Stecken englische Trainer schwarze Spieler auf falsche Positionen?
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Stecken englische Trainer schwarze Spieler auf falsche Positionen?

Ein anonymer Premier-League-Spieler behauptet in seinem Buch, dass Trainer schwarzen Spielern eher Schnelligkeit und Physis als Spielintelligenz zuschreiben. Die Startaufstellungen des letzten Spieltags untermauern seine Theorie.

Der geheimnisvolle Premier-League-Spieler, der anonym unter dem Pseudonym The Secret Footballer über sein Leben als Profi schreibt, hat wieder zugeschlagen. In seinem neusten Buch behauptet er unter anderem, dass die Trainer der Premier League ihre Spieler auf Grundlage ihrer ethnischen Zugehörigkeit auf bestimmte Positionen aufstellen.

„Manager (Anm. d. Red.: Trainer) trauen schwarzen Spielern bestimmte Rollen im modernen Spiel einfach nicht zu", schreibt er, „und schwarzen Spielern wird als letztes die Position der Mittelfeldspieler anvertraut, die das Tempo steuern, also die wichtigste Position innehaben, um auf das Spielgeschehen einzuwirken."

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Mit Blick auf den vergangenen Premier-League-Spieltag und seine Startaufstellungen, scheint er recht zu haben. Die Tempo-Steuerung im Zentrum jedes Teams übernahmen 16 weiße europäische Spieler (siehe Liste und Diagramme unten), wie auch die aus der Türkei bzw. Marokko stammenden Spieler Mesut Özil und Ibrahim Afellay und nur zwei schwarze Spieler: Alex Song und Yaya Toure. Beide werden jedoch eher für ihre Physis und ihre Stärke in Zweikämpfen—als für ihre Fähigkeit ein Spiel zu kontrollieren—aufgestellt. Da schwarze Spieler 35 Prozent der Akteure in den Startaufstellungen ausmachen, könnte man erwarten, dass sie mehr als nur 10 Prozent der Tempo beherrschenden Akteure ausmachen.

Also warum schenken die Trainer schwarzen Spieler auf dieser Position kein Vertrauen? Laut The Secret Footballer (TSF) „erfordert das ständige Diktieren des Spieltempos absolute Konzentration während der gesamten Spielzeit. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass schwarze Spieler dazu nicht in der Lage sind, aber es besteht wohl auch kein Zweifel daran—und das ist schon immer der Fall gewesen—dass ihnen diese Fähigkeit im Fußball nicht wirklich zugesprochen wird."

Schwarze Innenverteidiger seien ebenfalls Opfer dieser Vorurteile, wie TSF erklärt. Er behauptet, dass ein Trainer, der immer noch im Amt ist, zu ihm sagte, dass er nie zwei schwarze Innenverteidiger zusammen spielen lassen würde. Denn sie hätten einen „Tunnelblick" und „man müsse immer einen weißen dazustellen, um sicher zu sein, dass der andere keinen Aussetzer hat". TSF fügte noch hinzu, dass die meisten Trainer dem wohl zustimmen, wenn sie ehrlich antworten würden.

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Am vergangenen Spieltag wurde das in den Startaufstellungen wieder sichtbar. Während 31 Prozent der Innenverteidiger schwarz waren, spielten bei nur zwei Vereinen zwei schwarze Spieler gemeinsam in der Innenverteidigung. Einer der beiden Klubs, der FC Liverpool, tat dies nur, weil der eigentlich gesetzte Innenverteidiger Martin Skrtel angeschlagen war und ihn Kolo Toure ersetzte (der neben Mamadou Sakho spielte). Nur das gesetzte Innenverteidiger-Pärchen von Aston Villa besteht aus zwei schwarzen Spielern. Gegen West Brom bildete sich Villas Viererkette sogar komplett aus schwarzen Spielern.

Obwohl TSF es zwar nicht erwähnt, gibt es eine weitere Position auf der schwarze Spieler kaum eingesetzt werden: Die Torwartposition. Von den 20 Keepern, die am vergangenen Wochenende in der Premier League zwischen den Pfosten standen, waren alleine 18 weiße Europäer. Die beiden anderen Spieler waren die von gemischter Abstammung kommendenTim Howard (Amerikaner) und Heurelho Gomes (Brasilianer).

Auf der anderen Seite behauptet TSF, dass die Premier-League-Trainer schwarzen Spielern vor allem Schnelligkeit, Stärke und Physis zusprechen—die idealen Eigenschaften für Spieler auf den Flügeln. Auch hier spiegelt sich seine Behauptung bei den Startaufstellungen wider: Genau die Hälfte der Flügelspieler am vergangenen Wochenende war schwarz.

Dieses Problem findet sich aber nicht nur im Fußball wieder: Die gleichen rassistischen Stereotypen sind auch in anderen Sportarten und allen Teilen der Gesellschaft zu finden. Laut einem Forschungsbericht der Rugby League werden schwarze Spieler vor allem auf den Flügeln wegen ihrer vermeintlichen Geschwindigkeit oder in der Hintermannschaft aufgrund ihrer vermeintlichen Physis und Stärke eingesetzt. Auf Positionen, bei denen mehr Kontrolle über das Tempo oder Kreativität gefragt ist, werden hingegen überwiegend weiße Spieler eingesetzt.

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Es lässt sich darüber streiten, wie viel Schaden diese Vorurteile wirklich anrichten. Wenn schwarze Spieler weniger als Spielmacher, sondern dafür vermehrt auf den Flügeln aufgestellt werden, ist das für dienächste Generation von schwarzen Spielmachern auf den Akademien eine düstere Aussicht. Das Risiko besteht darin, dass sie zu Flügelspielern umfunktioniert werden, obwohl sie für diese Position möglicherweise nicht geeignet sind. Wenn dann der Erfolg ausbleibt, werden sie umso schneller von ihren Trainern verkauft. Die Verlierer sind dann nicht nur die betroffenen Spieler, sondern der gesamte englische Fußball.

Die ausgewählten Spieler, die das Tempo kontrollieren: Hoolahan, Henderson, Cabaye, Eriksen, Drinkwater, Afellay, Herrera, Cattermole, Watson, Shelvey, Fletcher, Westwood, Barry, Sigurðsson, Fabregas, Clasie, Arter, Özil, Song und Yaya Toure.