Ich war in einer Klinik, um herauszufinden, ob ich meine Eizellen einfrieren lassen soll

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Ich war in einer Klinik, um herauszufinden, ob ich meine Eizellen einfrieren lassen soll

"Ich weiß", sage ich, "mit 29 ist es recht früh, sich Gedanken über das Haltbarkeitsdatum meines Uterus zu machen." Die Ärztin sagt: "Auf gar keinen Fall."

Foto: imago | Rainer Unkel

Einmal die Woche ruft meine Mutter an und erinnert mich daran, dass meine Eierstöcke schneller verfallen als reife Bananen. "In deinem Alter glaubt man vielleicht, für immer jung zu sein", sagt sie, "aber deine Reproduktionsorgane glauben was anderes." Ich bin 29, Single, habe gerade meinen ersten festen Vollzeitjob angefangen und verspüre keinen dringenden Kinderwunsch. So weit, so normal. Einem großen Teil meines Freundeskreises geht es ähnlich. Es ist gar nicht so lange her, dass wir unsere Studienabschlüsse frisch in der Tasche hatten, und anfingen, unsere Miete selbst zu bezahlen. Mein Gefühl sagt: Mit 30 geht das Leben richtig los, alles steht mir offen. Aber meine Mutter sagt: "Wusstest du, dass deine Fruchtbarkeitsrate ab 31 jedes Jahr um drei Prozent sinkt?" Dann schickte sie mir einen ausgeschnittenen Artikel über Social Freezing. Das ist eine Art Schockgefrieren von Eizellen in flüssigem Stickstoff, um sie später einzusetzen, wenn man bereit ist für ein Kind. In dem Artikel stand, dass die Firma Seracell freezing ein Komplettpaket schon für 2.500 Euro anbietet. "Dafür müsstest du nur ein paar Jahre auf Coffee to go verzichten", schrieb Mama dazu. "Wir schießen gern was dazu!"

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Aufgewachsen in der Sowjetunion hat meine Mutter mich mit 18 mitten in ihrem Bergingenieurstudium bekommen und hatte eigentlich vor, mit 40 Oma zu werden. Kein Wunder, dass sie Druck macht. Ich dachte, sie übertreibt. War Fruchtbarkeit nicht etwas, worüber man sich erst Ende 30 Sorgen macht? Und Social Freezing etwas für Karrierefrauen bei Apple, Google oder Facebook?

Aber dann fing ich an zu googeln: Mit 30 liegen die Chancen, in einem Zyklus schwanger zu werden, noch relativ hoch bei etwa 20 Prozent. Aber ab 35 sinkt die Fruchtbarkeit rapide. Mit 40 liegt sie nur noch bei fünf Prozent. Auch das Risiko einer Fehlgeburt steigt: Liegt es bei unter 29-Jährigen noch bei elf Prozent, ist es bei 35- bis 39-Jährigen mehr als doppelt so hoch, und bei Frauen über 45 bei über 90 Prozent, so eine Studie.

Würde ich meine Eizellen einlagern, würden sie in einem solchen Lagertank aufbewahrt werden | Foto: imago | bildwerk

Je mehr ich las, desto mehr schlich sich sich bei mir ein wurmendes Gefühl ein. Jetzt nicht gerade Angst, aber trotzdem das Verlangen, eine sanfte Ärztestimme sagen zu hören: "Machen Sie sich keine Sorgen, sie haben alle Zeit der Welt." Ich beschloss, mich und meine Mutter zu beruhigen, und vereinbarte einen Beratungstermin in einer Praxisklinik für Kinderwunsch, die mit Seracell freezing zusammenarbeitet. Kostet mich ja nichts. Die Beratung wird von meiner Krankenkasse übernommen.

Die Frauenärztin Birgit Bestvater hat tatsächlich eine beruhigende Stimme und einen so zarten Händedruck, wie ihn nur Ärzte und Kosmetikerinnen haben. "Ich weiß", sage ich, "mit 29 ist es noch recht früh, sich Gedanken über das Haltbarkeitsdatum seines Uterus zu machen." "Auf gar keinen Fall", sagt sie bestimmt. Gerade jetzt sei das richtige Alter. Für viele Patientinnen, die sich beraten lassen, sei es schon zu spät: "Frauen, die mit 35 zu uns kommen, sage ich: Lassen Sie das. Da haben die Eizellen schon eine eingeschränkte Qualität."

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Der Verdacht liegt nahe, dass Dr. Bestvater mir nur Angst machen will, um ihre Ceracell-Produkte besser zu verkaufen. Aber was sie sagt, hat nicht den hysterischen Unterton meiner Mutter. "Ich will nicht sagen, dass sie Social Freezing brauchen", sagt sie. "Betrachten sie das Ganze als eine Unfallversicherung." Falls ich in ein paar Jahren noch nicht den passenden Partner hätte oder die richtige Lebenssituation, könnte ich auch später auf meine jungen, gesunden, schockgefrosteten Eizellen zurückgreifen. "Aber eine Garantie für eine Schwangerschaft ist es nicht. Und es kostet außerdem eine Menge Geld."

In dem 2.500-Euro-Paket sei nämlich nur die Entnahme und die Einfrierung von Eizellen eines Zyklus enthalten. Dr. Bestvater empfiehlt aber, so viele Eizellen einzufrieren, wie man Lebensjahre hat, also in meinem Fall 30 Eizellen. Das sind ungefähr drei Zyklen. Zusätzlich kommen die teuren Medikamente dazu und die Lagerung kostet ab dem ersten Jahr 290 Euro. Auch die Befruchtung der Eizellen müsste ich bezahlen. "Da sind wir ganz schnell bei über 10.000 Euro."

