Wie eingelegter Hering und Schnaps Fergus Henderson inspiriert haben

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Dänemark

Wie eingelegter Hering und Schnaps Fergus Henderson inspiriert haben

Als er als Architekturstudent in Kopenhagen gearbeitet hat, hat Fergus Henderson regelmäßig im Tivolihallen Mittag gegessen. Ein Gericht hat sein kulinarisches Denken besonders beeinflusst.
Fergus Henderson illustration

Illustration von Erik Pontoppidan

Für viele mag es vielleicht eine Überraschung sein, aber die Kombination aus eingelegtem Hering und Schnaps—beides gehört zum traditionellen dänischen Mittagessen smørrebrød—hat mein Denken über Essen und Kochen beeinflusst. Für mich ist Smörrebröd aber das beste Beispiel für ein Gericht, bei dem einfach alles stimmt, quasi Schönheit zum Essen.

Smörrebröd habe ich vor langer Zeit, eigentlich vor vielen, vielen Jahren, das erste Mal kennengelernt. Freunde meiner Eltern sind zurück nach Kopenhagen gegangen. Also haben mich meine Eltern mit nach Dänemark genommen und wir sind in das Lieblingsrestaurant meines Vaters gegangen, Tivolihallen. Damals war ich mehr damit beschäftigt, mit den anderen Kindern zu spielen und am Schluss die Schokolade abzugreifen.

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Ein paar Jahre später habe ich während meines Architekturstudiums ein paar Monate in Kopenhagen für einen Designer gearbeitet, der mir immer die absurdesten Aufgaben gegeben hat. Meistens ging es in irgendwelche Bankgebäude, wo wir dann überlegten, was man innenarchitektonisch hier machen kann und so hat er sich dann den nächsten Auftrag geholt. Ein Fuchs.

Ich habe versucht, davor zu drücken und habe allein im Tivolihallen Mittag gegessen, das für mich, mit dem komplett weißen Innenraum und den Lampen von Poul Henningsen irgendwie typisch dänisch war. Was für ein Ort. Während ich Schnaps zum Essen getrunken habe—auf allen Tischen standen Flaschen, die musste man nicht austrinken, ich wüsste auch nicht, wer das getan hätte—fragte ich mich, ob Poul Henningsen mit seinen Lampen für sein Essen bezahlt hatte. Er muss das Essen hier gemocht haben.

Frischer deftiger Hering, als sanftere Komponente dann das Schweinefett, roheZwiebeln und Kapern geben dem Ganzen wieder einen neuen Kick. Das Schwarzbrot mit seiner groben Textur bringt alles wieder runter und durch den Schnaps entsteht ein wohliges Gefühl. Einfach göttlich.

Ich wurde älter und die Dinge änderten sich wieder. Eines der dänischen Kinder, mit denen ich gespielt hatte, war mittlerweile Mitglied bei Kashmir und ich war kein Architekt mehr—aber wehe die Karte im Tivolihallen verändert sich. Es gibt so viele Dinge, die man unbedingt mal bestellen sollte: kalt servierter Schweinebauch mit Rotkohl; alter Stinkekäse mit Rum und kleinen Aspikwürfeln; Hering in allen erdenklichen Geschmacksrichtungen. Und das beste von allen Gerichten: eingelegter Fisch und Rückenfett auf Roggenbrot. Woah! Frischer deftiger Hering, als sanftere Komponente dann das Schweinefett, roheZwiebeln und Kapern geben dem Ganzen wieder einen neuen Kick. Das Schwarzbrot mit seiner groben Textur bringt alles wieder runter und durch den Schnaps entsteht ein wohliges Gefühl. Einfach göttlich.

Ich mag auch, wie das Gericht auf dem Teller angerichtet ist, diese DIY-Mentalität. Ähnliches habe ich auch bei einigen Gerichten im St. John versucht, am meisten sieht man das beim gerösteten Knochemark mit Petersiliensalat. Bei dieser Art des Anrichtens schwingt eine Art positive Einstellung mit, der Gast nimmt das Gericht beim Essen nicht auseinander, sondern setzt es sich quasi selbst zusammen. Wenn man einen säuberlich geschichteten Turm auf seinem Teller bekommt, gibt es immer eine unterschwellig Botschaft: der Koch denkt insgeheim, dass er dein Sandwich besser zusammenbasteln kann als du. Beim Gericht im Tivolihallen kann man sich das selbst zusammenbauen.

Seit meinem ersten Besuch in Kopenhagen hat sich viel verändert. Es gibt diesen interessanten Trend, dass Restaurants eine Stadt ausmachen. Seit dem Noma sind noch so viele dazu gekommen. Auch wenn mir der Arzt mittlerweile davon abrät, nach dem Essen noch ein süßes Stück Schokolade zu verdrücken und auch wenn ich keine absurden Aufträge mehr ausführe, schlägt mein Herz immer noch für den Hering und ich versuche jedes Mal wieder ins Tivolihallen zu gehen.

Kochlegende Fergus Henderson hat 1994 das St. John in London eröffnet. Mit seinem Nose-to-tail-Ansatz hat er einen entscheidenen Beitrag zur britischen Kochkultur geleistet.