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Deutsches Kulturerbe ist nicht gut genug für diese gnadenlosen Tripadvisor-Touristen

Alles scheiße hier.
Touristen auf den Treppen des Kölner Doms
Bild: Touristen auf den Treppen des Kölner Doms | Pixabay, music4life | Gemeinfrei

Wer braucht schon echte Erfahrungen, wenn man jedes Erlebnis auch über die Bewertungen im Internet antizipieren kann? Einer gnadenlosen Kritiker-Armee auf Bewertungsportalen wie Tripadvisor nach zu urteilen, sieht es ganz düster aus für das deutsche Kulturerbe.

Der geballten digitalen Schwarmintelligenz ist schon vorher alles klar: Du weißt im Detail was passiert und was auf dich zukommt. Um dann ganz ehrlich festzustellen: zu Hause ist es doch am Schönsten.

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Selbstverständlich sind die Rezensionen nicht einfach nur zynische Kritik. Vielmehr sind sie geschmackssichere Warnungen, die andere Reisende vor eigenen Fehlern und Sackgassen bewahren sollen. Niemand sollte in die selbe Falle tappen wie der italienische Tourist, dem kein Schild das Tragen von Stiefeln empfohlen hat und der daher völlig unvorbereitet in Flipflops am Steilhang der Zugspitze stand.

Hier sind die gnadenlosesten Reviews für deutsche Touristenattraktionen, die nach bitterer Enttäuschung, Desillusionierung und vielleicht auch ein bisschen süßer, virtueller Rache für die unermessliche Unmenschlichkeit des deutschen Kulturerbes schmecken.

Schloss Neuschwanstein (Hohenschwangau):

Furchtbar. Schrecklich. Geht es um das „kitschige" Schloss Neuschwanstein, kochen die Emotionen schon mal über. Bei Tripadvisor zeichnen 70 Ein-Stern-Bewertungen ein vernichtendes Bild des vermeintlichen Märchenschlosses: „Das ist keine Führung, das ist Joggen in der Gruppe", echauffiert sich ein User. Auch die „langsamen" Pferdekutschen mit „unfreundlichen" Fahrern tragen nicht dazu bei, das Erlebnis am und im Schloss überhaupt auch nur im Ansatz genießbar zu machen.

Ganz allgemein raten virtuelle Experten vom Besuch ab: „Das Traumschloss ist ein Albtraum!" Denn der faule, verrückte Ludwig II. hat sich ja erdreistet, noch nicht mal die Inneneinrichtung fertigzustellen. Und so kann man nur wenige der Räume besichtigen, und selbst die sind hässlich: „Das sieht ja aus, als wär es vor zehn Jahren gebaut worden".

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Schlimmer noch: „Man kann das Schloss überhaupt nicht so sehen wie auf den ganzen Postkarten abgebildet!" Das bedeutet laut unseren Informanten dann also, dass die Hubschrauberfahrt über dem Schloss nicht inklusive ist. Als wäre das noch nicht schlimm genug, werden die Touren und die Schloss-Führer durch die Bank weg als unfreundlich abgekanzelt. Alles in allem also „zu viele Chinesen, zu teuer und Tour nicht sehenswert", bilanziert ein Pariser Fachmann.

Kölner Dom (Köln):

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Bild: Pixabay, music4life | Gemeinfrei

Zum Glück für alle Reisefreudigen mit Internetanschluss werden die Ein-Punkt-Rezensionen von Menschen geschrieben, die sich auskennen. Den dreckigen Kölner Dom kann man sich nämlich auf jeden Fall sparen, wie diese wunderbar neutralen Reviews mit kaum durchscheinender Arroganz bezeugen:

„Da ich nun mal aus einem Land voller wunderschöner und historischer Architektur komme, sind wir natürlich verwöhnt, aber das hier war wirklich enttäuschend und uninteressant und fühlte sich total unwichtig an."

Außerdem sei das „graue Monster" ein „Beweis der ungeheure Macht der Katholische Kirche und der scheusliche geschmacklose Architektur" (sic). Schon Heinrich Heine hätte sich völlig zu recht darüber aufgeregt. „Daran ist nichts Schönes und Interessantes".