Das wäre dann fast ein Jahrzehnt ohne Coffee to go. Die Krankenkasse übernimmt von diesen Kosten nämlich nichts. Trotzdem ließen sich pro Woche ein bis zwei Patientinnen in ihrer Klinik ihre Eizellen einfrieren, erzählt Bestvater. Auch die Nachfrage nach Beratungen sei groß. Ich musste auf meinen Termin einen Monat lang warten.

Vor unserem Termin, als ich im großzügigen Wartezimmer mit Aquarium neben drei Frauen um die 35 saß, habe ich mich gefragt: Macht sich eine von ihnen Gedanken darum, ihre Eizellen aufs Eis legen zu lassen? Aber eine Kinderwunschpraxis ist kein Ort, an dem man plaudert. Trotz der Topfpalmen und der Aquarelle an den Wänden ist die Stimmung im Wartezimmer nicht entspannt. Alle haben Fahrstuhl-Gesichter. Die Gründe, wegen der die Menschen hier sitzen, sind wenig smalltalktauglich: Künstliche Befruchtung, Hormonbehandlung—und vielleicht ist ja tatsächlich eine Frau dabei, die sich heute ihre Eizellen entnehmen lässt. Dafür stechen Ärzte mit einer feinen Hohlnadel durch die Scheidenwand und saugen die reifen Eizellen direkt aus den Eierstöcken.

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Bei der Entnahme, erzählt Frau Bestvater, bekäme ich eine Vollnarkose. Zu schmerzhaft wäre sonst der Eingriff. Würde ich mich für Social Freezing entscheiden, müsste ich mich außerdem im Zyklus zuvor zwölf bis 14 Mal selbst spritzen, mit Medikamenten, welche die Eizellen reifen lassen.

"Würden Sie mir Social Freezing empfehlen?"

"Schwierig", sagt Dr. Bestvater. "Sie haben ja noch ein paar Jahre, sich das zu überlegen." Und dann sagt sie: "Ich finde es traurig, dass wir so einen Service anbieten müssen. Andererseits weiß ich, dass das Leben von jungen Frauen momentan kompliziert für die Familienplanung ist. Die Arbeitgeber sind teilweise bekloppt im Kopf. Am besten wollen sie eine Dreißigjährige mit hundert Jahren Berufserfahrung, hübsch soll sie sein und am besten schon Kinder haben. Aber nur solche, die keine Probleme machen. Die Gesellschaft entwickelt sich für meine Begriffe in eine ganz falsche Richtung."

Dass in meinem Freundeskreis noch nicht das Kinderfieber ausgebrochen ist, liegt tatsächlich nicht daran, dass niemand Lust auf Nachwuchs hat. Langsam finden die meisten Babys nicht nur als theoretisches Konstrukt interessant. Aber wir stecken alle in Probezeiten, Zeitverträgen und/oder Beziehungen, in denen man keinen größeren Haushalt zu teilen hat als ein Zelt beim Festival

Wenn die Fruchtbarkeit ab 35 sinkt, müssen wir uns in den nächsten Jahren beeilen: Nachdem man das Studium samt Praktika und Auslandsaufenthalten mit Mitte oder Ende 20 abgeschlossen hat, bleiben fünf bis acht Jahre, um die Karriere zu starten, einen Partner zu finden und Kinder zu kriegen. Das gilt übrigens nicht nur, wie die meisten annehmen, für Frauen. Auch bei Männern ab 35 sinkt die Qualität der Spermien und das Risiko steigt, ein krankes Kind zu zeugen.

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Abends in der Bar redet trotzdem keiner über Fruchtbarkeit. Vielleicht, weil das Thema noch so weit weg scheint. Vielleicht aber auch, weil es gegen die Vorstellung geht, dass wir frei sind, alles zu tun, wann es uns passt. Gegen das Ideal, dass das Alter nur eine Zahl im Pass ist. Aber die Wahrheit ist: Die soziale Uhr, die vorschreibt, wann wir eine Ausbildung abzuschließen haben oder eine Familie zu gründen, tickt für uns nicht mehr so laut wie für vergangene Generationen. Aber bei der biologischen Uhr kann man sich schlecht taub stellen. Unser Leben und unsere Jugend sind länger geworden, das Haltbarkeitsdatum der Eierstöcke ist es nicht.

"Machen Sie sich Sorgen um Frauen wie mich?", frage ich Dr. Bestvater, bevor ich gehe.

"Ja", sagt sie. Und dann nochmal. "Ja. Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich möglichst bald dazu entschließen, schwanger zu werden."

Die beruhigenden Worte, auf die ich gehofft hatte, bekam ich von ihr nicht. Aber ich bin auch nicht panisch aus der Beratung gegangen. Es bringt nichts, sich wahnsinnig machen zu lassen. Aber es ist gut, die biologische Uhr im Hinterkopf zu behalten. Ich habe mir einen zweiten Termin bei Dr. Bestvater gemacht. Nicht für Sozial Freezing. Ob ich meine Eizellen einfrieren lasse, weiß ich nicht. Wie sie eben sagt: Ich habe noch ein paar Jahre Zeit. Aber ich werde einen Fruchtbarkeitstest machen, bei der die Eierstockreserve beurteilt wird. Dr. Bestvater wird dann genauer schätzen können, wie viel Zeit mir zum Kinderkriegen noch bleibt. Dann macht Mama hoffentlich weniger Panik. Alles, was es dazu braucht, ist ein Bluttest und ein kurzer Ultraschall. Und anders als die Eizelleneinfrierung kommt sie nicht zu einem fünfstelligen Preis.

Wlada hat es vor einem Monat endlich geschafft, sich bei Twitter anzumelden. Sie verspricht, dort nicht nur über ihre Eierstöcke zu schreiben.