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Wie Geldwäsche-Pizzerien zu einem der größten Mafia-Prozesse der US-Geschichte führten

Mitte der 1980er gab es in den USA den Pizza-Connection-Prozess gegen einen internationalen Heroinring der Mafia. Mit über 30 Angeklagten, toten Zeugen und jeder Menge Waffen.

Der Mafia-Boss Tommaso Buscetta trifft am Flughafen in Rom ein, nachdem er von Brasilien ausgeliefert wurde, um im „Pizza Connection"-Fall auszusagen, September 1984 | Foto: Associated Press

Am Morgen des 9. April 1984 fielen Heerscharen von US-Bundespolizisten in Privathäuser und Pizzerien im ganzen Land ein. Sie fanden alle möglichen Waffen, Tausende Schuss Munition und einen ganze Menge Geld. Die Zahlen stiegen immer weiter und es gab immer mehr internationale Festnahmen.

Fast drei Monate später, im März 1987, wurden 17 dieser Personen, zwei davon angeblich Mafia-Bosse, von einem Bundesgericht in Manhattan für schuldig befunden, einen internationalen Mafia-Drogenring geführt zu haben, der sich von Brasilien nach Sizilien und von New York bis in den ländlichen Mittleren Westen der USA erstreckte. Laut FBI hatten die Mafiosi italienisch-amerikanische Pizzerien für Scheingeschäfte genutzt, um Geldwäsche und Heroinhandel zu betreiben.

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Die „Pizza Connection", wie sie von den Medien genannt wurde, brachte einen der längsten Strafprozesse der US-Geschichte hervor. Die Staatsanwaltschaft schätzte anfangs, er würde 6 oder 7 Monate andauern, doch am Ende waren es 17. Das Ergebnis war ein spektakulärer Riesenprozess um insgesamt 35 Angeklagte, der mindestens 50 Millionen Dollar kostete.

Am Ende mussten sich nur 19 Personen vor Gericht verantworten, während andere Anklagen fallengelassen wurden. Einer der Männer—von dem man angenommen hatte, er habe die Stadt verlassen, nachdem er gegen Kaution freigekommen war—wurde in Brooklyn tot in einem Müllsack gefunden. Und während die Anwälte ihre Schlussplädoyers hielten, wurde ein weiterer Angeklagter von drei Kugeln getroffen, nachdem er den inzwischen geschlossenen italienischen Markt Balducci's in Greenwich Village verließ. (Er überlebte und bekannte sich schließlich von seinem Krankenhausbett aus schuldig). Zwei machten für geringfügigere Verbrechen Geständnisse, um ernsteren Anklagepunkten zu entgehen, und ein weiterer wurde freigesprochen.

Natürlich wurde daraus auch ein unfassbarer Medienzirkus, der das alte Mafia-Motto zu bestätigen schien, dass aufstrebende „Made Men" (vollständig initiierte Mafiosi) sich von Drogen fernhalten sollten. Doch Jahrzehnte später dient die Saga der Pizza Connection wohl auch als Parabel dafür, wie Massen-Justiz außer Kontrolle geraten kann.

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„Bei diesem Prozess war kein Ende in Sicht und er bestand aus einer Milliarde kleiner Puzzlestücke", sagte mir David Amoruso, ein Experte für organisiertes Verbrechen und Gründer der Website Gangster Inc. „Alle Beteiligten—Angeklagte, Anwälte, Staatsanwälte, Geschworene und der Richter—mussten sich sehr bemühen, dabei nicht wahnsinnig zu werden."

Die frühmorgendlichen Razzien im Jahr 1984 waren das Ergebnis vierjähriger FBI-Ermittlungen. Die Operation überzog mehrere Kontinente und verband zwei große Syndikate: die ursprüngliche sizilianische Mafia und die Bonanno-Familie in New York. Es gab Festnahmen in der Schweiz, Italien, Newark, Chicago, Philadelphia und Detroit.

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Laut der Staatsanwaltschaft, die von Assistant US Attorney Louis Freeh angeführt wurde, spannten die beiden Gruppen ein globales Netz. Morphium wurde in der Türkei eingekauft, in Sizilien zu Heroin verarbeitet und durch ein geheimes Netzwerk von Banken und Zwischenhändlern wurden Dutzende Pizzerien—davon manche neu eröffnet—eingesetzt, um die Ware in den USA zu verteilen. Auch Kokain wurde aus Südamerika geschickt, wie die Staatsanwaltschaft im Schlussplädoyer bemerkte, und Zahlungen wurden heimlich in Form von „Koffern voll Geld" bewerkstelligt.

