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Wie junge Leute aus Österreich helfen, den Skisport nach Nepal zu bringen

In Nepal kann so gut wie niemand der 28 Millionen Einwohner Skifahren oder Snowboarden. Eine Gruppe nepalesischer Studenten will das nun mithilfe von Leuten aus Deutschand und Österreich ändern.
Nicht in Nepal: Jalle auf einem Schweizer Gipfel

Für Nepal war es definitiv ein ziemlich böses Jahr. Am 25. April ereignete sich das verheerendste Erdbeben seit 80 Jahren. Dazu kamen etliche, schlimme Nachbeben, die noch bis Ende Mai folgten und die Zerstörung weiter verschlimmerten. Gebiete wie das Langtang-Tal—eines der beliebtesten Trekkingziele des Landes—, die nahe dem Epizentrum liegen, wurden komplett dem Erdboden gleich gemacht. Betroffen waren insgesamt weite Landesteile. Auch am Mount Everest gab es Lawinen und Tote. Insgesamt starben durch die Beben 9.000 Menschen.

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Abgesehen von dieser humanitären Katastrophe bleibt das Land aber auch vor politischen und wirtschaftlichen Krisen nicht geschont. Über eine Verfassung wird seit Ende des Bürgerkriegs 2006 gestritten. Dabei geht es vor allem um zigtausende Nepalesen, die in den Golfstaaten schuften und deshalb um ihre Staatsbürgerschaft fürchten müssen.

Auch ein politischer Zwist mit Indien fällt immer mehr ins Gewicht—einige Transportunternehmen blockieren nötige Lieferungen, weil in Nepal antiindische Ressentiments herrschen sollen. Zu dieser wirtschaftlich prekären Lage kommt, dass auch die Vielzahl an auswärtigen Ämtern weltweit Reisewarnungen seit dem Erdbeben ausschreiben und dadurch der wichtige Wirtschaftssektor Tourismus einen Einbruch erlitt.

Mitte August, als in Nepal wohl gerade erst wieder an so was wie Aufbau gedacht wurde, bekam Jalle Seidenader, ein 23-Jähriger Münchner, der in Wien studiert, eine Nachricht von einem Freund aus der Provinz Dolakha. Die Idee des Tourismus-Studenten: Skifahren und Snowboarden soll in Nepal endlich populär werden.

Denn auch, wenn man Nepal wohl mit kaum was anderem als mit Bergen und Schnee assoziiert, steht im Land bis heute kein einziger Meter Skilift und so gut wie niemand der 28 Millionen Einwohner kann Ski oder Snowboard fahren. Eine Handvoll nepalesischer StudentInnen, die im November die NGO „Nepal Foundation for Ski and Snowboarding" gegründet haben, wollen das unter dem Motto „Errichtung einer nachhaltigen, ökologisch wertvollen und allumfassenden Skikultur in Nepal" ändern. Unterstützung bekommen sie von einigen Leuten aus Österreich und Bayern.

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Jalle wird mit der bisher zusammengetrommelten Truppe aus Skilehrern und Drohnen-Filmern im Jänner nach Nepal fliegen, um dafür die ersten Schritte zu setzen.

VICE: Erzähl doch mal am besten, wie du die Leute in Nepal überhaupt kennengelernt hast.
Jalle Seidenader: Ich bin 2011 mit einem Freund aus Bayern durchs Land gereist. Dabei wollten wir die touristischen Hotspots eher meiden und kamen in einen Ort namens Charikot. Das liegt zwischen dem Langtang-Tal und dem Everest-Gebiet. Wir wollten da auf so einen 3500-Meter Hügel rauf, von wo man zumindest aus einiger Ferne einen guten Blick auf den Everest hat. Irgendwo am Wegrand hat uns dann eine Gruppe Jugendlicher in ziemlich gutem Englisch angequatscht. Die meinten, dass sich das heute nicht mehr auszahle und rieten uns, lieber mit ihnen feiern zu gehen. Letztlich blieben wir dann eine ganze Woche in dem Ort hängen, tranken Unmengen an Hirseschnaps und jamten mit ihnen in deren Proberaum. Auf den Hügel haben wir es jedenfalls nicht mehr geschafft.

Und diese Jungs haben dich diesen Sommer dann wieder kontaktiert?
Genau. Mittlerweile studieren die eigentlich alle in Kathmandu. Einer macht Ingenieurswesen, ein anderer Volkswirtschaft und Utsav und ein paar andere studieren Tourismus. Er war es auch, der sich im August bei mir mit den Plänen gemeldet hat. Wir standen über die Jahre aber ohnehin immer wieder in Kontakt. Auch nach dem Erdbeben haben wir geschrieben. Den Ort hat es ja leider auch ziemlich böse erwischt—hunderte Leute sind gestorben, darunter seine Großmutter.

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Welche Ideen hatte er konkret?
Er hatte gleich mehrere Ideen in alle denkbaren Richtungen und wollte alles Mögliche wissen. Wie man Skier und Material von Europa nach Nepal bringen kann, aber auch weitreichendere Gedanken wie Lifte oder Skirennen schwebten ihm schon vor. Und er wollte wissen, ob ich mit meinem Know-how und meinen Kontakten in Europa prinzipiell dabei wäre. Dass ich viel mit Freeriding und Skitouren am Hut habe, wusste er schon. Seine Motivation und Engagement haben mich dann ziemlich schnell überzeugt.