Er hat außerdem einen „sehr schlechten Jungschor", wie ein britischer Tourist bemerkt, dem jetzt noch die Ohren klingeln angesichts dieser schrecklichen Kakophonie.

Und dann auch dieses ätzende Kulturleben! „Mein Besuch wurde vollständig vom Rosenmontagskarneval ruiniert". Ja, könnte die Kirche da nicht mal wieder ein bisschen den Inquisitiosmuskel spielen lassen? Tanzverbot, wann immer Touristen ihre Sakralbauten beschauen wollen wäre ja schon mal eine Maßnahme. „Hundert Meter weiter stehen Jugendliche mit Bierflaschen in der Hand und Skateboards! Eine Schande", findet ein Slowake.

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Doch es gibt auch konstruktive Verrisse, die gleich mit ein paar bautechnischen Vorschlägen einhergehen. Der „billige" Dom bräuchte demnach nicht nur einen neuen Anstrich, sondern auch ein paar Flutlichter und eine energetische Auspendelung: Denn dort spürt Heidi aus der Schweiz gleich „negative Schwingungen, es ist zu dunkel". Und eine Heizung wäre von Nöten, denn: „Es ist kalt". Dank der Dom-Aufpasser kann man nicht mal seine Brezel essen und seine Mütze auflassen. Elende Konventionen. „Der ganze SCHEISS da, du. Ey alter es ist HERBST. Also aufpassen!" Aufpassen: Immer ein guter Rat.

Gewohnt klare, zusammenfassende Worte findet ein deutscher Tourist: Der Dom sei nichts weiter als „eine Ansammlung von Dreck, Müll, Blitzlichtern und herumpöbelnden Menschen". Nimm das, Köln.

Brandenburger Tor:

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Bild: Pixabay, werner22brigitte | Gemeinfrei

„Ein Verkehrshindernis!" Was ist das denn für ein Betrug, das Ding hat ja nicht mal Türen und nennt sich Tor. Die Besucher sind sehr enttäuscht: „Tolle Architektur, aber ein Tor ist das sicher nicht!"

„Nicht mit mir!!!!!" brüllt MaSeitalia das Tripadvisor-Forum an. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie es passieren konnte, aber er oder sie hat jedenfalls zwölf Euro für eine „Eintrittskarte" bezahlt. Und dann noch vier Euro für ne Flasche Wasser. Also, so nicht!

Insbesondere britische Touristen finden das Brandenburger Tor richtig, richtig scheiße: „Das ist ja die hauptsächliche Funktion von gefeierten Monumenten in Europa: Sie sind Magneten, bei denen man von ekelhaften Verkäufern bei lebendigem Leib gehäutet wird, die absolut verkotzten, mülligen Dreck zu überteuerten Preisen verkaufen."

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Zugspitze:

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Bild: Pixabay, fcstpauliforever | Gemeinfrei

Hätte man das dem italienischen Reisenden mal vorher gesagt, dass diese vermaledeite Zugspitze so unwegsam ist. Dann hätte er vielleicht Stiefel eingepackt. Aber so kam er total unvorbereitet und stand ratlos in Schlappen am Hang, ganz klar ein Fall der verfehlten Informationspolitik und der miesen Organisation von Seiten des deutschen Fremdenverkehrsamts.

Aber das Schlimmste erwartet den Besucher ja erst, wenn er mit der „viel zu langsamen" Bahn nach oben fährt: Denn der höchste Berg Deutschlands ist „Zu gefährlich—es ist sehr steil."

Die Seilbahn („Überfüllt—alles ist voller Touristen!!!!") fährt eine Weile durch einen Tunnel und der interessierte Besucher kann frecherweise „während diesem potentiell interessantesten Teil der Fahrt absolut nichts sehen!" Aber immerhin, so vermerkt die Schwarmintelligenz, kann man mit einer Webcam ein Bild von sich selbst in der Kabine ergattern. Einmal oben angekommen, erwartet den Reisenden ein banales Nullachtfuffzehn-Alpenpanorama: „Andere Schweizer Gipfel haben eine vergleichbare Aussicht". Aber es ist ja oben eh „entweder wolkig oder total überlaufen", also kann man sich die Gipfelfahrt gleich sparen.

