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Sex

Ich will nicht mehr gefragt werden, warum ich keinen Freund habe

Wieso werden Pärchen nie gefragt, „warum" sie in einer Beziehung sind? Und weshalb fühlen sich alle für das Privatleben von Single-Frauen verantwortlich?
Bild: leo.jeje | Flickr | CC BY 2.0

Es gibt Fragen, auf die man keine Antwort findet. Neben den Klassikern, warum man immer in der falschen Kasse im Supermarkt steht oder Matratzengeschäfte sich ausschließlich in Eckhäusern befinden, gehört bei mir vor allem die Frage, warum ich keinen Freund habe, in diese Kategorie. An alle, die jetzt denken, dass ich heillos übertreibe und man als Frau von Bekannten, Verwandten und Wildfremden nicht wiederholt mit dieser Frage belästigt wird: Es passiert wirklich. Erst werden Erkundigungen über den aktuellen Beziehungsstatus eingeholt, und wenn dieser sich als frei und unverpartnert herausstellt, folgt die Frage nach dem Warum.

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Auffällig dabei ist, dass, wenn die Antwort gegenteilig ausfällt, nie nach dem warum gefragt wird. Fragen wie „Wieso bist du in einer Beziehung?" oder „Was in Gottes Namen hat dich bloß dazu getrieben zu heiraten?" werden beim Party-Smalltalk oder beim gemütlichen Plaudern an Omas Geburtstagstafel in aller Regel nicht gestellt, während der Grund dafür, warum jemand Single ist, für viele Leute von ungemeinem Interesse ist.

Als Single-Frau mit dieser Frage konfrontiert zu werden, ist ziemlich unangenehm. Am besten macht man es wie Angela Merkel und geht einfach die Frage ignorierend zu einem völlig anderen Thema über, wenn man nicht schon vorher den imaginären Freund aus dem Hut gezaubert hat, weil manche Männer eine Abfuhr schlichtweg nicht verstehen, wenn nicht bereits ein anderer deutlich die Frau als seinen Besitz markiert hat. Ich war nur etwa ein Zehntel meines gesamten Lebens Teil einer Beziehung. Single zu sein, ist für mich der Normalzustand. Ich habe mich nicht bewusst dagegen entschieden, mein Leben und meinen Körper dauerhaft mit jemandem zu teilen, andererseits renne ich auch nicht jede Woche auf irgendwelche Dates und matche wahllos jeden Typen auf Tinder, der „etwas Ernstes" sucht, aus Angst, irgendwann niemanden mehr abzubekommen.

Ich weiß tatsächlich selbst nicht, warum ich keinen Freund habe, aber ich weiß, warum ich diese Frage nie wieder hören will. Ich will sie nicht mehr hören, weil so viel dahinter steckt. Vielleicht bin ich durch den Mangel an Liebesbekundungen im Alltag paranoid geworden, aber für mich suggeriert die Frage nach dem Warum, gepaart mit einem versteckten Vorwurf oder einer ordentlichen Dosis an aufdringlichem Mitleid, dass mit mir offensichtlich etwas nicht stimmen kann.

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Manchmal ist die Frage als Kompliment gemeint. „Warum hast du keinen Freund?" empört und voller Unverständnis von einer Freundin oder einem Arbeitskollegen geäußert, bedeutet in diesem Falle, dass man eine gute Partie ist und alle Single-Männer folglich Idioten, blind, taub oder zumindest schwul sein müssen. Begleitet wird diese empörte Frage gern von der anschließenden Aufmunterung, dass „der Richtige" schon bald kommen werde—eine demütigende Floskel, zu der sich in jüngster Vergangenheit selbst meine Frauenärztin hat hinreißen lassen, weil ich kein Rezept für die Pille von ihr haben wollte. Selbst wenn die Frage nett gemeint ist, beinhaltet sie zum einen das Vorurteil, dass es für attraktivere Menschen leichter ist, einen festen Partner zu finden als für weniger attraktive, und setzt zum anderen voraus, dass jeder (oder zumindest jede Frau) nur eine Sache für ein erfülltes Leben braucht: einen Mann. Irgendwann kommt der Richtige, klettert wie Richard Gere in Pretty Woman trotz Höhenangst die Feuerleiter hoch und dann wird alles gut.

Aus irgendeinem Grund glauben Leute, dass alle heterosexuellen Frauen ohne Mann unglücklich sein müssen. Man muss Mitleid mit ihnen haben. Soviel Mitleid wie ein C-Promi Juror, der, wenn eine seiner Kandidatinnen eröffnet, dass sie Single ist, begleitet von einem verzweifelten „Die arme Maus!" die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, als hätte die Kandidatin dem Fernsehpublikum gerade offenbart, dass sie an Brustkrebs erkrankt ist und zu allem Unglück auch noch ihren geliebten Golden Retriever durch einem Verkehrsunfall verloren hat.

