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Drogen

Ein niederländischer Ex-Coffeeshop-Besitzer wurde in Thailand zu Unrecht zu 20 Jahren Haft verurteilt

„Da dämmerte es mir langsam, dass unser Fall für die thailändischen Behörden eher eine politische Bedeutung hat und man uns gar nicht für ein wirkliches Verbrechen bestrafen wollte."

Alle Fotos: bereitgestellt von der Autorin

In Bangkok zeigt sich endlich die Sonne, denn die Regenzeit ist vorbei und hat dem trockenen und warmen Winterwetter Thailands Platz gemacht. In der Stadt geht es ruhig zu und man bereitet sich auf die Massen an Touristen vor, die im Dezember kommen werden. Selbst am sonst so geschäftigen Erawan-Schrein im Zentrum ist nicht viel los. Dort ist letzten August eine Bombe hochgegangen, die mehr als 20 Menschen tötete. Seit diesem Anschlag ist die Sehenswürdigkeit bei den Besuchern jedoch nur noch beliebter geworden. Die Frage, ob es sich dabei um Katastrophen-Tourismus oder um Trotz handelt, wird heute jedoch nicht beantwortet.

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Gegenüber des Schreins betritt der 55-jährige Niederländer Johan van Laarhoven das allgemeine Polizeikrankenhaus. Letzte Woche wurde van Laarhoven vom thailändischen Strafgericht im Anklagepunkt der Geldwäsche schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt—zusätzlich zu den 15 Monaten, die er bereits in U-Haft verbracht hatte. Der Niederländer selbst behauptet, unschuldig zu sein.

2011 verkaufte van Laarhoven sein Unternehmen The Grass Company, eine Coffeeshop-Kette mit vier Filialen in der niederländischen Provinz Nordbrabant. Zum Zeitpunkt des Verkaufs lebte der Niederländer bereits in der thailändischen Stadt Pattaya—und zwar zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern. Kurz nach der Geschäftsübergabe begann die niederländische Staatsanwaltschaft (Openbaar Ministerie) mit Ermittlungen in Bezug auf eventuelle Geldwäsche bei The Grass Company. Während dieser Ermittlungen konnten jedoch keine Beweise gefunden werden, die für eine Verurteilung von van Laarhoven oder seinen Geschäftspartnern ausgereicht hätten.

Van Laarhoven und das Openbaar Ministerie vereinbarten, dass der Niederländer im Falle eines Verhörs innerhalb von fünf Tagen bei den Behörden vorsprechen würde. Doch dazu sollte es nie kommen: Nach einem Antrag eines niederländischen Staatsanwalts ermittelte die thailändische Polizei gegen van Laarhoven und kurz darauf klickten bereits die Handschellen.

Jetzt—also 15 Monate später—wurde van Laarhoven dafür verurteilt, Geld in Thailand ausgegeben zu haben, das er durch den Verkauf von Marihuana in seinen niederländischen Coffeeshops verdient hatte. Man muss bedenken, dass in den Niederlanden dieser Verkauf in lizensierten Läden legal ist und durch die Duldungspolitik sichergestellt wird, dass die Behörden wegschauen, wenn die Ladenbesitzer ihre Vorräte von illegalen Dealern beziehen. Bei seinem Urteil ignorierte der thailändische Gerichtshof diese Umstände jedoch komplett und kam zu dem Schluss, dass van Laarhovens mit Drogen verdiente Geld illegal sein muss—und damit ist das Ausgeben dieses Geldes ein Verbrechen.

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Und hier komme ich ins Spiel, im Polizeikrankenhaus, wo van Laarhoven aufgrund seines sich immer weiter verschlechternden Gesundheitszustands jede Woche untersucht wird. Seltsamerweise darf ich direkt neben ihm sitzen, ihm die Hand schütteln und während des Interviews alles fragen, was ich will. Mein Aufnahmegerät habe ich unter meinem Notizblock versteckt. Es gibt keine Security-Checks. Allgemein ist alles ganz anders als im strengen und berüchtigten Zentralgefängnis Klong Prem, wo van Laarhoven letzte Woche nach seiner Verurteilung hingebracht wurde.

Johan van Laarhoven zusammen mit seinem Anwalt

Ich fange mit der Frage an, die in einem Krankenhaus wohl am angebrachtesten ist: Wie geht es dir? Aber selbst eine solche doch recht simple Frage ist im Anbetracht der Umstände nicht so einfach zu beantworten und van Laarhoven braucht ein bisschen, um die richtigen Worte zu finden. Schließlich meint er:

„Keine Ahnung. So lange ich nicht über alles nachdenke, passt es schon. Wenn mir jedoch meine Frau, meine Kinder und meine 83 Jahre alte Mutter in den Sinn kommen … Meine ganze Familie und auch sonst alles ist kaputt. Und wofür?"