Zum Zeitpunkt der Razzien nannte der Generalstaatsanwalt William French Smith den Fall „den wichtigsten Fall im Zusammenhang mit Heroinschmuggel durch organisierte Gruppen, den die Regierung jemals eröffnet hat". Insgesamt wurden durch diese Operation zwischen 1970 und 1984 rund 750 Kilogramm Heroin ins Land geschmuggelt, so die Behörden. Der Wert dieses Heroins auf der Straße belief sich auf 1,65 Milliarden Dollar.

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Natürlich ging man davon aus, dass die Mafia-Bosse auch die Hauptschuldigen seien. In den USA war das Salvatore „Toto" Catalano, ein Capo des Bonanno-Clans, der eine Bäckerei in Queens besaß und kaum Englisch sprach. (Laut Mafia-Überlieferung war die Idee mit dem riesigen Heroin-Ring eigentlich die seines Vorgängers Carmine Galante, doch der alte Boss wurde 1979 in einem Restaurant ermordet.) Catalanos Status als „Zip", also als in Sizilien geborener Mafioso, der in die USA ausgewandert ist, verband ihn mit Gaetano Badalamenti, einem ehemaligen Oberhaupt der sizilianischen Mafia in Palermo. Am Tag vor dem FBI-Zugriff in den USA wurden Gaetano und sein Sohn Vito nach Jahren eingehender Überwachung in Madrid verhaftet. Catalano und Badalamenti ließen die Arbeit von ihren Fußtruppen erledigen. Sie hatten familiäre und freundschaftliche Bande in Sizilien sowie in Geldwäsche-Pizzerien in den gesamten USA. (Der Mann, der erschossen wurde, Pietro Alfano, war Gaetanos Cousin und betrieb eine Pizzeria in Illinois). Der Großteil der Beteiligten war sizilianisch und sprach kein englisch—eines der ersten großen Hindernisse in dem nicht enden wollenden Gerichtsverfahren.

„Viele ihrer Unterhaltungen waren nicht nur im sizilianischen Dialekt, sondern auch in Codesprache", sagte Amoruso. „Außerdem hielten Männer der Cosa Nostra die Treue und weigerten sich, den Behörden etwas über die Operation zu verraten."

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Als ihm einige der Zehntausenden mitgehörten Telefonate vorgespielt wurden—die den Großteil des Beweismaterials ausmachten—gab Badalamenti, einer der nur zwei Angeklagten, die vor Gericht aussagten, zu, dass sie tatsächlich eine Codesprache verwendeten. Es wurde nie von Drogen gesprochen, sondern von „Edelsteinen", „Hemden" und „wertvoller Baumwolle".

Gewalt überschattete den Prozess fast von Anfang an. Etwa zur Zeit seines Beginns im Oktober 1985 brach in Sizilien ein „Verbrecher-Bürgerkrieg" gegen Badalamentis Leute aus, was den Boss und seine Untergebenen in Gefahr brachte—selbst in New York City. Und im Dezember 1986 wurde Gaetano Mazzara (dessen Pizzeria in New Jersey war) tot aufgefunden, während er sich gegen Kaution auf freiem Fuß befand. Eine Geschworene zog sich sogar aus dem Prozess zurück, weil sie mutmaßlich Morddrohungen erhalten hatte.

Natürlich versetzte all das die Beteiligten in Angst und Schrecken.

„Nach all diesen Vorfällen haben mehrere Angeklagte darum gebeten, dass ihre Freilassung gegen Kaution rückgängig gemacht werde, damit sie wieder ins Gefängnis konnten", sagte Pierre Leval, der Bundesrichter, der dem Prozess vorsaß, 2009 dem New Yorker. Selbst Leval wurde vorsichtig: Er gab später zu, er habe aus Angst um sein Leben aufgehört, die U-Bahn zum Gerichtsgebäude am Foley Square zu nehmen. „In Sizilien bringen sie ständig Richter um, und ich dachte mir, ich sollte mich lieber auf die dortigen Sitten einstellen", sagte er.

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Am Ende bekamen die mutmaßlichen Drahtzieher Badalamenti und Catalano jeweils 45 Jahre in einem Bundesgefängnis, während die meisten anderen Angeklagten kürzere Haftstrafen erhielten. Badalamenti starb 2004 im Gefängnis und Catalano wurde 2009 freigelassen, nachdem er 29 Jahre seiner Strafe abgesessen hatte.