Eine amerikanische Touristin weiß, wo das Problem liegt: Mangelnde Sicherheitsvorkehrungen, wie so häufig in Deutschland. „Uns wurde schwindelig von der Höhe". Sie schlägt eine warnende Beschilderung vor, die in Deutschland, wie wir alle wissen, tatsächlich viel zu spärlich gesät ist.

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Doch ihr unerschütterlicher Pragmatismus erweist sich als konstruktiv: „Ich empfehle die Livecam auf der Website, statt dafür zu zahlen." Ich empfehle die Alpenpanorama-Sendungen auf Servus TV—die senden nämlich ausschließlich, wenn die Sonne scheint.

Schloss Sanssouci (Potsdam):

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Bild: Flickr, Wolfgang Staudt | CC BY 2.0

Das Lustschloss von Friedrich II. vor den Toren Berlins ist überhaupt kein deutsches Versailles, wie die enttäuschten Rezensenten feststellen. Besonderen Anstoß nimmt man am völlig undurchschaubaren Ticketsystem, an der Tatsache, dass man nur sechs Räume besichtigen kann und eigentlich auch an allem anderen (bis auf den Garten, den mögen alle).

Die Reviews sind ungefähr so kurz angebunden wie die unhöflichen Tourguides und bringen die Sache mit knackigen Beschreibungen auf den Punkt: „Dreckig", „scheiße", „zu klein", „enttäuschend", „habe mich verarscht gefühlt", „eine elende Abzocke" und „durch die Gänge kann man sich nur mit Ellenbogen fortbewegen." (letzteres hat der Rezensent immerhin erfolgreich ausgetestet).

Mahnmal für die ermordeten Juden Europas (Berlin):

Kommt überhaupt nicht gut weg, insbesondere beim internationalen Publikum, sofern es das Mahnmal nicht zufällig als Selfie-Spielwiese neu entdeckt:

„Die Berliner bestrafen sich selbst damit… ein schreckliches Kunstwerk", gibt sich ein Tourist entsetzt. Andere stören sich an der skandalösen Monotonie des verwendeten Materials: „Da ist man besser bestellt, zuhause den lokalen Steinmetz oder Porzellanladen zu besuchen, da gibt es wenigstens etwas mehr Auswahl", schreibt Yerevan75 aus Mailand desillusioniert. Hatte er sich doch ein wahres Mineralienfeuerwerk versprochen und dann ist die Erinnerung an den Holocaust so grau!

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Besonders interessant fallen in diesem Fall die Rezensionen der Deutschen aus, inklusive einem wunderbar wieseligen Totschlagargument irgendwo zwischen latenter Xenophobie, Sparsamkeit und vermeintlicher Anteilnahme am aktuellen Zeitgeschehen: „Wenn man sieht was auf der Welt auch gerade jetzt passiert, sollte man einmal darüber nachdenken, ob dieses Denkmal sinn macht. Das Geld hätte man sinnvoller verwenden können." (sic)

Mir fehlt die Begeisterung.

Erstaunlich ebenfalls, wie viele städteplanerisch engagierte Berlin-Besucher es gibt, die sich um eine Überfüllung unserer Hauptstadt sorgen—denn ganz besonders problematisch finden viele Rezensenten die schiere Größe des Mahnmals und die damit einhergehende massive „Platzverschwendung".

Mal ehrlich, können wir nicht endlich mal einen Schlussstrich unter diese ärgerliche Holocaust-Sache ziehen, mit der man hier ständig konfrontiert wird? Denn „es gibt doch schon die Konzentrationslager, das reicht doch als Mahnmal"— hätte es hier nicht auch ein etwas kleineres Andenken getan? Vielleicht eine Vase oder eine Plakette?

„Nichts verpasst nur Steuergelder aus dem Fenster geworfen" (sic), findet auch ein aufrechter Chemnitzer. Hätte man doch mal locker ein bis zwei Einkaufszentren hinbauen können, aber nö. Daher bilanziert ein anderer ganz pragmatisch: „Muss man sich nicht antun."

Und eine junge Mutter hadert letztlich mit dem Entertainment-Faktor, weiß aber auch, wo es hakt: „Mir fehlt… die Begeisterung. Für Kinder wunderschön zum tollen, verstecken. Hat ja doch einen guten Nutzen." (sic)

Es gibt eben überall Lichtblicke.