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Popkultur

Mein Gott heißt Godzilla – Hollywood hat dazugelernt, und macht’s wieder falsch

Der King of Monsters ist älter und fetter geworden, aber er wird trotzdem niemals sterben.

Titelbild (c) Warner Bros

Da ich bald 30 Jahre alt bin, überlege ich dieser Tage immer öfter, ob ich mir jetzt vermehrt Filme ansehen soll, die mir tiefschürfende Wahrheiten über die conditio humana liefern und mir erklären, wie die Welt funktioniert … oder doch lieber die alten Godzilla-Filme.

Wenn Japaner durch Miniatursets stampfen und sich dabei gegenseitig auf die Gummischnauzen dreschen, hab ich einen Batzen mehr Spaß, als an existenzialistischen Fragen. Godzilla bereitet mir keine kritisch-ironische „Es ist gut, weil es schlecht ist"-Freude, sondern eine ehrliche, beinahe kindliche Euphorie.

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Gareth Edwards Godzilla-Reboot war bereits Ende 2013 mein meisterwarteter Film für 2014, als ein früher und angeblich inoffizieller Teaser „geleaked" wurde. Robert Oppenheimer, der Vater der Atombombe, sprach „Now I am become death, the destroyer of worlds". Danach erhob sich der riesige, neue Godzilla aus den Staubwolken einer zerstörten Stadt, und ließ seinen ikonischen Schrei ertönen. „Gänsehaut" ist dafür ein Hilfsausdruck. Bereits nach den ersten Trailern war klar: Das wird was Großes, was uns endlich Roland Emmerichs eher peinlichen Godzilla-Versuch von 1998 vergessen lassen wird.

Hollywoods Blockbuster werden, auch wenn sich wie immer Gegenbeispiele nennen ließen, sowohl technisch als auch inhaltlich mit der Zeit immer besser.Bombast-Kino ist eben auch am besten, wenn es ein bisschen überlegtere und tiefer gehende Motive verwendet. Bei Godzilla heißt diese offensichtlich tiefere Ebene „Mensch gegen Natur" beziehungsweise „Natur gegen Technologie". Nur wird das hier nicht so plump und plakativ abgehandelt wie in Avatar, bei dem James Cameron sogar das eigentlich längst überholte Klischeebild des „edlen Wilden" für seinen altmodischen 08/15-Plot wieder bedient, sondern auf eine spannendere Art.

Bei seinem ersten Auftritt im Jahr 1954 war Gojira (sein japanischer Originalname) ein wandelndes Symbol für nukleare Zerstörung, der das japanische Trauma der amerikanischen Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki filmisch aufarbeitete—indem ein Typ namens Haruo Nakajima sich in ein reptilisches Ganzkörperkostüm quetschte und dabei mehr als ein Mal beinahe einen Hitzekollaps erlitt.

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Nicht weniger als 27 Fortsetzungen folgten auf den düsteren Katastrophenfilm. Mit Fortlaufen der Serie wurden die Filme unterhaltsamer und kindgerechter. Gojira wurde immer mehr vermenschlicht und mutierte bald zu einem familienfreundlichen japanischen Nationalhelden, der andere böswillige Kaijus (riesige Monster) besiegte.

In allen 28 japanischen Filmen haben sich die traditionsbewussten Kaijus in Gummikostümen gebattelt, Hollywood packt beim heurigen Reboot—wie schon 1998—natürlich wieder das CGI aus. Ein paar unsensible Japaner haben sich im Internet über das Aussehen des neuen Godzilla lustig gemacht: Er habe keinen Hals mehr, einen zu kleinen Kopf, aber vor allem sei er zu fett. Ich bin gerade mal halb so alt wie Godzilla und mein Stoffwechsel funktioniert zum Glück noch, aber werde mich trotzdem davor hüten, mich über seinen zusätzlichen Hüft- und Wadenspeck lustig zu machen—auch wenn es tatsächlich so scheint, als habe Godzilla die letzten zehn Jahre vermehrt Kalorienbomben statt Atombomben zu sich genommen.