Eine Pizzeria in Forest Hills, Queens, die (unter der vorherigen Geschäftsleitung) mutmaßlich am Heroinhandel beteiligt war | Foto vom Autor

Die meisten involvierten Pizzerien in Großraum New Yorker sind inzwischen geschlossen oder haben neue Geschäftsführer. Als ich neulich nachmittags in Forest Hills, Queens, das Al Dente's—eine der mutmaßlichen Geldwäsche-Pizzerien—betrat, gab es keine Hinweise auf eine kriminelle Vergangenheit.

Susan G. Kellmann, eine langjährige Strafverteidigerin in New York, sagt, sie sei etwa 10 Monate nach Prozessbeginn in den Pizza-Connection-Fall eingestiegen. Sie kannte die Hintergründe des Falls nicht sonderlich gut, doch sie hatte gehört, dass er bereits Rekorde des Manhattaner Gerichts sprengte und gleichzeitig alle in den Wahnsinn trieb. Als Kellmann sich bereit erklärte, Salvatore Salamone (seine Pizzeria war in Pennsylvania) zu vertreten, gab Richter Leval ihr den Sommer über Zeit, die 120-seitige Anklageschrift des Falls zu lesen.

„Ich las die Anklageschrift in einer Hängematte in den Hamptons, und dabei fand ich heraus, dass meinem Klienten lediglich in einem Punkt Racketeering vorgeworfen wurde", sagte sie mir in einem Interview. „Jeder, der weiß, wie RICO-Gesetze funktionieren, weiß, dass es mindestens zwei Straftaten braucht, um jemandem Racketeering vorzuwerfen. Ich fand das sehr seltsam."

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Kellman bezieht sich auf den Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act—ein Gesetz, das 1970 vom US-Kongress verabschiedet wurde und dem teilweise der Untergang der Mafia zugeschrieben wird. Mit RICO erhielten Staatsanwälte die rechtliche Grundlage, um die Oberhäupter organisierter Verbrecherfamilien dafür zu verfolgen, dass sie ihren Fußsoldaten Verbrechen auftrugen, und die Soldaten selbst für ihre bloße Beteiligung an diesen Verbrechen anzuzeigen. Wenn du jemals etwas über einen Mafia-Prozess gelesen hast, dann stand da höchstwahrscheinlich in der Anklageschrift ein Anklagepunkt unter RICO. (Auch bei den Sopranos wird das Gesetz häufig erwähnt.)

Laut Kellman war das Fehlen einer ausreichenden Zahl an RICO-Anklagepunkten gegen Salamone die erste von vielen Sonderbarkeiten, die ihr im Laufe des Prozesses auffielen. Als sie in jenem Herbst im Gericht eintraf, wurden die Dinge nur noch bizarrer. Die alltäglichen Szenen, die sie beschrieb, klangen chaotisch, doch nicht etwa aufgrund von ungehörigem Verhalten—stattdessen ergab nichts wirklich Sinn.

„An manchen Tagen war der Gerichtssaal leer", sagte sie mir vor Kurzem. „Und die Cafeteria war voller Anwälte, die telefonierten und versuchten, ihre Kanzleien zu retten. Es gab Tage, Woche und Monate, in denen der Name meines Klienten nicht einmal erwähnt wurde. Ich glaube, ich habe ihn in der gesamten Zeit, die ich dort war, vielleicht an ein oder zwei Tagen gehört."

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Die Angeklagten, so Kellman, seien hinein- und wieder hinausgescheucht worden. Mit den aufgebrachten Dolmetscherinnen und Dolmetschern war es dasselbe. Es ähnelte fast einer Arbeit am Fließband: Die Geschworenen—die 12 Menschen, die tapfer 17 Monate Bürgerpflicht durchstehen mussten—saßen da und sahen zu, wie eine Person nach der anderen hereingeführt wurde, ihre Anklage verlesen wurde und man sie wieder hinausführte. Von ihnen eine vernünftige Entscheidung zu erwarten, nachdem sie so viele Stunden der Verhandlung über sich ergehen lassen mussten, sei laut Kellman einfach lächerlich gewesen.

„Es sah nicht aus wie ein Gericht in den USA", erklärte sie. „Der schiere Umfang machte es unmöglich, mit den Angeklagten in Kontakt zu kommen. Die Tatsache, dass man es mit Menschen zu tun hatte, fiel völlig unter den Tisch. Die Leute haben die Perspektive verloren."

