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Vice Blog

Heulsuse der Woche

Der rechte Friedensengel Jürgen Elsässer beklagt die mutwillige linke Zersetzung der Montagsdemos und der Bezirksamtsprecher der Grünen in Kreuzberg rechtfertigt die Einschränkung der Pressefreiheit mit abstrusen Vergleichen.

Und wieder ist es an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertig werden.

Heulsuse #1: Jürgen Elsässer

Foto: Grey Hutton

Der Vorfall: Immer weniger Menschen kommen zu den Montagsdemos.

Die angemessene Reaktion: Jürgen Elsässer gibt auf und sucht sich ein neues Hobby.

Die tatsächliche Reaktion: Er beklagt, dass die Bewegung von Links kaputt gemacht wurde.

Die Montagsdemos laufen immer mehr ihrer Anhänger davon. Waren es im Frühjahr noch mehrere tausend, die sich in Berlin und vielen anderen deutschen Städten versammelten, um sich von selbst ernannten Friedensengeln über NATO-Faschismus, Chemtrails und die Wahrheit hinter 9/11 belehren zu lassen, waren es diese Woche auf dem Postdamer Platz nur noch ein paar hundert.

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Jürgen Elsässer, seines Zeichens Putin-Verehrer, AfD-Wähler und Herausgeber des neu-rechten Magazins Compact, gilt neben Ken Jensen und Initiator Lars Mährholz als wichtiger Ideengeber für die Mahnwachen und trat während ihrer kurzen Blütezeit mehrfach als Redner auf.

Nun beklagte Elsässer in seinem Blog die [„erschreckenden“](http:// http://juergenelsaesser.wordpress.com/2014/07/02/verhindern-wir-dass-die-montagsdemos-von-links-kaputtgemacht-werden/ ) Teilnehmerzahlen und lieferte gleich den Grund dafür, warum die Montagsdemos anscheinend nicht mehr funktionieren. Dies liege nämlich nicht etwa daran, dass die meisten Interessierten den faulen Zauber hinter der Friedensbewegung erkannt haben. An der Fußball-WM liegt es aber auch nicht—sondern daran, dass sie „von Links kaputt gemacht werden.“ Und zwar mit folgender Argumentation: „Niemand ist für Fremdenfeindlichkeit, für Homophobie oder für Antisemitismus. Aber indem nur diese Probleme genannt und die mindestens so schwerwiegenden anderen Probleme Inländerfeindlichkeit¹, Familienfeindlichkeit² und Zionismus weggelassen werden – genau dadurch entsteht die linke Schlagseite.“ Kurz: die Bewegung geht kaputt, wenn man all die schönen Dinge weglässt, die man ja wohl eigentlich noch sagen sollen dürfte.

¹ und ² = Klassische Nazi-Propaganda-Ausdrücke

Heulsuse #2: Der Pressesprecher der Kreuzberger Grünen

Bei Minute 5:45 wird es wirklich interessant.

Der Vorfall: Journalisten fordern, für eine Pressekonferenz mit den Flüchtlingen die von der Polizei abgeriegelte Schule in Berlin-Kreuzberg betreten zu dürfen.

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Die angemessene Reaktion: Sie werden durchgelassen.

Die tatsächliche Reaktion: Den Journalisten wird der Zutritt untersagt. Der Bezirksamtsprecher der Grünen rechtfertigt das Verbot, indem er die Situation in der Schule mit dem Geiseldrama von Gladbeck vergleicht.

Über den Polizeinsatz rund um die Berliner Gerhart-Hauptmann-Schule haben wir ausführlich berichtet. 900 Polizisten begleiteten einen Großteil der dort lebenden Flüchtlinge bei ihrem „freiwilligen Umzug“, während einige von ihnen in der Schule zurückblieben und drohten, sich umzubringen, sollte die Polizei das Gebäude betreten. Während des acht Tage andauernden Einsatzes kam es nicht nur zu Polizeigewalt gegen Demonstranten, sondern auch zu einer massiven Einschränkung der Pressefreiheit.

Sascha Langenbach, Bezirksamtsprecher der Grünen in Kreuzberg—der übrigens früher selbst als Reporter bei der Boulevardzeitung Berliner Kurier tätig war—wurde dabei die undankbare Aufgabe zu Teil, den anwesenden Journalisten zu erklären, warum sie die Schule nicht betreten durften und es keine Pressekonferenz mit den Flüchtlingen geben würde.

Da es dafür eigentlich keinen Grund gab und die Journalisten nicht müde wurden, den gestressten Ex-Reporter mit ihren elenden Fragen und Forderungen zu piesacken, musste sich Langenbach eine gute Erklärung einfallen lassen. Eine drastische. Ein Gladbeck-Vergleich. Langenbach sagte: „Sie erinnern sich bestimmt an das Geiseldrama von Gladbeck, wir haben da Leute gehabt, die bewaffnet waren, […] es hat sich damals als handwerklich falsch, professionell nicht richtig erwiesen, sich mit bewaffneten Leuten einfach so zu unterhalten.”

Für alle die es nicht wissen: Während der Geiselnahme von Gladbeck 1988 hatten Journalisten die Arbeit der Polizei behindert, als sie im Entführungsauto der bewaffneten Täter mitfuhren. Drei Menschen kamen ums Leben. Die beiden Situationen miteinander zu vergleichen und die Flüchtlinge somit mit bewaffneten Kriminellen gleichzusetzen, ist eine fast schon rufmörderische Unverschämtheit.

Wer ist die größere Heulsuse? Letzte Woche: Der Rassist vom Bundesamt für Migration gegen den AfD-Mann mit Behindertenproblem. 

Der Gewinner: Der AfD-Politiker!