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Ein für alle Mal: Das Trump-Viral über dumme Republikaner ist fake

Ja, Trump redet viel Mist. Aber manchmal ist es auch das Internet, das Mist über ihn erfindet. Wir sollten nicht denselben Umgang mit Fakten haben, den wir Trump-Wählern unterstellen.

Trump-Wähler lassen sich ihre Meinung nicht von Fakten zerstören. Das sagt man gern—und man hört es andere gern sagen. Trump-Fans, das sind immer die anderen; und sie sind auf jeden Fall dümmer als wir. So dumm, dass sie sogar ihren eigenen Schlachter zum Präsidenten gewählt haben. Das ist zumindest die Botschaft dieses Cartoons im New Yorker und eines Trump-Virals, das seit Beginn seiner Kandidatur immer wieder im Netz auftaucht.

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Unter dem Bild eines jungen 52-jährigen Donald Trump steht das Statement: "Wenn ich antreten würde, dann als Republikaner. Sie sind die dümmste Wählergruppe im Land. Sie glauben alles auf Fox News. Ich könnte lügen und sie würden mir immer noch aus der Hand fressen. Ich wette, mein Ergebnis wäre sagenhaft." Das Ganze soll der designierte US-Präsident 1998 in einem Interview gegenüber dem People Magazine gesagt haben. Und genau wie bei seiner orangen Hautfarbe handelt es sich dabei um einen Fake.

Die Fälschung ist gut durchdacht: Trump kam tatsächlich öfters im People Magazine vor, FOX News ist heute eng mit der republikanischen Wählerschaft verbunden und Post-Faktizität liegt gerade im Trend. Das alles weckt bei uns ein unbestimmtes Gefühl von "Könnte schon stimmen". In Wahrheit gab Trump aber 1998 kein Interview im People Magazine, FOX News wurde erst in den Zeiten von George W. Bush und 9/11 zum Synonym für die rechtskonservative Filterblase und Ignoranz gegenüber Fakten ist nichts, von dem "dumme Republikaner" mehr haben als andere, wie der Fake eindrucksvoll beweist. Und es gibt andere ähnliche Fälle.

Am Wahltag kursierte auf Twitter zum Beispiel die Meldung, dass Trump-Fans bei einer Veranstaltung in Manhattan rassistische Sprechchöre gestartet hätten. "Wir hassen Muslime, wir hassen Schwarze, wir wollen unser großartiges Land zurück!", soll der Wortlaut gewesen sein. Der Tweet stammt angeblich vom Journalisten Simon Rowntree—nur, dass es sich um einen Fake-Account handelte. Und Simon Rowntree kein Journalist ist. Und sich zum Zeitpunkt der Wahlveranstaltungen auch nicht in New York befand.

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Ein anderes weitverbreitetes Gerücht betrifft die angebliche Prophezeiung von Trumps Kandidatur in einer Folge der Simpsons. Angeblich soll die Serie Trumps Ankündigungsrede Bild für Bild vorausgesagt haben—und dasselbe gilt für das genaue Wahlergebnis nach Bundesstaaten.

Tatsächlich handelt es sich bei den Screenshots von Trumps Simpsons-Rede nicht um Ausschnitte einer 15 Jahre alten Folge, sondern um ein Video, das explizit als Reaktion auf Trumps Kandidatur entstanden ist. Die US-Karte stammt aus einer Folge über Mitt Romneys Kandidatur 2012. Bei genauer Betrachtung stimmen die blau und rot eingefärbten Staaten auch nicht mit Trumps tatsächlichem Ergebnis überein.

Wenn der Fake eines zeigt, dann dass es fehlendes Factchecking auf beiden Seiten gibt.

Abgesehen davon, dass es sich um Falschmeldungen handelt, haben diese Fälle noch eine Sache gemeinsam: Leute, die sie aus voller Überzeugung teilen, reagieren nicht gerade einsichtig auf den Hinweis, dass sie auf Fälschungen reingefallen sind. "Bei ihm auch schon egal" und "Er hat doch mindestens genau so schlimme Dinge gesagt" sind die Antworten, die ich am häufigsten bekommen habe.

Das klingt stark dem, was Karl Popper Verisimilität genannt hat: Nicht, ob eine Sache wahr ist, zählt, sondern die Idee, dass eine falsche Sache näher an der Wahrheit liegt als eine andere falsche Sache. Und es klingt noch nach etwas anderem: nach dem, wie unserer Meinung nach Trump-Wähler klingen.

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Aber wenn der Fake eines zeigt, dann dass es fehlendes Factchecking auf beiden Seiten gibt—weil wir alle dazu neigen, Behauptungen eher zu glauben, die uns in unserer eigenen Überzeugung bestätigen. Anstatt die Unterschiede zwischen den Lagern zu suchen, sollten wir uns an der eigenen Nase nehmen—und akzeptieren, dass die Überzeugungsarbeit, die wir mit der Verbreitung manchmal gefälschter Infos im Internet leisten, auf beiden Seiten aus den besten Absichten passiert. Wie Präsident Obama in seiner Rede kurz nach der Wahl sagte: Wir sind alle im selben Team.

Das soll nicht heißen, dass Kritik an Trumps Aussagen unangebracht ist. Aber anstatt nicht denselben Umgang mit Fakten zu pflegen, den wir Trump-Wählern unterstellen, könnte man auch ganz einfach Zitate teilen, die der nächste Präsident der Vereinigten Staaten tatsächlich produziert hat.

Alleine in seiner Antrittsrede zur Präsidentschaftskandidatur sind mehr fragwürdige Sager und rassistische Beleidigungen enthalten, als sich Hillary Clinton (und vermutlich jeder weibliche Kandidat um ein politisches Amt in der westlichen Welt, wenn wir uns ehrlich sind) in ihrer gesamten Karriere leisten könnte. Und da reden wir noch nicht mal davon, dass Trump Anfang 2016 in Bezug auf die Treue seiner Unterstützer meinte: "Ich könnte mitten auf der 5th Avenue stehen und jemanden erschießen und ich würde trotzdem keine Wähler verlieren, OK?"

Oder um es in Form eines anderen genauso gefälschten Virals zu sagen:

Hier ist 1 Zitat von irgendwas für zum Teilen. — Gerald Fricke (@Ballkultur)November 11, 2016

Markus auf Twitter: @wurstzombie