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Keine Macht den Drohnen

Wir haben uns mit der führenden Anti-Drohnenkämpferin Madea Benjamin über die politischen Alternativen, die unnötigen Opfer und über den neuen Widerstand in den USA und in Deutschland gegen den ferngesteuerten Krieg unterhalten.

via Wikimedia.

Der US-Drohnenkrieg fordert nach wie vor viele unschuldige Opfer—selbst nachdem Osama bin Laden und weitere Tausende vermeintliche Terroristen getötet wurden. Auch Deutschlands Komplizenschaft in diesem geheimen Krieg wurde vor kurzem aufgedeckt. Doch der ungezügelten Kriegsmaschinerie stellt sich mittlerweile ein wachsender weltweiter Widerstand entgegen. In Stuttgart demonstrieren heute hunderte Aktivisten vor dem dortigen Afrikakommando der US-Streitkräfte (AFRICOM), welches verantwortlich ist für die Koordination zahlreicher Angriffe der unbemannten Flugobjekte.

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Ich habe mich mit Medea Benjamin, einer der führenden amerikanischen Vertreterin der Anti-Drohnenbewegung, getroffen und mich mit ihr über den US-Drohnenkrieg, die deutsche Rolle in diesem Konflikt und die Zukunft der Anti-Drohnenbewegung unterhalten. Medea ist eine kleine, zierliche Person, die unter ihrem Business-Jackett meist eine pinke Bluse trägt. Abgesehen von der subtilen Suggestion, dass es sich hier wohl um einen Menschen handelt, der eigene Vorstellungen hat und diese auch zu vertreten weiß, ist das Pink ein Verweis auf CODE-PINK, die von ihr mitbegründete Aktivistengruppe.

Die Rede von Barack Obama zur nationalen Sicherheit, wollte nicht jeder unwidersprochen stehen lassen.

Ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gelangte Medea, als sie US-President Obama während seiner Rede zur nationalen Sicherheit der USA mehrmals mit lautstarken Zwischenrufen unterbrach:

Werden sie sich bei den tausenden Muslimen entschuldigen, die sie getötet haben? Werden sie die Familien unschuldiger Opfer entschädigen? Das würde unser Leben sicherer machen.

Via Wikimedia

Ich begegnete Medea das erste Mal bei einem Vortrag der Rosa Luxemburg-Stiftung. Im grünen Salon der Berliner Volksbühne sprach sie über ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt – den Drohnenkrieg der USA. Zu diesem Thema, das in diesem Jahr auch in den deutschen Medien eine kurze Blütezeit erlebte, hat sie ein Buch geschrieben, dass nun auch auf Deutsch erhältlich ist unter dem Titel Drohnenkrieg – Tod aus heiterem Himmel – Morden per Fernbedienung.

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Darin geht es um die Obsession des amerikanischen Militärs mit einer neuen Technologie, die einen Krieg ohne Risiko verspricht. Innerhalb von etwas mehr als zehn Jahren haben militärische Drohnen eine verblüffende Entwicklung durchgemacht. Hatte das US-Militär im Jahr 2000 weniger als fünfzig Drohnen, so sind es heute mehr als 8.000 Stück. In Zukunft werden die „unbemannten Luftfahrzeuge“ den Großteil der US-Luftstreitkräfte ausmachen. Vor diesem Hintergrund sagte der ehemalige amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates voraus, dass der 500 Millionen Dollar teure F-35 das letzte bemannte Kampfflugzeug der USA sein würde.

Medea Benjamin via Laika Verlag.

Es geht aber auch um die Opfer der Angriffe und die Art und Weise wie der Drohnenkrieg ihr Leben in ein Dasein in ständiger Angst verwandelt hat. Medea möchte diesen Menschen ein Gesicht geben. Denn ein wichtiger Punkt des Drohnenkrieges ist, dass die umfassenden Konsequenzen dieses Krieges in weite Ferne rücken, und zwar sowohl für die ausführenden Drohnen-Piloten, als auch für die entscheidenden Politiker und besonders für die immer ahnungslosere und weiter abstumpfende Öffentlichkeit.