Roland Emmerichs Godzilla konnte 1998 weder das Publikum, die Kritiker, und am aller wenigsten die Godzilla-Fangemeinde überzeugen—Da war das eigenwillige Godzilla-Design nur die Spitze des Probleme-Eisbergs. Das Iguana-T-Rex Viech, das die Japaner verächtlich „Zilla" nennen, wurde 2004 vom echten Godzilla in den Final Wars mit Leichtigkeit in den Tod geschickt. Solch ein katharsischer Vernichtungsakt ist nach dem aktuellen Hollywood-Godzilla sicher nicht notwendig.

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Hier die Spannungskurve der obligatorischen Godzilla-Filmszenen in Form einer Top-5 Liste:

1. Godzilla kämpft gegen ein anderes Monster.
2. Godzilla—oder ein anderes Kaiju­—zerstört eine Stadt oder kämpft gegen das Militär.
3. Wissenschaftler besprechen, wie sie Godzilla stoppen können.
4. Vertreter der Politik oder des Militärs besprechen, wie sie Godzilla stoppen können.
5. Menschen reden miteinander über irgendetwas, das nichts mit Godzilla zu tun hat.

Einen Godzilla-Film sehe ich mir also in erster Linie an, um Kaijus in Action zu sehen. Der aktuelle Film ist dem King of Monsters absolut würdig, aber gemessen an der obigen Liste ist der neue Godzilla ziemlich schwach auf den massiven Beinen. Hollywood hat seit 1998 zwar dazugelernt, macht's aber wieder falsch. Für einen Action-Blockbuster gibt es eindeutig viel zu wenige „Fuck, yeah!"-Momente, nicht genug Monster-Action, dafür viel menschliches Drama und typische Katastrophenfilm-Dialoge.

Wenn sich Godzilla nach gefühlten eineinhalb Stunden in all seiner CGI-Pracht endlich erhebt und man denkt „Jawohl, jetzt geht's los!", und in der nächsten Einstellung der langweilige Sohn des langweiligen Hauptdarstellers auf dem Sofa Nachrichten schaut, ist das so etwas wie cineastischer Coitus Interruptus. Und wenn man 160 Millionen Dollar zur Verfügung hat, und der weitgehend Charisma-befreite Aaron „Kick-Ass" Taylor-Johnson circa fünfzehn Mal so viel Screen Time hat wie Big G, läuft meiner Meinung nach etwas falsch.

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Die menschlichen Charaktere in den Godzilla-Filmen sind traditionell ungefähr so spannend wie die in den Muppet-Filmen. Das ist auch im neuen Godzilla—trotz sehr guter Besetzung—nicht anders. Gute Schauspieler (abseits von Kick-Ass) kämpfen sich durch undankbare Rollen. Ken „Fake Ra's Al Ghul" Watanabe hat praktisch den ganzen Film über einen Gesichtsausdruck, als hätte er etwas zu Hause liegen gelassen. Es gibt leider auch keine Szene, in der Juliette Binoche von Godzilla gefressen wird, der dann sagt „Mmmh, Chocolat!". Eine vertane Chance. Trotzdem bin ich mit einem guten Gefühl aus dem Kino gegangen.

Nach dem eher bescheidenen Erfolg von Pacific Rim bleibt nun abzuwarten, ob Godzilla zum erhofften Kassenschlager wird, der Fortsetzungen und/oder weitere US-Kaiju-Filme nach sich zieht. Übrigens ist der neue Godzilla lange vor der Nuklearkatastrophe von Fukushima in Produktion gegangen, Hollywood hat die Riesenechse als nicht aus „aktuellem Anlass" wiederbelebt.

Schaut euch den neuen Godzilla an, damit er genug Geld einspielt, und eine bessere Fortsetzung produziert werden kann. Zum Abschluss spoiler ich euch noch das Ende des Films.

Bildmaterial von Tumblr und Screenshots