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Sexualität

Mutige XXL-Porträts gegen die Sexualisierung von Körpern

Julia SHs Plus-Size Aktfotos unterscheiden zwischen Nacktheit und Sexualität.
Julia SH, Plus Sized. Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Dieser Artikel enthält explizite Bilder.

Die schwedische Fotografin Julia SH war schon immer ein großer Fan von Filmen des Drehbuchautors  David Cronenberg, und das nicht nur aufgrund seiner  halluzinatorischen Visuals und der nihilistischen Perspektiven, sondern vor allem wegen der Art und Weise, wie er Körper darstellte. „Die meisten meiner Lieblingskünstler haben eine Faszination für den menschlichen Körper mit all seinen Eigentümlichkeiten“, so Julia SH gegenüber The Creators Project. Am Set eines VFX-Shoots hatte SH eines Tages ein Model getroffen, und die Künstlerin war sofort von Körper und Haltung der Frau fasziniert.

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„Die Arbeit mit ihr war toll und sie strahlte viel Selbstbewusstsein aus", erzählt uns SH. Sie sprach das Model an und „nahm Fotos von ihr bewusst in Positionen auf, in denen das Gesicht nicht zu sehen war. Ich wollte die Betrachter damit ein wenig verwirren und vermeiden, dass sie das Model sofort mit dem Aussehen anderer vergleichen und es beurteilen.“ Im Ergebnis ist ihre neue Fotoreihe „+“ entstanden, die das erklärte Ziel hat, „die Schönheit und den Wert des Körpers dieses Models durch ihre Darstellung als Skulptur und Kunstwerk zu zeigen, jenseits gängiger gesellschaftlicher Beurteilung von sexueller Attraktivität.“

Es ist genau diese Denkweise, die es SH ermöglicht, ihre Arbeit von rein körperbezogenen Darstellungen zu trennen. „Es geht mir nicht um die Nacktheit an sich. Was mich viel mehr interessiert, sind die Strukturen und die Geometrie, die jeden Körper so einzigartig machen“, sagt SH. „Durch Kleider zwängen wir uns in eine Art ‘annehmbare’ Form, deswegen mache ich meistens lieber Fotos von Aktmodellen.“ Diese Denkweise wird in SAs Heimatland ganz anders aufgenommen als in den USA—ihre Arbeit zeigt die tiefe Kluft zwischen der Einstellung der US-Amerikaner und der der Europäer, was das Thema Sex angeht.

Julia SH, +

„Als ich mal mit amerikanischen Freunden einen Film gesehen habe, in dem sich in einer Szene ein etwas älterer Mann mit kleinem Bierbauch auszog, um zu duschen, war die allgemeine Reaktion ‘Ih, wie eklig!‘”, erinnert sie sich. „Das liegt wahrscheinlich an der Vorstellung, wir müssten jeden nackten Körper direkt sexuell bewerten. Hätte ich den Film mit einer Gruppe von Schweden geguckt, hätte höchstwahrscheinlich niemand dieser Szene besondere Aufmerksamkeit geschenkt.“

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Dies ist laut SH nicht nur eine Meinungsverschiedenheit, sondern ein tiefer liegendes Problem, das gelöst werden muss. „Aus der Perspektive eines schwedischen Einwanderers hat man in den USA das Gefühl, dass Nacktheit so gut wie immer im sexuellen Kontext steht, was meiner Meinung nach unglaublich schädlich ist. Es vermittelt den Eindruck, dass jeder, der sich nackt präsentiert, gefälligst auch den sexuellen Standards entsprechen soll—ansonsten hat er es nicht anders verdient als ausgelacht und verachtet zu werden.“

„Ich würde mir in den USA einen alltäglicheren, pragmatischeren Umgang mit Nacktheit wünschen“, erklärt die Künstlerin.

Julia SH, +

SH hofft, mit ihrer Fotoserie „+“ einen kleinen Beitrag dazu zu leisten. Wenn die verzerrte Körperwahrnehmung hauptsächlich durch die Medien verursacht wird, so bietet SHs Ansatz eine Lösung: „Wenn wir uns mal umschauen und uns angucken, wen wir eigentlich daten und heiraten, wird offensichtlich, dass wir mit einer viel größeren Bandbreite an Körperformen zufrieden sind, als wir es den Vorgaben nach eigentlich sein sollten. Aber weil uns in den USA durch die Medien ständig nur der eine ‚wahrhaft schöne‘ Körper präsentiert wird, fühlen wir uns hässlich und wertlos, wenn wir diesem Bild nicht entsprechen. Je mehr wir also dieses vorgegebene Bild des nackten Körpers anfechten, desto wohler werden wir uns in unserem eigenen Körper fühlen.“

Julia SH, +

Andere Arbeiten von SH zeigen ungewöhnliche Aktbilder in ebenso ungewöhnlichen Szenarien. Ihre Clusters-Fotoserie lässt mehrere Frauen zu einer Art surrealer Skulptur verschmelzen—es ist eher eine Geschichte, die verstanden werden will als ein Objekt, das sexualisiert werden soll. Im Projekt Back Attack mutiert der Rücken eines Mannes zu einem Sci-Fi-Wesen, das den Betrachter mit einem großen Fragezeichen zurück lässt. Und ihr einmaliges Foto mit dem Titel Girl stellt die echte Frau hinter dem Bilderrahmen von Johannes Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrring dar—inklusive Unterhose.

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Die meisten der von SH fotografierten Models wurden vorher noch nie nackt fotografiert, was die entstehenden Bilder umso ausdrucksstärker macht. „Es macht mir wirklich großen Spaß, Frauen zu fotografieren, die nicht realisieren, wie schön sie sind und im Nachhinein vom Ergebnis unserer Zusammenarbeit positiv überrascht sind“. Wenn SH also diese Models, die ursprünglich gar keine Aktmodelle sind, dazu bringen kann, sich in ihren nackten Körpern wohl zu fühlen, warum dann nicht auch den Rest der USA?

Julia SH, Clusters

Julia SH, Back Attack

Julia SH, Girl

Mehr von Julia SHs Arbeiten findet ihr auf ihrer Website.