block hatte sich schon über sie beschwert, aber der irische Junge wollte offenbar Nägel mit Köpfen machen. Er hatte sich mit ihr im Büro eingesperrt und drohte damit, sie in die Luft zu sprengen. Sie machte sich vor Angst in die Hose, was wir alle lustig fanden.
Bald wurde klar, dass die Bullen die Kontrolle über den Block verloren hatten, und es dauerte nicht lange, bis die Häftlinge einen Aufstand machten. Die Wärter schafften es, uns in einen Hof zu sperren, wo wir bis Mitternacht gehalten wurden. Die Insassen in den Blöcken um den Hof warfen ihre Matratzen aus dem Fenster und wir machten daraus ein Lagerfeuer. Der Aufstand schaffte es in die walisischen Nachrichten.
Der irische Junge bekam vier Jahre extra für die Geiselnahme. Der Gefängnisleiter versicherte uns allen im Hof schließlich, dass wir keine weiteren Strafen bekämen, wenn wir einfach in unsere Zellen zurückkehrten. Es war ein seltsamer und lustiger Vorfall, der gut verdeutlicht, wie verrückt es manchmal im Gefängnis zugehen kann.
Stephen Jackley
30 Jahre alt
Eine Haftstrafe von 12 Jahren für bewaffneten Raub
Eins der seltsamsten Erlebnisse hinter Gittern war, als die Wärter im Gefängnis Parkhurst [auf der Isle of Wight] unseren Hofgang strichen, weil am Himmel über dem Hof eine Wolke stand. Ich schätze, nach der Logik der Beamten bedeutet Regen nassen Boden, und nasser Boden ist gegen die Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften. Eine Wolke legte nahe, dass Regen theoretisch bevorstehen könnte, und sie wollten Initiative zeigen und die Bedrohung aus dem Weg räumen, bevor sie sich überhaupt bemerkbar machte. Angesichts dessen, was in Gefängnissen so los ist, hätte ich nicht erwartet, dass sie in einer Wolke die größte potentielle Bedrohung für uns Insassen sehen.
John, Justin, Cesto und Stephen sagen, sie seien heute rehabilitiert. Justin hat ein Buch über seine kriminelle Vergangenheit geschrieben, Stephen betreibt seinen eigenen Verlag, John schreibt einen Blog über Gefängnisse und Verbrechen, und Cesto hat angefangen zu rappen.