Van Laahovens Frau wurde ebenfalls verurteilt und sie muss nun 12 Jahre im Gefängnis verbringen, denn auch ihre Unterschrift befindet sich auf den Grundstücksverträgen. Sie musste unterschreiben, weil die thailändischen Gesetze vorsehen, dass Auswärtige dort kein Land kaufen dürfen.

„Hätte ich gewusst, dass ich wegen Geldwäsche verurteilt werden würde, hätte ich sie diese Papiere niemals unterschreiben lassen. Wir haben uns 2008 dazu entschieden, nach Thailand zu ziehen. Damals war meine Frau schwanger und ich hatte nicht vor, der reichste Mann der Welt zu werden. Ich besaß aber schon gut Geld—mehr, als ich ausgeben konnte. Wir hatten uns Thailand ausgesucht, weil wir uns dort ganz unseren Kindern widmen konnten. Als die Finanzkrise in Europa Einzug hielt, dachte ich mir, dass ich besser dran wäre, wenn ich mein Geld in Grundstücke investiere. Das hielt ich für die beste Investition."

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VICE: Letzte Woche wurdest du zu 20 Jahren Haft verurteilt. Hast du insgeheim mit einem solchen Strafmaß gerechnet?
Johan van Laarhoven: Nein. Ich war der festen Überzeugung, dass man uns freisprechen würde. Ich weiß, dass ich unschuldig bin, und während der gesamten Gerichtsverhandlung gab es keine Beweise dafür, dass wir etwas falsch gemacht haben. Selbst die Belastungszeugen meinten, dass sie nicht wüssten, welches thailändische Gesetz wir gebrochen und was genau wir in den Niederlanden angeblich angestellt hätten.

Warum wurdet ihr deiner Meinung nach dann verurteilt?
Von Anfang an hatte ich das Gefühl, dass man uns hier gehörig über den Tisch ziehen wollte. Warum jedoch genau? Keine Ahnung. Ich habe nichts falsch gemacht. Die Art und Weise, wie wir unsere Coffeeshops aufgezogen haben, war ein Musterbeispiel für diesen Bereich der Niederlande—und auch im Ausland. Unsere Läden wurden vor ausländischen Polizeibeamten und Regierungsbehörden immer als positives Beispiel angeführt.

Du wurdest der Geldwäsche schuldig gesprochen.
So etwas habe ich allerdings nie gemacht. Und selbst wenn alles, was mir die niederländische Staatsanwaltschaft vorwirft, wahr wäre, dann würde mir in den Niederlanden laut meinem Anwalt maximal ein Jahr Haft blühen. Alles, was sie uns vorwerfen, wäre auch erst passiert, nachdem ich das Unternehmen verkauft hatte. Damit habe ich also nichts mehr zu tun. Und wie hätte ich überhaupt Geldwäsche betreiben können, wenn ich mit diesem Geld auch meine Steuern zahle? Falls hier ein Verbrechen stattgefunden hat, dann sind die niederländischen Steuerbehörden Komplizen. Der oberste Gerichtshof der Niederlanden hat entschieden, dass das durch Coffeeshops verdiente Geld legal ist, selbst wenn sich zu viel Cannabis im Lager befindet. Wenn man dieses Urteil im Hinterkopf behält, dann ist es doch eindeutig, dass hier keine Geldwäsche betrieben wurde.

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Und trotzdem wurden du und deine Frau letzten Sommer verhaftet.
Da wurde mir klar, dass die niederländischen Behörden diesen Fall komplett an die Wand gefahren haben. Plötzlich standen 120 Polizisten und ein ganzer Haufen Journalisten in unserem Vorgarten. Die Beamten waren bei der Verhaftung aber richtig zuvorkommend. Sie meinten sogar, dass wir nach zwei Tagen wohl wieder auf Kaution freigelassen werden würden. Das ist jedoch nicht passiert und mir dämmerte es langsam, dass unser Fall für die thailändischen Behörden eher eine politische Bedeutung hat und man uns gar nicht für ein wirkliches Verbrechen bestrafen wollte.

Nachdem letzte Woche das Urteil gefällt worden ist, hat man dich in einen anderen Teil des Gefängnisses verlegt. Vorher hattest du 15 Monate in der gleichen Zelle verbracht. Hast du dort Freunde gefunden?
Ja, ich habe dort mit einigen Leuten gesprochen. Bei den meisten Verurteilten handelt es sich jedoch um Mörder, Vergewaltiger und Gang-Mitglieder. Einige sind im gesamten Gesicht tätowiert. In meiner Zelle waren auch ein paar Auswärtige und wir haben uns immer über unsere Fälle unterhalten. Jetzt nach meiner Verlegung muss ich jedoch wieder ganz von vorne anfangen. Ich teile mir die Zelle mit 40 anderen Häftlingen. Einer von ihnen stammt aus England, aber er sitzt, weil er Meth und Amphetamine vertickt hat. Mit harten Drogen will ich jedoch nichts zu haben. Der Rest besteht aus Thailändern und viele von ihnen sind politische Häftlinge.