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Ist es OK, Ende 20 noch Single zu sein?

Manche Menschen vergessen dabei gern, dass man auch mit einem Partner verdammt unglücklich sein kann und der Single-Status für viele immer noch zufriedenstellender ist als eine dysfunktionale Beziehung. Ich persönlich kenne hauptsächlich Leute, die entweder ewig in Beziehungen (den gleichen oder immer neuen) oder ewig Single sind. Warum das so ist, kann ich nicht sagen. Allerdings wird man gerade als Frau oft mit den immer gleichen wohlgemeinten Ratschlägen und versteckten Vorwürfen konfrontiert, wenn man über Jahre hinweg keine Pärchen-Selfies auf Facebook postet und bei jeder Familienfeier allein aufschlägt.

Da ich ein lernwilliger Mensch bin und es durchaus hilfreich sein kann, die eigene Lebenssituation kritisch zu hinterfragen, habe ich mich mit einigen möglichen Gründen für mein kontinuierliches Single-Dasein auseinandergesetzt. Wenn eine Frau Wert auf ihr Äußeres legt, sich in regelmäßigen Abständen die Fußnägel lackiert, und gelegentlich sogar einen Pilateskurs besucht, muss es folglich an ihren inneren Werten und ihrer geistigen Einstellung liegen, dass sie noch niemand „weggeheiratet" hat. Ich bin nicht emotional unfrei, weil ich noch an einer längst vergangenen Beziehung hänge und obwohl ich meine Abschlussarbeit über die Ehe als eine Erfindung des Patriarchats zur Versklavung der Frau geschrieben habe, bin ich Männern gegenüber nicht generell feindselig eingestellt. Vielleicht bin ich einfach zu faul, weil ich mich nicht aktiv darum kümmere, etwas an meinem Beziehungsstatus zu ändern. Weil ich immer seltener ausgehe und mir Online-Dating zu mühselig ist.

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Foto: Ben Seidelman | Flickr | CC BY 2.0

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich schwierig bin. Doch das allein ist für viele kein Grund, keine Beziehung mit einem noch viel schwierigeren Partner einzugehen, und davon abgesehen halte ich mich immer noch für einen recht umgänglichen Menschen. Je länger man aber als Frau Single ist, desto mehr verfestigt sich bei anderen der Eindruck, dass man entweder ein hoffnungsloser Fall ist oder schlichtweg viel zu hohe Ansprüche stellt. Schon seit Jahren male ich mir Horrorszenarien aus, in denen ich bei Bauer sucht Frau sitze, und mir in strengem Ton vorgehalten wird, dass ich auch noch in 100 Jahren alleine da sitzen werde, weil ich mein Herz weder für den verzweifelten Martin noch für den handjoberfahrenen Hans erwärmen kann.

Vielleicht bin ich tatsächlich zu anspruchsvoll, aber ich halte es nicht für übertriebenes Wunschdenken, wenn ich nur mit jemandem zusammen sein möchte, der mir wirklich gefällt. Ich glaube nicht an Schicksal, nicht an Töpfe oder Deckel, oder dass wir allein keine vollständigen Individuen sind, sondern nur halbe Zellen, die durch die Atmosphäre wabern, bis sie sich zu einem magischen Wesen vereinen, dass sich irgendwann für eine gemeinsame Steuerklasse entscheidet. Liebe passiert oder sie passiert nicht. Und wenn sie passiert und auch noch länger hält als ein paar Wochen, ist das mit einer extrem langen Kette von glücklichen Zufällen verbunden.

Wenn man sich dazu entschließt, jemanden dauerhaft in sein Leben zu lassen, sind ein paar individuelle Ansprüche an die Beziehung nicht übertrieben. So sollte die Person zumindest einige der wichtigsten Grundsatzeinstellungen teilen und einem nicht in der Öffentlichkeit peinlich sein. Wir müssen in so vielen Bereichen unseres Lebens Abstriche machen, weil wir vielleicht nicht den Job, die Wohnung oder den Studienplatz bekommen, den wir uns eigentlich gewünscht haben. Wenigstens in Liebesdingen sollten wir uns, so lange wir wollen, unsere Ansprüche erhalten und lieber von der Taube auf dem Dach träumen, als mit dem Spatzen in der Hand Regale bei Ikea auszusuchen.


Titelbild: leo.jeje | Flickr | CC BY 2.0