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Heulsuse der Woche

In Eschweiler geht ein rasender Mob mit Kettensägen und Mistgabeln auf einen Landschaftspfleger los und in Bad Mergentheim wird ein Erstklässler an einen Stuhl gefesselt, weil er den Klassenraum nicht korrekt aufgeräumt hat.
Foto: Org. Gemälde von Mykola Pymonenko | Wikimedia | Montage

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertig werden.

Heulsuse #1: Der Eschweiler Mob

Vorfall: Ein Laubbläser schleudert bei seinen Aufräumarbeiten Dreck gegen ein parkendes Auto.

Die angemessene Reaktion: Den Laubbläser auf sein Malheur aufmerksam machen, Schaden dokumentieren, Polizei anrufen, eventuell Schadensanzeige erstatten.

Die tatsächliche Reaktion: In einem Mob aus 40 unterschiedlichst bewaffneten Menschen auf den Laubbläser losgehen.

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Diese Woche zeigte sich, wie gefährlich die Profession eines Landschaftspflegers sein kann—vor allem, wenn zwei Kriterien erfüllt werden:
1. Man bedient einen Laubbläser
2. Man tut es in der Gutenbergstraße in Eschweiler

Grundsätzlich haben Laubbläser einen schweren Stand in der Bevölkerung: Sie sind laut, wirbeln scheinbar mehr Dreck auf, als sie beseitigen und bisweilen schleudern sie ihn gegen umherstehende Autos oder vorbeigehende Schienbeine. Sich darüber aufzuregen, ist also völlig legitim; kritisch wird es aber, wenn aus Verärgerung Wut und aus Wut fast schon Wahnsinn wird. So geschehen in Eschweiler nahe Aachen an diesem Wochenende.

Am Samstag um 12:40 Uhr ging ein Notruf bei der Eschweiler Polizeizentrale ein, in dem von einer Massenschlägerei mit über 100 Beteiligten die Rede war, die alle in der Gutenbergstraße mit Kettensägen und Mistgabeln aufeinander losgehen sollten. Als die Polizei mit acht Streifenwagen zum Tatort kam, empfing sie zugegeben keine Hundertschaft, aber immerhin ein Mob aus 40 Menschen bewaffnet mit Sägen, Heckenscheren, Mistgabeln, Rechen, Baseball- und sogar Golfschlägern. Was war passiert?

Ein Trupp von Landschaftspflegern wurde beauftragt, die in der Gutenbergstraße stehenden Hecken und Bäume zurechtzuschneiden. Im Zuge der Aufräumarbeiten wurden dann ein Stein und etwas Geäst gegen einen parkenden Wagen geblasen—„sehr zum Leidwesen des Besitzers, der sich bei den Pflegern sofort beschwerte", wie es im süffisant geschrieben Polizeibericht heißt. O-Ton weiter: „Man(n) durchlief offenbar mehrere Eskalationsstufen: Verfehlen der Tonart, Geschrei, Streit, körperliche Auseinandersetzung, Bewaffnung … Jedenfalls schaukelte es sich mächtig auf."

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Dieses Schauspiel muss wohl der eine oder andere Passant zum Anlass genommen haben, auch seinem Ärger über die Laubbläser Luft zu verschaffen. Trotzdem wurde bei dem ganzen Tumult nur eine Person leicht verletzt: Sie wurde von einer „Leiter" am Kopf getroffen, die als Waffe geführt wurde. Die Polizei konnte das Chaos schließlich auflösen und den Landschaftspflegern wurde geraten, die Straße lieber zu verlassen. Für die meisten im Mob hagelte es Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung.

Heulsuse #2: Die katholische Privatschullehrerin

Der Vorfall: Schüler einer ersten Klasse räumen ihren Klassenraum nicht gründlich genug auf.

Die angemessene Reaktion: Als Klassenlehrer die Kinder auf dieses Versäumnis aufmerksam machen.

Die tatsächliche Reaktion: Einen der Schüler mit einem Seil an den Stuhl binden, weitere Schüler eine Schulstunde lang auf dem Boden knien lassen.

Dass an katholischen Internaten oder Privatschulen der Lehrkörper ein besonders strenges Regiment führt, ist ein klassisches Bild und Klischee. Aktionen wie die im Württembergischen Bad Mergentheim tragen nicht gerade dazu bei, dem entgegenzuwirken. Diese Woche wurde bekannt, dass mindestens ein Erstklässler der Privatschule St. Bernhard von seiner Klassenlehrerin an einen Stuhl gefesselt wurde, währende weitere Mitschüler die gesamte Unterrichtsstunde auf dem Boden knien mussten. Grund hierfür: Beim Aufräumen am Vortag hätten die Schüler ihre Stühle nicht ordnungsgemäß auf die Tische gestellt.

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Wie oft und in welchem weiteren Ausmaß die Lehrerin zu ihren vermeintlich pädagogischen Bestrafungsmaßnahmen griff, bleibt bisher ungewiss. Sie selbst verweigert jegliche Aussage. Ebenso wie die Schulleitung, die die Vorfälle zwar nicht dementierte, sich aber ansonsten ebenfalls in Schweigen hüllte. Irgendwie schweigen alle: Der Schulleiter war zu keiner Stellungnahme bereit, die Pressesprecherin des Stuttgarter Regierungspräsidiums teilte nur mit, „derzeit keine detaillierten Auskünfte an die Medien mitzuteilen" und das Kultusministerium weist den Vorfall gänzlich von sich: „Für Privatschulen sind wir nicht zuständig."

Sicher zumindest ist, dass die Lehrerin freiwillig wegen „persönlicher Gründe" gekündigt hat; das wiederum wird vom Regierungspräsidium geprüft, ebenso wie die Frage, ob die Frau künftig an Privatschulen unterrichten darf. „Weitere Aussagen wollen wir aufgrund der Verschwiegenheitspflicht in Personalangelegenheiten nicht erteilen", heißt es.

Hier geht es zu Abstimmung.

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Letztes Mal: Eine gefühlstote Vermieterin, die ein Vergewaltigungsopfer aus der Wohnung schmeißt, weil sie zu viel „Ärger" macht, gegen die Stadt Lohr, die sich weigert, eine in Auftrag gegebene Schneewittchen-Skulptur zu bezahlen.

Gewinner: Mit einer überwältigenden Mehrheit von 91,23% ist es die Vermieterin.