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Warum du als Student unbedingt nebenbei arbeiten solltest

Jobs, in denen du wie Scheiße behandelt wirst, sind nervig. Aber sie helfen auch deiner persönlichen Entwicklung.

Foto: Bill Rice | Flickr | CC BY 2.0

Das Leben als Student ist ziemlich beschissen. Die arbeitende Gesellschaft hält dich für einen faulen und saufenden Schmarotzer. Du hast nie genug Geld. Anerkennung—sofern du nicht Medizin oder Jus machst—gibt es eigentlich auch nicht. Selbstständigkeit ist auch so ein Ding, das du im besten Fall teilweise hast. Zuhause bei deinen Eltern freust du dich über warmes Essen und eine feste Beziehung erscheint so realistisch wie dein Abschluss. Egal, ob du dem Studenten-Klischee entsprichst oder eh brav jeden Tag lernst: Du solltest auf jeden Fall nebenbei arbeiten.

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Studentenjobs sind scheiße, ich weiß das. Sie sind unterbezahlt, die Tätigkeiten sind meistens stupide und sie rauben dir Zeit und Energie. Egal ob du kellnerst, bei McDonald's bist oder am Telefon Zeitschriften-Abos verkaufen musst—die meisten Studentenjobs könnte man vermeintlich auslassen. Vermeintlich.

Letzte Woche habe ich meinen letzten Studentenjob beendet. Ich habe bereits gekellnert, war auf Messen, habe verschiedene Lebewesen gesittet, alten Frauen am Telefon die Woman verkauft, war im Kundendienst eines Museums und bin am Empfang einer Werbeagentur gesessen.

Alle Jobs habe ich nur des Geldes wegen ausgeführt. Die meisten davon habe ich sehr ungern gemacht. Sie haben einen kaum existenten Mehrwert für meine berufliche Zukunft. Natürlich kann man jeden dieser Berufe als Berufung sehen, aber Studenten träumen in der Regel nicht von einer Karriere in der Gastro, als Telemarketer oder als Messe-Girl. Hier lest ihr, warum ich es trotzdem wichtig finde, als angehender Akademiker diesen Scheiß zu machen.

Selbstständigkeit

Ein Student, dessen Eltern alles zahlen—Wohnung, Essen, Taschengeld—ist nicht nur ein peinlicher und unselbstständiger Erwachsener, sondern hauptberuflich „Sohn" oder „Tochter"; und nicht wie gerne behauptet „Student". Wenn du jenseits 19 zulässt, dass deine Eltern dein inzwischen viel teueres Leben ganz finanzieren, dann ist jede gesellschaftliche Ächtung, die dir widerfährt, gerechtfertigt. Kollegen, die sagen, dass Papa alles zahlt, damit sie auch brav studieren können, schütteln bei mir ordentlich am Watschenbaum.

Zehn Stunden die Woche irgendwo sein eigenes Geld zu verdienen, wird dich in deinem Studium nicht aufhalten. Garantiert nicht. Zehn Stunden die Woche irgendwo zu arbeiten, wird dich zwar auch nicht selbständig machen, aber selbstständiger. Es wird dir auch den Wert des Geldes beibringen. Wenn du für 80 Euro zehn Stunden irgendwo stehst, läufst oder sitzt, wo du gar nicht sein möchtest, wirst du deinen Marken-Fetisch zwangsläufig überdenken. Und aufrichtige Dankbarkeit zeigen und verspüren, wenn deine Familie dir statt normalen Kopfhörern die von Apple kauft.

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Perspektiven

Die meisten Studentenjobs halten absolut keine Zukunftsperspektiven für dich bereit. Dein Lebenslauf braucht sie nicht. Dein Geist schon. Wenn du mal mit Kunden zu tun hast, dann lernst du wahnsinnig viele Menschen und vor allem deren Umgangsformen kennen. Du wirst Tage haben, an denen du eindrucksvoll erleben wirst, wie unfair man als Kunde sein kann. Es wird Tage geben, an denen du als Misanthrop und voller Hass nachhause kommst. Es wird Tage geben, an denen du von offensichtlich dümmeren Menschen zur Sau gemacht wirst. Es wird dich fordern.

Aber es wird dich auch zu einem dieser Kunden machen, die dem Gegenüber ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Du wirst nach einem Gastro-Job nie wieder ein ahnungsloser und unfreundlicher Gast sein können. Die Greenpeace-Leute wirst du nicht einfach böse ignorieren, sondern ihnen zumindest ein mitleidiges Grinsen schenken. Jobs, in denen du tendenziell wie Scheiße behandelt wirst, stärken deine Empathie. Empathie macht dich zu einem besseren und weiseren Menschen. Vor allem empfiehlt sich Empathie gegen das Arschlochsein.

