Anzeige
Die Welt ist schlecht. Zumindest aus Sicht der Plattform Familie. Sünde und Unzucht überall, und niemand außer ihnen tut etwas dagegen. Christian Zeitz vom Wiener Akademikerbund, der die Moderation der Veranstaltung übernimmt, macht das relativ schnell klar. Es finde eine Relativierung der Grundfesten der Gesellschaft statt. überall herrsche „billiger Sexualhedonismus". Apropos Sexualhedonismus: Zehn Minuten vorher dröhnte noch Outkast aus den Boxen. Auch nicht unbedingt für ihr Engagement gegen außerehelichen Sex bekannt.Über die gelegentliche "Wien bleibt schwul!"-Rufe der Gegendemonstranten, am Brunnen, die später von der Polizei entfernt werden, malen die Redner ein düsteres Bild an die Wand. Kinder würden bereits in der Schule umprogrammiert, um dann später finsteren Plänen zu dienen, ohne es zu merken. Sie könnten so zum Beispiel besser "als Gegendemonstranten eingesetzt" werden. Auch in der späteren Rede von Nagel kommt der "Schaffung eines neuen Menschen" eine Schlüsselrolle zu. Das ist die ganz große Verschwörung, die sich vor den Augen der Fundi-Christen ausbreitet. Überall herrscht Zügellosigkeit und Unzucht. "Und wer Unzucht betreibt, der versündigt sich am eigenen Leib", wie ein Redner aus der Bibel zitiert.Die Familie steht der Schaffung eines neuen Menschen im Weg
Anzeige
Während Nagel eine eher wirre Rede über das "kryptokommunistische Establishment", das "Genderdeutsch" und die Gegendemonstranten ("Ich frage die anwesenden Frauen und Mädchen: Sollen diese vermummten Krawallbrüder eure Fürsprecher und Beschützer sein?") hält, steht plötzlich ein älterer Herr mit Pferdeschwanz vor dem Autor dieses Textes und fängt wild an zu schimpfen. Er sei ein "Rothschild-Agent". Sie würden den Autor beobachten, er werde noch "russische Bekanntschaft" machen. Danach streift er noch weiter herum, holt sein Handy heraus und diktiert jemandem die Beschreibung des Autors in sein Handy. Wahrscheinlich sich selbst. Zum Abschied schreit er "Du wirst kein schönes Leben mehr in dieser Stadt haben!", wirkt dabei aber auch nicht unbedingt so, als würde er selbst ein schönes Leben in dieser Stadt haben.Vor allem die Wortmeldungen von Seitz werden mit jedem Auftritt seltsamer. Von "Hinter der Bühne sitzen ein paar Gegendemonstranten. Die müssen sitzen, weil sie nicht mehr stehen können. Sie haben zu viele bewusstseinserweiternde Substanzen eingenommen!" über "Der Life Ball, der ja eigentlich ein Todesball ist" bis zu "Die Teilnehmer der Regenbogenparade sehen ja aus, als würden sie direkt aus der Hölle kommen". Er verweist darauf, dass Junge Leute ein klassisches Familienbild wollten, nicht „Kampflesbe und andere Lesbe".Er nennt Flüchtlinge „Okkupanten" und schlägt so den Bogen zum rechten Rand. Er wettert gegen die "ehemals christliche ÖVP", gegen das Familienministerium, gegen Vertreter der katholischen Kirche, die ihnen "in den Rücken fallen". So schaut das Endstadium auch größerer Bewegungen aus: Man führt nur noch Rückzugsgefechte und sieht überall um sich herum nur noch Feinde. Man muss klar sagen: Das hier ist die Veranstaltung einer verhältnismäßig winzige Splittergruppe, die auch in religiösen Kreisen kaum Rückhalt halt und eher aus Kuriositätsgründen von Interesse ist.In den vorangegangenen Jahren sind die Teilnehmer immer zum Bildungsministerium marschiert, weil ja in der Schule die schwule Umprogrammierung startet. Heuer endet die Veranstaltung damit, dass die Teilnehmer einmal um den Albertinaplatz ziehen. Während im restlichen Wien die LGBT-Community und Menschen, die sie unterstützen, feiern, dreht sich die Gegenveranstaltung im Kreis. Ein durchaus passendes Bild.Jonas ist auf Twitter: @L4ndvogtDie Bewegung sieht sich nur noch von Feinden umringt