Unverständnis seitens der Mainstream-Medien: You just seemed a little crazy."

In einem Interview sagte Peter W. Singer, ein führender Militärexperte und Autor von Wired for War – The Robotics Revolution and Conflict in the 21st Century, dass die zunehmende Nutzung von Robotik im Militär die politischen Entscheidungsträger dazu verleiten könnte, die Hemmschwelle für kriegerische Konfliktlösungen immer weiter herabzusenken. In einem Memorandum an President Obama machte Singer deutlich, dass eine militärische Doktrin über die Nutzung von Drohnen für die Zukunft unerlässlich ist.

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Abgesehen von den USA haben noch weitere 86 Länder Drohnen, von diesen arbeiten 15 an der Bewaffnung ihrer Flugapparate. Hinzu kommt, dass asymmetrische Konflikte und sogenannte „fragile Staaten“, von denen die meisten heute in Afrika liegen, in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit häufiger auftreten werden, was wiederum die Nutzung von Drohnen gegen nicht-staatliche Akteure (Terroristen, Milizen, Piraten etc.) immer wahrscheinlicher macht.

Peter W. Singer beschreibt die Konsequenzen der robotischen Revolution innerhalb des Militärs.

Die prognostizierte Zunahme an asymmetrischen Konflikten mit nicht-staatlichen Akteuren, hat auch die Bundeswehr dazu veranlasst, verstärkt auf Drohnen zu setzen. Zwar ist die Einführung einer deutschen Version der Überwachungsdrohne „Global-Hawk“ an Zulassungsproblemen gescheitert, doch das bedeutet noch lange nicht das endgültige Aus für Kampfdrohnen. In den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag wurde die Frage, ob und in welchem Ausmaß Kampfdrohnen in die Bundeswehr integriert werden, bewusst offengelassen.

Ich liebe mein Land. Und ich liebe Rechtsstaatlichkeit. Drohnen machen unser Leben gefährlicher.

Klar ist aber, dass Deutschland am „Projekt Kampfdrohnen“ festhalten will. Das wird auch im Planungspapier der deutschen Luftwaffe Luftmacht 2030 deutlich. Dort heißt es: „Die Nutzung und Weiterentwicklung unbemannter Luftfahrzeuge ist in allen Bereichen der Aufklärung-Führung-Wirkung und Unterstützung zu optimieren und deren Einsatzspektrum auszuweiten.“

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Ähnlich äußerte sich auch Chef der deutschen Luftwaffe Generalleutnant Karl Müllner, als er mit einem Verweis auf mögliche Zukunftseinsätze der Bundeswehr im Ausland warnte: „Der Appetit der Politik wird abnehmen, solche Einsätze wie Afghanistan zu wiederholen,“ sollte die Bundeswehr den Anschluss an die Drohnenaufrüstung verpassen.

Deutsche Drohnenfantasie—nur bedingt startklar: Der Euro-Hawk (via Wikimedia)

Das Deutschland schon längst in den Drohnenkrieg der USA verstrickt ist, zeigt die Recherche von Geheimer-Krieg. In einer ARD Sendung des Panorama-Magazins wurden die Verbindung zwischen US-Drohnenangriffen in Afrika und Deutschland offengelegt. Dabei fungiert das AFRICOM in Stuttgart als Kommandozentrale für alle militärischen Operationen in den Krisenregionen Afrikas. Dazu zählen zum Beispiel auch Drohneneinsätze in Somalia. Kommt es zu einem Einsatz, werden dann von Ramstein aus die stattfindenden Operationen im AOC (Air and Space Operation Center) in Echtzeit überwacht und koordiniert. Dabei verbleibt der eigentliche Drohnen-Pilot in den USA.