Hügel in der Nähe von Charikot, die als potenzielles Übungsgebiet dienen könnten

Wie seid ihr dann vorgegangen?
Skilifte sind natürlich zunächst nicht das wichtigste und auch von Zuhause aus nicht sofort realisierbar. Ich hab mir aber trotzdem mal angesehen, was so ein Schlepplift eigentlich kostet. Einfach um das ganze Projekt überhaupt mal fassen zu können. Gebrauchte Lifte sind hier bei uns ab zirka 60.000 Euro zu haben und passen angeblich in zwei Container. Einen in China anfertigen zu lassen, kostet zirka 50.000. Aber wie gesagt, das Aufstellen von Liften ist ein Schritt, der nicht unmittelbar ansteht. Ich hab dann auch in der Skitour- und Kletter-Community in Österreich und Deutschland nach Materialspenden gefragt uns sehr positives Feedback bekommen.

Was steht dann weiter unmittelbar auf dem Plan?
Utsav und die anderen haben mittlerweile eine Gruppe an ausgebildeten Sherpas mit an Bord geholt. Das sind erfahrene Kletterer, die sonst Touren am Everest oder in Annapurma unternehmen. Wir haben uns gedacht, wenn die im Sommer mit den Touristen trekken und klettern gehen, könnten die im Winter auch eigentlich Skitouren machen—was es derzeit noch gar nicht gibt. Daneben haben Utsav und seine Kollegen eben gerade eine NGO gegründet, die „Nepal Foundation of Ski and Snowboard". In einem ersten Schritt soll sowohl Jugendlichen aus der Region, als auch den Sherpas die Basics auf Skiern beigebracht werden.

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Es wird Leute geben, die jetzt sagen, dass sei dann doch eher nur ein „Luxusprojekt"— was bleibt da für die breite nepalesische Bevölkerung?
Ich hab immer gesagt, dass ich keinen reinen Tourismus machen will. Es ist auch im Kern ein nepalesisches Projekt. Wir sind sozusagen nur externe Berater, fliegen hin, zeigen den Jungs von der NGO und den Sherpas so gut es geht, wie man mit den Skiern umgeht und lassen so viel Material dort wie möglich dort. Es bleibt vieles ihnen überlassen, was dann passiert. Skitouren mit Scherpas anzubieten, wäre halt eine Option, die vergleichsweise bald starten könnte. Angedacht ist aber schon, dass in der Folge vor allem Jugendliche den Einheimischen das Skifahren näher bringen. Um das zu machen, kommt man halt zumindest um einen Übungslift nicht herum. Mein Kollege Mike aus der Steiermark bemüht sich derzeit außerdem auch, ein erstes Ski-Theoriebuch auf nepalesisch zu übersetzen.

Mitglieder der neugegründeten „Nepal Foundation of Ski and Snowboard"

Wie viel Unterstützung hat das Projekt bis jetzt?
Ein großer Pluspunkt vor Ort ist mit Sicherheit Utsavs Onkel. Er ist nepalesischer Tourismusminister, was bedeutet, dass da aus staatlicher und institutioneller Sicht schon ordentlich Rückendeckung vorhanden ist. Außerdem unterstützt uns das Olympische Komitee Nepals, der Verband der Bergführer und die lokale Verwaltung.

Und wer ist bisher hier aus Österreich oder Deutschland an Bord?
Ich hab seit dem Sommer vielen Leuten von der Idee erzählt. Mittlerweile sind wir etwa acht Skilehrer aus Österreich und Deutschland. Außerdem haben wir die Zusage von zwei Leuten von Skynamic, die professionelle Filme mit Drohnen drehen und uns bei unserem anstehenden Trip nach Nepal begleiten werden. Daneben sind wir mit einigen NGOs und Organisationen wie der FIS in Kontakt. Wir setzen auch alles dran, zumindest fürs Erste einen Sponsor und in weiterer Folge auch ein bekannteres Gesicht für eine Kampagne, die im März starten wird, an Bord zu holen. Da siehts derzeit ganz gut aus.

Wann geht es vor Ort los?
Sicher ist, dass wir am 29. Jänner ins Flugzeug steigen und dann dort erst mal einen Monat mit den Leuten der NGO und den Sherpas Kurse für Anfänger und vielleicht auch Fortgeschrittene machen werden. Passieren wird das vermutlich am Anfang mal auf den Hügeln bei Charikot. Wenn alles gut läuft, wollen wir uns aber natürlich auch höher raus wagen. Die Jungs von Skynamic werden da jedenfalls einen kleinen Film dazu machen. Der Monat wird sicher eine entscheidende Testphase. Im März soll das ganze Projekt dann ins Fundraising gehen. Im nächsten Monat werden wir jedenfalls noch versuchen, so gut es geht Material und Kontakte zu sammeln.

Wenn euch das Projekt gefällt und ihr es unterstützen wollt—egal ob personell (als Ski oder Snowboardlehrer oder Bergführer), finanziell oder materiell (vor allem in Form von Skitouren-Ausrüstung, Lawinenausrüstung, etc)—meldet euch bei: jseidenader@gmx.at

Thomas auf Twitter: @t_moonshine