Ich habe meinen toten Großvater fotografiert

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Ich habe meinen toten Großvater fotografiert

Nach dem Tod seines Großvaters gelang es Kimmo Metsärantas, das aufzubauen, was er zu dessen Lebzeiten verpasste: Intimität. Seine Fotografien zeugen davon.

Mein Großvater ist im Frühjahr 2014 gestorben. Sein Tod überraschte niemanden. Während der letzten zwei Jahre reagierte er kaum noch, er war geistig abwesend. Ich weiß nicht, ob er über das Sterben nachdachte, ob er darauf wartete oder Angst davor hatte. Was ich bezweifle, schließlich war er 87 Jahre alt.

Meine Schwester und ich haben dem Bestatter dabei geholfen, meinen Großvater für den Sarg herzurichten. Wir haben ihm seinen besten Anzug angezogen, ihm die Haare gekämmt. Es kam mir vor wie ein letzter Gefallen, den ich ihm tat. Vielleicht habe ich versucht, die Tatsache wiedergutzumachen, dass ich ihn nicht oft genug besucht habe. In dieser Hinsicht habe ich ein schlechtes Gewissen.

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Mein Großvater und ich standen uns nicht besonders nahe, weil meine Großmutter und er weit weg wohnten. Erst als sein Zustand sich verschlechterte, habe ich mich bemüht, ihn so häufig wie möglich zu besuchen. Diese Besuche waren schwierig: Mein Großvater hatte sein Gehör verloren und meine Großmutter ihr Kurzzeitgedächtnis. Sie stellte mir wieder und wieder die gleichen Fragen und er saß einfach da und lächelte. Er wusste nicht, worüber wir sprachen. Zumindest schien er froh zu sein, dass er mich immer noch erkannte.

Als ich ein Kind war, hatte ich Berührungsängste. Er kam mir sehr streng vor, weshalb ich einen gewissen Abstand wahrte. Er war nicht gemein, er wollte bloß nicht, dass wir zu viel herumalberten und Chaos anrichteten, was Kinder ja häufig tun. Jetzt verstehe ich, dass das bloß seine Art war, uns zu anständigen Menschen zu erziehen.

Die meisten Menschen in Finnland (wo ich herkomme) wissen gar nicht, dass man die Verstorbenen einkleiden kann. Selbst wenn sie es wüssten, würden sie es wahrscheinlich nicht tun. Der Tod ist hier immer noch ein Tabu. Man darf nicht darüber sprechen, geschweige denn den Tod fotografieren. Ich weiß nicht, weshalb dem so ist. Vielleicht wollen wir nicht an unsere eigene Sterblichkeit erinnert werden.

Meinen Großvater für seine Beerdigung herzurichten, war eine wundervolle Erfahrung. Die Zeit schien stehengeblieben zu sein. Meine Erinnerungen an ihn waren greifbarer. Ich hatte ihn bei vielen Gelegenheiten fotografiert und er hatte immer diese beeindruckende Präsenz. Das war unser letzter gemeinsamer Fototermin—obwohl er in gewisser Weise gar nicht mehr da war. Es war bloß eine Hülle übrig. Ich habe ein paar Minuten lang fotografiert und danach den Sarg geschlossen. Dann war es vorbei. Das war das letzte Mal, dass ich meinen Großvater gesehen habe.

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Wenn ich mir jetzt diese Fotos ansehe, versetzt mich das zurück in den Moment, in dem ich ihn in seinem Sarg gesehen habe. Auf den Bildern wirkt er erleichtert. Außerdem fühle ich immer noch seine Präsenz. In gewisser Weise fühle ich mich ihm jetzt näher als ich das zu seinen Lebzeiten getan habe.

Diese Bilder stammen aus ​Kimmo MetsärantasBilderserie To Bury a Father