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Wie die Schweizer Armee deine Daten verschenkt

Unser Autor hat sich an der Medienstelle der Armee abgekämpft, um herauszufinden wie ein Magazin namens Schweizer Soldat an seine Adresse gekommen ist.
Foto von Morad Ghezouani

Dank der Wehrpflicht muss sich jeder junge Schweizer (Schweizerinnen dürfen freiwillig.) mit der Armee auseinandersetzen und verbringt—ganz egal, ob er verweigert oder nicht—mindestens zwei Tage in einem der sechs Rekrutierungszentren der Armee. Dabei wird er im Personalinformationssystem der Armee (PISA) erfasst.

Die Armee verteidigt die Schweiz und schützt die Zivilbevölkerung im Falle eines bewaffneten Angriffs auf die Eidgenossenschaft. So war es und so wird es immer sein. Eine schöne Welt für die einen, für andere eher weniger.

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Ich für meinen Teil entschied mich für den Dienst an der Waffe. Nach abgeschlossener Grund- und Kaderausbildung bekam ich dann auch das erste Mal Post.

Foto von ​TheBernFiles; ​Wikimedia Commons; ​Public Domain​

Allerdings nicht von behördlicher Stelle: Eine Zeitschrift beehrte meinen Briefkasten. Weiss auf Rot prangte „Schweizer Soldat" auf der Titelseite. Beim Öffnen tat sich mir das Tor zu einem erzkonservativen Kuriositätenkabinett auf: Die Armee wird kaputtgespart, man wisse nicht, was morgen kommt, die ganze Welt rüste auf.

Abgerundet wurde das Heft von heroisierten Lobliedern auf vergangene Kurse und Dienstleistungen. Ich war beruhigt, als ich bei genauerer Betrachtung feststellte, dass derSchweizer Soldat eine unabhängige Zeitschrift ist. Sie gibt also nicht zwingend die offizielle Meinung von Bund oder Armee wieder. Trotzdem habe ich sie nicht besoffen im Rausch abonniert, sondern erhalte sie als Kader der Armee automatisch.

Foto von Sandstein; Wikimedia Commons;Public Domain

Dass sich dieses Blatt am rechten Rand des Legalen bewegt, stört mich nicht so sehr. Ich fand die Lektüre manchmal recht unterhaltsam. Neben Quizseiten über Waffensysteme aus aller Welt waren die für unser Land aufgezeigten Bedrohungslagen für einen mehrheitlich links denkenden Studenten zum Teil doch recht kreativ gewählt.

Mein Briefkasten wird so oder so von politischer Post zwangsernährt. Unabhängig davon, ob ich die Meinung oder den Layoutgeschmack der einzelnen Altpapierspender teile oder nicht.

Auch wenn ich nicht immer darüber lachen kann, so gibt es mir wenigstens einmal pro Monat etwas Aufregestoff. Einen ehrlichen Dank an die Redaktion des Schweizer Soldat.

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Trotz aller Freude am Blatt beschäftigt mich eine Frage: Wo hat der Schweizer Soldat meine Kontaktdaten her?

Foto von Morad Ghezouani

Nach eigenen Angaben wird der Schweizer Soldat an alle Angehörigen der Schweizer Armee vom Unteroffizier aufwärts zugestellt. Die Institution, welche die Träger der militärischen Grade samt dazugehöriger Postanschrift verwaltet, ist natürlich die Armee selber. Nun handelt es sich beim VBS selbstverständlich um eine Bundesbehörde und Behörden geben Daten normalerweise nicht einfach weiter.

Da der Schweizer Soldat ​laut alt-Bundesrat Samuel Schmid nicht von der Armee herausgegeben oder mitfinanziert wird, handelt es sich bei diesem Druckerzeugnis nicht um etwas Bundeseigenes. (Auch wenn viele ganzseitige Inserate des bundeseigenen Rüstungskonzerns RUAG als Form von Quersubventionierung betrachtet werden können.)

Foto von Morad Ghezouani​

Darf die Armee also meine persönlichen Daten wie meinen Namen, meine Adresse und meinen militärischen Grad an jemand Drittes weitergeben? Ja, die Armee darf unter gewissen Bedingungen. Diese sind im Bundesgesetz über die​ militärischen Informationssysteme (MIG) geregelt.

Der Führungsstab darf diese Daten zur Mitglieder- und Abonnementen-Werbung an militärische Vereine und Schützenvereine weitergeben. Wie die Armee den doch eher offen formulierten Gesetzestext auslegt wollte ich gerne von der Armee selber wissen. Dass man hier nicht gern über PISA-Daten diskutiert, war schnell klar.

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Erst eröffnete man mir in einem zehnminütigen Vortrag, dass die Armee keinerlei Daten weitergebe und erst mit konkreten Beispielen, zitierten Gesetzestexten und einer Portion Beharrlichkeit wurden mir Antworten versprochen.

Nach zwei Tagen Wartezeit und und einem weiteren Telefonat bekam ich von der Institution, welche immer noch einen grossen Teil der jungen Schweizer repräsentiert, den im ersten Telefonat von mir erwähnten Gesetzestext zur Antwort.

Dabei hätte ich gerne in Erfahrung gebracht, ob die Armee ihre Angehörigen über die Thematik informiert und wie die Armee dieses Gesetz konkret auslegt. Aber nein, bei der Medienstelle der Armee gibt es wenig Bewusstsein für die Problematik. In PISA sind ja auch nur die Daten von sämtlichen Aktiven und ehemaligen Angehörigen der Armee gespeichert.

Foto von Morad Ghezouani​

Wenigstens auf eine Frage gab es denn doch eine Antwort: Welche Daten werden denn konkret weitergegeben? Im Fall des Schweizer Soldat folgende: Grad, Name, Adresse und Geschlecht. Ich wurde in keiner Phase meiner laufenden militärischen Verweilzeit (Laufbahn wäre das falsche Wort.) darüber informiert, was die Armee mit meinen Daten machen darf.

Im Gegenteil: Letzten Monat bekam ich Post von meinem Brigadekommando mit der Bitte, meine persönlichen Angaben zu überprüfen und allenfalls zu ergänzen. Bei genauerer Betrachtung fiel mir folgender Hinweis auf: „Ihre Kontaktangaben werden ausschliesslich dem Brigadestab und den (…) Kommandanten in Form eines Adressverzeichnisses ausgehändigt (…)"

Foto von Morad Ghezouani

Lügt die Armee Ihre Angehörigen an? Mit dieser Frage wandte ich mich ans Büro des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten und bekamfolgende Antwort: „Die Aussage in dem Brief bzgl. der Weitergabe der Daten stimmt insofern, als dass nur ein Teil der auf dem Formular erfassten Kontaktangaben an Schiessvereine oder Medien weitergegeben werden (Adressdaten, Grad und Einteilung; e-Mailadresse, AHV- oder Telefonnummer hingegen nicht). (…)"

Die Armee hält sich beruhigenderweise ans geltende Recht, trotzdem sollte sie  ihre Angehörigen vielleicht über die mögliche Verwendung ihrer Daten und die Möglichkeit auf Verweigern der Weitergabe an Dritte informieren.

Immerhin weiss ich jetzt, dass ich mich beim ​Führungsstab der Armee melden darf, wenn ich nicht möchte, dass meine Daten weitergegeben werden. Das mache ich nicht, denn ich möchte die Lektüre des Schweizer Soldat noch ein paar Jahre geniessen.