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Vom Skater zum Söldner: Erik Munday

Früher hatte Erik Munday einen Skateshop, heute verteidigt er Frachtschiffe gegen somalische Piraten.

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Michael Cirelli

2015 einen kleinen Skateshop am Laufen zu halten, ist absoluter Selbstmord. Das weiß ich selber, letztens haben mein Geschäftspartner und ich erst das zwölfjährige Bestehen unseres Skateshops in New Jersey gefeiert. In diesen zwölf Jahren hat sich allerdings einiges im Business geändert. Große Online-Shops verdrängen die kleinen Fische vom Markt und große Marken verkaufen ihre Special Editions lieber selber, als sie den treuen Shops zur Verfügung zu stellen. Und dann gab es da noch die Rezession—viele meiner Freunde und Kollegen waren dazu gezwungen, ihre Läden zu schließen.

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Eins der wahrscheinlich traurigsten Opfer dieses Kampfes war Connecticuts Skate Lair, das 2011 nach 12 hart erkämpften Jahren im Geschäft die Türen schließen musste. Der Betreiber von Skate Lair war der sehr laute, sehr schillernde Skate-OG Erik Munday. In der Skateshop-Branche ist er eine Legende. Als ich ihn vor zehn Jahren kennenlernte, erzählte er mir, dass er nur fünf Board-Marken verkauft, keine der großen, und jeden beschimpft, der nach etwas anderem fragt; dass er Kids in seinem Laden aus Spaß gegeneinander boxen ließ; dass er überall im Laden Waffen hatte; dass er einem Zumiez-Manager das Handy wegnahm, als der heimlich versuchte, Preise zu vergleichen, und ihn dann zusammenschlug … es gab einfach unzählige solcher Storys.

Zuerst dachte ich, er würde nur Scheiße erzählen, aber jeder, der mal im Skate Lair gewesen war, schwor mir, dass jedes Wort aus Mundays Mund wahr war. Auch wenn seine Art vielleicht etwas … heftig erschien, war sie auf gewisse Art auch erfrischend. Skateboarding ist heutzutage so sauber und so auf „Training" fokussiert, dass Menschen oft vergessen, dass Skater noch nie ein Haufen Sportfanatiker waren, die brav Regeln befolgen. Skaten ist historisch gesehen ein Lebensstil, der seine Ursprünge in Anarchie und Gesetzlosigkeit hat. So einen Typen wie Erik Munday können wir heute also mehr gebrauchen denn je.

Munday hat inzwischen aber einen anderen Job gefunden, mit dem er in einem Jahr mehr verdient als in 12 Jahren Skateshop zusammen. Die letzten zwei Jahre ist Munday als Söldner um die Welt gereist. Seine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass Materialien, die in Kriegsgebiete importiert werden sollen, an ihre Bestimmungsorte gelangen, ohne geraubt zu werden.

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Auch wenn er schon einige Gefechte am eigenen Leib erlebt hat, scheint Munday darüber ohne Probleme reden zu können. Ich habe mich mit Erik letzte Woche in Brooklyn getroffen, um zu hören, wie er vom Skateboards grippen dazu kam, sich von somalischen Piraten beschießen zu lassen.

VICE: Dir hat mal der Skateshop Skate Lair gehört. Wie war das?
Erik Munday: Das war das totale Chaos. Skate Lair ist und war nicht nur ein Skateshop. Es ist eine Gang, die es fast seit 20 Jahren gibt. Und alle meinten, der Laden würde nicht laufen, weil ich ihn so schmiss, wie ich ihn eben schmiss. Ich führte keine der großen Marken, sondern nur die meiner Freunde: Natural Koncepts, Shut, Zoo York, 5Boro, Traffic … Das Undergroundzeug.

Du hast mir erzählt, dass du Leute angeschrien hast, bis sie geheult haben, wenn sie nach irgendeiner anderen Marke gefragt haben.
Ich hatte ein Girl-Deck da und wenn es jemand haben wollte, dann sagte ich nur: „Wenn du das Deck kaufen willst, dann musst du gegen mich in der Bowl boxen und mindestens zwei Minuten durchhalten." Und ich hatte immer Boxhandschuhe im Hinterzimmer.

Ich habe von den Boxkämpfen im Laden gehört und, dass du ständig Pistolen auf dem Tresen liegen hattet. Wie habt ihr es geschafft, keinen Stress zu bekommen?
Oh, den hatten wir. Die Cops hatten uns im Visier. Mir war es einfach scheißegal. Ich habe Demos für die illegale Bikergang gemacht, weil sie ihr Vereinshaus in der Stadt hatten. Ich bin kein Biker, aber ich verstehe sie. Die Leute sehen Skater nämlich auch als Abschaum. Wie auch immer: Ich habe mich um die Kids in der Gegend gekümmert und die Typen haben das respektiert. Wenn sie im Knast saßen, war ich derjenige, der sich um ihre Kinder gekümmert hat. Die Cops wussten nie, was sie von uns halten sollen. Wir hatten vielleicht ein paar fragwürdige Methoden, aber wir waren für unsere Kinder gekümmert.

