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Mode

Pandemonia

Wenn Pandemonia bei Eröffnungen und Modeshows auftaucht, kommt es einem vor, als wären Roy Lichtensteins blonde Karikaturen zu einem zwei Meter großen, aufblasbaren Jeff Koon erwacht.

Wenn Pandemonia bei Eröffnungen und Modeshows auftaucht, kommt es einem vor, als wären Roy Lichtensteins blonde Karikaturen zu einem zwei Meter großen, aufblasbaren Jeff Koon erwacht. Sie ist aber nicht einfach eine weitere, nach Aufmerksamkeit lechzende Transe, denn genau so, wie sie all ihre Outfits selbst entwirft, entlarvt sie die Scheinheiligkeit von Prominenten, Werbung, Branding und wie sehr Vermarktung vom Streben nach Perfektion abhängt.

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VICE: Hey, wie geht's? Was hast du gerade an?
Pandemonia: Hey. Ich bin gerade aus Athen zurückgeflogen, wo ich mit Charlie Le Mindu und Gareth Pugh auf der ARGH! Monsters in Fashion-Ausstellung rumgehangen habe. Jetzt gerade trage ich mein Marlboro-Dress. Das ist meine Lieblingskreation, irgendwo zwischen Realität und Werbung. Wenn ich das trage, bin ich durchtränkt von der Macht der Naur, der Kraft des Marlboro-Berges, Symbol der Freiheit. Das Design hat eine verstecke Botschaft von Reinheit, Stärke und der Macht der Natur. Wenn ich Marlboro trage, dringe ich tief in die Mythologie und Psychologie der Marke und der Alchemie der Werbung ein.

Wirklich? Und wie fühlt sich das an?
Als Künstlerin versuche ich, die Welt zu reflektieren. Meine Existenz verändert wahrscheinlich nichts, aber sie macht die Welt interessanter. Ich bringe Sehnsucht und Märchen in das Leben, wie das Verlangen, dünn, groß und glänzend zu sein. Wir versuchen die ganze Zeit, die Natur besser zu machen, als sie bereits ist. Schönheitsoperationen und Fotomanipulation sind gute Beispiele dafür, dass wir alle von Illusionen verführt werden. Das Virtuelle ist besser als das Reale. Darum mögen wir Filme und Computerspiele so gerne.

Würdest du sagen, dass du schon immer auf der Jagd nach Ruhm warst?
Ruhm ist Anerkennung. Schau dir The X Factor an. Ich habe mich selbst als Logo entworfen, um augenblicklich wahrgenommen zu werden. Wenn du deine Ideen nach außen trägst, sorgt Ruhm dafür, dass du schneller erkannt wirst.

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Also ist dieses Wesen ist der Prominente und du schaust dir die elitären Prominentenkreise durch eine Maske an.
Wenn ich in Prominentenkreisen auftauche, kann ich die Mechanismen des Ruhms von beiden Seiten sehen, von innnen und von außen. Gerade wenn Prominenten der Öffentlichkeit ihr eigenes Bild präsentiert haben, zeige ich ihnen meins. Ich weiß, dass ich mich wie ein Prominenter verhalte. Mein Hund Snowy bricht das Eis. Die Leute identifizieren sich mit ihm. Lustig, wie sich Leute mit einem aufblasbaren Hund identifzieren können, oder nicht?

Nervt es nicht dennoch ein Prominenter zu sein?
Ruhm erfüllt die Funktion von Dorfklatsch. Massenmedien sind im Laufe des letzten Jahrhunderts wahnsinnig groß geworden. Als Spezies bewegen wir uns in eine neue Ära - Prominent sein ist nur der Anfang. Immerhin konzentriert sich mit den Promis alles auf eine bestimmte Anzahl an Menschen, das gibt uns Halt. Wird es in der Zukunft mit den Prominenten so sein wie heute oder wird es abgelöst durch unzählige soziale Netzwerke?

Verdammt, ja! Was würdest du also als deine persönliche Angst bezeichnen?
Vor der Deflation. Zum Glück passiert da im Moment nicht viel. In diesen Tagen ist es die Inflation, die um sich wütet. Das ist gut für mich, es hält mich lebhaft.

Die meisten deiner Outfits sind aus Gummi, würdest du sagen, dass da ein Fetisch dabei ist?
Wir alle sind bis zu einem gewissen Grad Verbrauchs-, Lifestyle- und Marken-Fetischisten. Wir sind darauf programmiert, dass unser Verlangen ins Unerreichbare wächst. Auch ich bin es. Und Fetischismus geht dabei einen Schritt weiter. Gummi wird in meinem Fall als Metapher benutzt: elastisch wie Zeichentrickhaut und leuchtend wie ein neues Auto oder Schmuck.

Was hat dich dazu gebracht, deine Arbeit durch eine weibliche Figur auszudrücken? Ging es dir nur um das Aussehen oder liegt deiner Arbeit eine Transgender-Stimme zu Grunde?
In der Kunst wurde die Weiblichkeit schon immer neu geordnet und überarbeitet und ich mag es, die Mechanismen der Welt nachzuahmen. Zum Beispiel nehmen die Werbeleute Frauen, weil sie die Aufmerksamkeit von beiden Geschlechtern bekommen. Ich arbeite mit Symbolen und männlich und weiblich sind binäre Formen. Die Fähigkeit den anderen zu erleben, sich selbst zu reflektieren schafft eine andersartige Perspektive. Indem ich mich also der Weiblichkeit annehme, untergrabe ich das bekannte Bild und deute auf seine innere Konstruktion. Pandemonias Identität ist eine Erfindung.

Welche Designer inspirieren dich am meisten?
Das Apple-Logo von Rob Janoffs und dessen biblischen Konnotationen. Vom Samen eines Apfels erwächst ein Wald, das ist eine organische Gesamtheit, und das Logo ist so simpel, beinhaltet aber alles. Ein weiterer Favorit von mir ist der Nike-Swoosh von Carolyn Davidson — es impliziert Geschwindigkeit, Sieg und das Häckchen der Zustimmung des Trainers. Es ist universal und man versteht es sofort.

Wenn ein Designer ein Outfit für dich entwerfen würde, wer würde das sein?
Ich traf Philip Treacy auf einer Party von Boy George und er wollte mit mir zusammenarbeiten. Irgendwann in der Zukunft siehst du vielleicht meine blonde Mähne mit einem seiner Hüte.

Fantastisch! Und was wäre, wenn du auf der London Fashion Week im September mit einer anderen Version von Pandemonia zusammenstößt?
Pandemonia muss einzigartig bleiben, sonst verliert sie ihre Ironie und würde wahrscheinlich Mode werden