Mit ihrem Mitgefühl für die Verteidigung war sie nicht allein. Die Journalistin Shana Alexander, deren Buch Pizza Connection: Der Prozess gegen die Drogenmafia die Einzelheiten des Falls analysiert, folgerte, letztendlich sei „der Prozess zu groß, zu komplex, zu widersprüchlich und auch zu lang [gewesen], um der Gerechtigkeit oder der Effizienz des Justizsystems zu dienen."

Nach dem Prozess legten 13 der Angeklagten Berufung ein, basierend auf Argumenten, welche die Länge und Komplexität des Falls als einen Verstoß gegen ihr Recht auf ein ordentliches Verfahren auslegten. Der Oberste Gerichtshof lehnte die Berufungen schließlich ab, doch ein geringeres Berufungsgericht auf Bundesebene brachte ebenfalls Mitgefühl für die Angeklagten zum Ausdruck: Zwar sollten ihre Urteile nicht aufgehoben werden, doch sie hätten im Grunde Recht damit, dass der Prozess furchtbar scheiße gewesen sei.

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„Aus meiner Sicht steht dieser Prozess für alles, was mit unserer Strafjustiz nicht stimmt", fuhr Kellman fort. „Gut, es mag einige vernünftige Urteile gegeben haben, aber man kann einfach kein so großes Netz spannen. Bei mehr als 30 Personen besteht eine sehr große Wahrscheinlichkeit, dass mehrere Leute dabei sind, die dort gar nicht hingehören. Unschuldigen Menschen wird das Leben ruiniert." (Wie Vito Badalamenti, der einzige Angeklagte, der in allen Punkten freigesprochen wurde, und der dennoch irgendwie vier Jahre hinter Gittern verbringen musste.)

Laut Kellman—die in dieser Sache natürlich auch ein Eigeninteresse hat—war ihr Klient einer der Angeklagten, die nicht in das Netz hätten geraten sollen. Ja, räumte sie ein, er habe sich mit den falschen Leuten abgegeben, doch er sei kein Drogenschmuggler in einem internationalen Heroinring gewesen. Die RICO- und Drogenverschwörungsanklagen gegen ihn wurden später fallengelassen. Zwar wurde Salamone letztendlich wegen des geringfügigeren Vergehens der Währungsmanipulation verurteilt und bekam fünf Jahr Haft, doch Kellman behauptet, die Regierung habe ihm das nur zur Last gelegt, um sich damit rühmen zu können.

„Wen auch immer man sich vornehmen kann, um die besten Schlagzeilen zu kriegen", sagte sie.

Kellman sagt, die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft sei typisch für den US Attorney gewesen, der damals für den Southern District of New York zuständig war: Rudolph Giuliani. Der zukünftige Bürgermeister von New York City und republikanische Präsidentschaftskandidat war laut Kellman zu dieser Zeit dabei, sich mit einem toughen Image in einer verängstigten Stadt einen Namen zu machen. Dies würde sich später in seiner drakonischen Anwendung der „Broken-Windows"-Polizeistrategie äußern. Damals war die Mafia für ihn der Staatsfeind Nummer Eins.

Vor diesem Hintergrund argumentiert Kellman, Giuliani habe das Rampenlicht gesucht, und nennt ihn „den Donald Trump der Staatsanwälte". (Giuliani wurde bei den Recherchen zu diesem Artikel kontaktiert, war jedoch nicht in der Lage, einen Kommentar abzugeben.)

„Alles, was mit dem System nicht stimmt", fuhr sie fort, „wurde in den Giuliani-Jahren noch verschlimmert. Ich dachte mir einfach ständig, dass solche Dinge in keinem amerikanischen Gericht passieren sollten."

Die größte Ironie des Pizza-Connection-Prozesses ist jedoch, dass selbst die großangelegten FBI-Razzien und das riesige Gerichtsverfahren letzten Endes auf der Straße wenig bewirkten. Als sich der Staub gelegt hatte, verkaufte die Mafia immer noch Drogen—die Angeklagten wurden einfach durch andere Soldaten ersetzt, so Amuroso, und das Geschäft ging weiter.

„Der Prozess hatte insofern einen Einfluss auf die Mafia, als dass er eine sehr lukrative Operation beendet hat, die wie geschmiert lief und vielen amerikanischen und sizilianischen Mafiosi ein Einkommen bescherte", erklärte er. „Auf lange Sicht ging jedoch alles weiter wie gehabt. Heroin floss weiter nach New York und in andere Städte in den USA."