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Wie bist du vom Skateshop-Besitzer zum bezahlten Söldner geworden?
Meine offizielle Job-Bezeichnung lautet Private Military Contractor (PMC). Als die Skate-Industrie anfing, kleine Shops zu verarschen, musste ich 2011 meinen Laden schließen. Ich fing an, als Türsteher bei einer Bar zu arbeiten, weil ich kämpfen kann und mir dachte, bevor ich mich einfach so prügle, kann ich auch dafür bezahlt werden. Einer meiner Kollegen war Marine und wir sind zusammen schießen gegangen. Ich war besser im Schießen als er. Ein anderes Mal waren wir bei einem Schießstand der Polizei und ich habe alle abgezogen. Es stellte sich raus, dass er meinen Cousin kannte, der ebenfalls beim Militär war, und dass ihm ein privates Unternehmen gehörte. So kam eins zum anderen. Ich konnte Kugeln ins Ziel bringen, war in Form und konnte kämpfen—das ist alles, was man braucht. Es ist nicht der geistig anspruchsvollste Job.

Wird man als Söldner gut bezahlt?
Kommt auf deine Tätigkeit und deinen Auftrag an, aber ich verdiene mehr als ein Arzt. Je gefährlicher der Job und je mehr sie für den Auftrag von dir abhängig sind, desto besser wirst du bezahlt. Aber glaub mir, du hast dir auch jeden verdammten Cent davon verdient.

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Und wie genau sieht dein Job aus?
Ich war nicht in der Infanterie. Ich war bewaffnete Eskorte. Ich saß am Gewehr. Bei meinem ersten Einsatz bewachte ich ein Handelsboot. Wir sind um Afrika gefahren, um das Zeug in die Häfen zu bekommen: Gummi, Metall, Maschinen. Sobald du aber in diesen Teil der Welt kommst, wird es haarig, und die Firma, für die ich gearbeitet habe, wurde von Piraten angegriffen. Wir mussten mit ein paar Leuten diesen Riesenfrachter bewachen—also ein riesiges Gebiet. Wenn die Piraten dann das Boot umschwärmen, ist man ziemlich am Arsch. Die wissen auch, was sie tun, und haben nichts zu verlieren—denen ist alles scheißegal.

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Unser Boot fuhr mit 10 Knoten und sie hatten einen Hinterhalt vorbereitet, auf uns gewartet und uns dann umzingelt. Wir hatten Lautsprecher und versuchten, sie uns vom Leib zu halten und ihnen zu zeigen, dass wir keins dieser Boote sind, die man einfach kapern kann, aber dann haben sie es doch gemacht. Es war abgefahren. Ich bin zwar vorher schon beschossen worden, aber das hier war anders. Das war einfach unwirklich. Du bist da draußen auf dem Meer und wenn ein Schuss auf dich gefeuert wird, dann ist das wie Blitzlicht. Wir befanden uns acht Stockwerke über dem Wasser und ich sah zuerst die Lichter und hörte dann das Ping der Kugeln am Schiff und den Knall über meinem Kopf, als der Luftdruck sich ausbreitete—immer und immer wieder. Ich war vorher noch nie in so einem Feuergefecht gewesen. Wir waren dafür ausgebildet worden, aber alles, woran ich denken konnte, war: ‚Vor sechs Monaten habe ich noch in einem Skateshop Grip auf Skateboards geklebt.' Ich war vielleicht in vielen Kämpfen gewesen, aber nie gegen Somalier.

Das FBI macht online Jagd auf eine andere Sorte Piraten. Lies auf MOTHERBOARD, warum Pirate Bay ein Honeypot der US-Behörde sein könnte.

Und wie hast du darauf reagiert?
Wenn du mich angreifst, stelle ich dich kalt. Sie haben uns härter angegriffen, als sie das sonst tun. Sie wollten unbedingt auf das Boot kommen. In dem Film Captain Phillips sieht man, wie ein Typ am Heck hochklettert und das Ruder übernimmt, aber diese Typen waren ganz klar Amateure. Wenn sie auf das Schiff kommen, dann bleiben sie nicht dort. Sie bringen ein paar Typen um und nehmen dann Gefangene auf ihr Boot und fahren damit an die Küste, um Lösegeld einzufordern.