Menschen

Abgesehen von den Kunden, die dich an die äußerste Grenze deiner Gutmütigkeit bringen, hast du auch noch Kollegen. Das sind meistens frustrierte Langzeitstudenten oder auch einfach nur frustrierte Menschen. Ab und an wird dir ein Exemplar begegnen, das eine Mischung aus beidem und dir nicht unähnlich ist—der frustrierte Student. Jedenfalls lernst du Menschen mit ganz anderen Weltanschauungen, Plänen und Zielen kennen. Und zwar intensiv.

Zusammenarbeit lernt man nicht an der Uni, wo jemand, der dasselbe studiert wie du, für das ganze Team das Referat macht. Du lernst sie genau hier. Man lernt schnell, dass eine gewisse Professionalität—ganz ohne Sympathie-Gefühlen—das A und O ist. Professionalität kann man auch mit „Auskommen" übersetzen. Du wirst lernen, deine Fresse zu halten, Schicksale von Menschen ernst zu nehmen und vor allem lernst du, wie es wirklich ist, im Team zu arbeiten. Einfach gesagt: Du bist bereiter für die Arbeitswelt.

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Einsicht

Solltest du einmal Akademiker sein und in den Genuss eines Jobs kommen, wirst du ziemlich wahrscheinlich in einem Job einsteigen, der dich nur so halb ankotzt. Da du Akademiker bist, ist die Chance gegeben, dass eines Tages Menschen unter deiner Obhut sind. Das Fast Food-Prinzip der Studentenjobs—nämlich irgendwann in deiner Laufbahn ein schnell vergänglicher Happen gewesen zu sein, an den man sich schon Stunden später nicht mehr erinnert—wird dich zu einem besseren Chef und Manager machen.

Du wirst wissen, wie beschissen es ist, wenn du herumschreist, andere stresst und alle von oben herab behandelst. Du wirst wissen, wie es ist, in einem Betrieb nur eine frustrierte und austauschbare Nummer zu sein. Du wirst auch wissen, dass irgendein armes Arschloch für irgendeines deiner großen Projekte eine richtige Scheiß-Arbeit für 7 Euro pro Stunde verrichten muss. Stichwort: Die tollen Goodie-Bags für deine Kunden packen sich nicht von selbst ein.

Wem diese Einsichten ein bisschen zu emotional sind: Du wirst das Wissen, wie es in einer Telefonmarketing-Firma, einem Gastronomie-Betrieb oder einen Lieferservice hinter den Kulissen aussieht, auch für dein Leben brauchen. Das fängt mit einfachster Buchhaltung an und geht bis zu den krassesten HR- und Marketing-Taktiken. Sich die besten Arten zu Arbeiten abzuschauen war noch nie verboten.

Gesellschaft

Wer wirkt kompetenter und erwachsener: Ein Mensch, der es schafft, sein Studium aufrechtzuerhalten und nebenbei zu arbeiten, oder ein Mensch, der es schafft, sein Studium aufrechtzuerhalten? Richtig, es ist der mit dem Job. Das sehen nicht nur Leute wie ich so, sondern auch deine Eltern, deine künftigen Arbeitgeber und die breite Öffentlichkeit.

Sollte ich irgendwann eine Position haben, in der ich entscheide, wer für mich arbeitet: Ein Student mit Bestnoten und einem lückenfreien CV wird es wohl nicht sein. Es sei denn, er hat nebenbei gejobbt. Ein Lebenslauf der zeigt, dass der Bewerber sich nie vor Arbeit gescheut hat, wäre mir viel wichtiger. Und sich auch für beschissene Kleinarbeit nie zu schade war.

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Selbstbewusstsein

Mir ist klar, dass Studenten, die von ihren Eltern komplett finanziert werden, auch Studenten sind, deren Tante Kontakte hat. Es ist die Art von Mensch, die jeden Job und jedes Praktikum, den er bekommt, durch familiäre Kontakte an Land zieht. Aber gut, das machen alle, die es machen können und es ist nur menschlich, seiner Familie und seinen Freunden helfen zu wollen.

Nichts fühlt sich besser an, als einen Job zu bekommen, den man sich selbst erarbeitet hat. Eine Zusage zu bekommen, weil man wirklich überzeugt hat, ist besser als jedes Praktikum in der Firma eines Freundes deines Onkels. Du wirst lernen, souverän in Bewerbungsgesprächen aufzutreten, deinen Kater komplett zu vertuschen und ganz viele andere Dinge, die man das ganze Arbeitsleben über braucht. Außerdem arbeitest du so ganz selbstständig an deinen eigenen Kontakten und nabelst dich zumindest unterbewusst vom Elternhaus ab.

Mit Studentenjobs beendest du auch endlich deine Sorge bezüglich deiner Job-Zukunft. Die Erkenntnis, dass man immer und zu jeder Zeit einen Hilfsarbeiter-Job zur Selbsterhaltung ausüben kann, wird sich in dein Hirn brennen. Und sie wird dich entspannt dein Studium beenden lassen. Also: Mach es einfach. Geh hackln!

Fredi auf Twitter: @Schla_wienerin