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Wie ging die Verlegung vonstatten?
Das Ganze fand ja am Morgen nach dem Urteil statt—es folgte also ein Schock nach dem anderen. Ich konnte mich auch nicht darauf einstellen, denn die Aufseher kamen einfach bei mir vorbei und teilten mir alles mit. Als ich dann meine Sachen nicht schnell genug zusammenpackte, warfen die Wachen einfach alles in einen großen Sack. Das war's.

Du wirst das Urteil ja anfechten. War das deine einzige Option?
Eigentlich hatte ich keine Wahl, denn nur so kann ich einen Freispruch erreichen. Das ganze System ist jedoch total beschissen und nur darauf ausgelegt, dass die Regierung gewinnt. Wenn man zum Beispiel ein Schuldeingeständnis ablegt, wird die Strafe automatisch um die Hälfte verkürzt. Das führt dazu, dass sich viele Angeklagte für schuldig bekennen, obwohl sie das gar nicht sind. Und auch bei der Berufung läuft es ähnlich ab: Der thailändische König begnadigt zwar jedes Jahr diverse Gefangene—aber nur, wenn der Fall bereits abgeschlossen ist. Um die Chance auf eine Begnadigung zu erhöhen, muss man an seiner Einstufung arbeiten, die entweder ‚Mittel', ‚Gut', ‚Sehr Gut' oder ‚Exzellent' sein kann. Bei einer exzellenten Einstufung darf man seinen Antrag auf Begnadigung schneller einreichen. Solange dieser Antrag jedoch bearbeitet wird, kann man seine Einstufung nicht verbessern.

Würdest du dich in ein niederländisches Gefängnis verlegen lassen?
Keine Ahnung, wahrscheinlich nicht. Ich kann doch nicht einfach so meine Frau und meine Kinder zurücklassen.

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Die Gerichtsverhandlung war für dich die einzige Möglichkeit, deine Frau zu sehen. Dabei wart ihr durch Handschellen aneinander gekettet. Was hast du in diesen Momenten gefühlt?
Das war total überwältigend. Man versucht, miteinander zu reden, aber das Ganze ist trotzdem nicht mit einer normalen Unterhaltung zu vergleichen. Trotzdem besser als nichts. Ich freue mich immer darauf, meine Frau zu sehen, selbst wenn es nur für kurze Zeit ist. Letzte Woche war es total absurd: Fünf Minuten nach dem Urteilsspruch mussten wir wieder weg und wurden getrennt. Wir waren beide total geschockt. Ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehen werde.

Da die Berufung ja schriftlich abläuft, wirst du nicht mehr vor Gericht erscheinen müssen.
Ja. Und das Ganze kann bis zu drei Jahre dauern. Falls dieser Fall wirklich eintreten sollte, dann werde ich fast viereinhalb Jahre unschuldig im Gefängnis verbracht haben.

Wie sieht dein Alltag jetzt aus?
Das kann man kaum als Leben bezeichnen. Ich weiß gar nicht, wie ich das überhaupt beschreiben soll. Nirgendwo kann man sich hinlegen, es ist immer brutal heiß, Sitzgelegenheiten gibt es keine und das Essen schmeckt schrecklich. Vor meiner Verlegung durfte ich noch jeden Tag Besuch empfangen, aber das wurde jetzt auf einmal pro Woche beschränkt. Ich hangle mich quasi nur von Tag zu Tag.

So sind die Untersuchungen im Krankenhaus sicher die Highlights deiner Woche.
Stimmt. So kann ich zumindest mit Leuten reden, ohne dass sich Gitterstäbe zwischen uns befinden.

Geben dir die Besuche deines ältesten Sohns Kraft?
Ja. Mir ist allerdings immer zum Heulen zumute, wenn ich daran denke, was diese ganze Sache mit meinen Kindern anstellt. Die beiden Jüngeren wissen immer noch nicht, wo sich ihre Eltern gerade befinden. Ich meine, wir können ihnen ja nicht einfach so sagen, dass Mama und Papa im Gefängnis sitzen, weil wir das gar nicht richtig erklären könnten. Wir sind ja auch immer davon ausgegangen, bald wieder freizukommen, und haben deswegen nie etwas gesagt. Jetzt befinden wir uns nach so langer Zeit jedoch immer noch hinter Gittern.

Dein Bruder hat im niederländischen Fernsehen gesagt, dass es wohl menschlicher gewesen wäre, dich einfach zum Tode zu verurteilen.
Ohne Frau und Kinder hätte ich das wohl schon selbst in die Hand genommen. So etwas kann ich ihnen jedoch nicht antun. Außerdem habe ich die Hoffnung immer noch nicht ganz aufgegeben, dass uns irgendjemand aus den Niederlanden helfen und befreien wird. Dort hatte die ganze Misere ja ihren Anfang, weil dem thailändischen Gericht nicht alle Informationen übermittelt wurden. Ich hoffe, dass irgendein niederländischer Politiker endlich den Mut aufbringt und das hier alles beendet.