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Stimmt es, dass dein Job eher darin besteht, das Geld zu bewachen, das auf solchen Schiffen transportiert wird, und weniger die Ware?
Die offizielle Regelung der meisten Regierungen lautet, dass sie keine Lösegeldsummen zahlen, weil das nur weitere Geiselnahmen nach sich zieht, aber das ist totaler Bullshit. Auf den meisten Schiffen gibt es einen gewissen Betrag an Bargeld. Die Piraten wissen also, dass sie bezahlt werden, sobald sie es an Bord schaffen. Bei dem Auftrag vor meinem ersten Ausflug sind sie auf das Schiff gekommen, haben sich einen unserer Männer geschnappt, sind mit ihm an die Küste gefahren und haben dann das Lösegeld eingefordert. Sobald sie ihn an Land haben, bist du am Arsch. Entweder bezahlst du sie oder der Mensch ist tot. Aber mein Job ist es quasi, sie vom Schiff fernzuhalten. Ich sitze an einem befestigten M240. Das ist eine große Waffe, die 700 Schuss die Minute abfeuern kann. Die verstreut eine ganze Menge Blei. Es ist wie mit einem Gartenschlauch rumzuspritzen.

Belastet es dich, dass du für deinen Job Menschen umgebracht hast?
Nein. Es ist auch nicht so, als wäre ich stolz darauf. Ich gebe nicht damit an. In der Regel spiele ich das runter, aber wenn du mich so direkt fragst … es ist halt so, dass ich das von Anfang an wusste—und die auf der anderen Seite auch.

Meinst du, wir verändern da drüben was?
Ich habe nichts als Respekt für die Militärs und privaten Sicherheitsleute, die ihren Kopf dort riskieren, was aber dieses ganze „Kampf gegen den Terror"-Ding angeht, denke ich, dass das alles ein Haufen Scheiße ist. Wir erschaffen Terrorismus. Es geht nur darum, Geld zu machen. Wenn wir da rübergehen und Bomben abwerfen, gibt es unglaublich große Kollateralschäden. Ich habe Menschen gesehen, denen die Eingeweide raushingen—und es kommen eben wirklich Unschuldige dabei um. Was würdest du tun, wenn jemand eins deiner Kinder tötet? Spätestens dann wird es persönlich.

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Du hast mir erzählt, du hättest in Saddam Husseins Pool gepisst.
Jup, das war eine persönliche Sache. Meine Familie war nämlich früher schon mal da. Mir war es egal, ob ich dafür Ärger bekomme. Das war aus Prinzip.

Ich habe Fotos von Soldaten gesehen, die in seinem Palast geskatet haben—du auch?
Ich frage mich, wie die damit durchgekommen sind. Hätte ich das gemacht, meine Truppe hätte mich fertig gemacht. Auch wenn ich immer Skater sein werde, ist das hier mein Job. Ich kann im Einsatz nicht einfach stürzen und mich am Knöchel verletzen. Also habe ich zweieinhalb Jahre lang kein Board angefasst.

Wie lange wirst du das wohl noch machen?
Ich wusste mit 14 schon, dass ich nie einen normalen Job machen würde. Ich habe 60 Stunden die Woche in einer Fabrik gearbeitet und ich habe es gehasst. Deswegen habe ich auch als Türsteher gearbeitet: Ich werde lieber dafür bezahlt, jemandem in die Fresse zu schlagen, als jemandem den Arsch zu küssen. Ich könnte das aber so lange machen, wie ich muss. Es ist, als hätte ich eine gespaltene Persönlichkeit. Ich quatsche hier mit dir, aber wenn ich dort drüben einen ernsten Job machen muss, dann bin ich wirklich todernst dabei. Durchs Skaten habe ich aber Johnny Hickey kennengelernt und der filmt ab Oktober seinen neuen Streifen mit dem Namen House Rules. Er will nicht, dass ich eine Kugel in den Kopf bekomme, also hat er mir eine Rolle als Badass-Skater gegeben. Ich mache das erst mal und vielleicht kann ich mit ja damit mein Geld verdienen, anstatt mich beschießen zu lassen. Meinem Kumpel Josh Zickert werde ich auch noch dabei helfen, Natural Koncept Skateboards zu schmeißen—ich bin also immer noch in der Skateszene unterwegs.

Meinst du, du kannst dir Erlebnisse aus deinem Söldnerjob hinter dir lassen, oder haben sich ein paar davon schon zu sehr in deinem Gedächtnis eingebrannt?
Nein, meine Augen sind wie Kameras. Es gibt Sachen, die hätte ich am liebsten nie gesehen hätte und die ich nie mehr vergessen werde—selbst nicht, wenn ich drei Menschenleben lang leben würde. Wenn jemand versucht, dich umzubringen, dann erinnerst du dich daran. Ich schaffe es aber ganz gut, mich nicht zu sehr davon beeinflussen zu lassen.