Können sie den Muslimen sagen, dass ihr Leben so wertvoll ist wie unseres? Können sie der CIA die Drohnen wegnehmen? Können sie die gezielten Schläge beenden, die Menschen nur aufgrund von verdächtiger Aktivitäten töten?

Auf Medeas Reiseplan für Deutschland steht daher auch Stuttgart. Dort hat sie heute mit deutschen Mitstreitern des globalen Anti-Drohnenkampfes vor dem AFRICOM demonstriert. Zuvor am Freitag wollte sie einen Brief an Angela Merkel überreichen mit der Bitte, Deutschland solle sich nicht am Drohnenkrieg der USA beteiligen. Natürlich wurde nichts aus diesem Treffen. Ich habe Medea für ein Gespräch getroffen und mich persönlich davon überzeugt, dass die quirlige Aktivistin noch lange nicht genug davon hat, die mächtigesten Staatsoberhäupter dieser Welt herauszufordern.

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Motherboard: Medea, wie war dein Empfang hier in Deutschland?

Madea Benajmin: Es war wundervoll. Ich hatte anregende Begegnungen mit Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen sowie mit Abgeordneten der Linken und Grünen. Ich war bei vielen öffentlichen Veranstaltungen und es hat mich sehr ermutigt, dass die deutsche Öffentlichkeit ein starkes Bewusstsein bezüglich Drohnen und Drohnen-Aufrüstung hat.

Eine gemeine Frage zum Warmwerden: Warum sollte man den globalen Kampf gegen Drohnen unterstützen? Ist es nicht so, dass uns die Drohnen schützen?

Im Jemen wurde vergangene Woche eine ganze Hochzeitsgesellschaft in die Luft gejagt. Wenn du denkst, dass es dich schützt, wenn 15 Leute auf dem Weg zu einer Hochzeit in die Luft gejagt werden, dann solltest du dein Verständnis vom Schutz besser gründlich überdenken.

Wir sind es, die Terroristen erschaffen. Wir benehmen uns wie Terroristen. Wir benutzen Waffen des Terrors. Eine Drohne fliegt so niedrig, dass man das Geräusch ihres Propellerantriebs hören kann, ohne sie zu sehen. Die Menschen in den sogenannten „Zielländern“ leben in ständiger Angst, dass eine Rakete sie erwischen könnte – ohne zu wissen wann oder wo.

Ich kann mir so ein Leben nicht vorstellen. Wenn wir aber an das Rechtsstaatlichkeit unserer Demokratie glauben, müssen wir auch so handeln, und nicht wie die Mafia Leute abschlachten.

via DroneWarsUk.

Das Bild der Mafia passt zu einem Zitat von Chomsky, das ich kürzlich gelesen habe.    

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Ja, es ist gut, dass er das gesagt hat. Der Drohnenkrieg wird auf die undemokratischste Weise, die man sich nur vorstellen kann, geführt. Nicht nur, dass sich das Weiße Haus erdreistet, die Rollen von Ankläger, Richter, Geschworenen und Henker auf sich zu vereinen, die Leute tut dies auch hinter dem Rücken der eigenen Bevölkerung.

Die Weltmacht operiert nach dem "Mafia-Prinzip" US-Drohnenkrieg ist bei weitem die größte und destruktivste Terroroperation. (Noam Chomsky)

Aber was könnte Obama tun, um den Drohnenkrieg zu beenden?  

Er müsste einfach nur sagen: „Wir hören auf!“ Ich denke aber nicht, dass er die Überwachungsdrohnen aufhalten könnte, die Killer-Drohnen aber schon. Er könnte aber noch was anderes tun; Er könnte auf die sogenannten „siganture-strikes“ verzichten. Diese töten Menschen einfach auf der Basis verdächtigen Verhaltens.

Ich meine, sieh dich doch selbst an. Du bist ein junger Mann mit einem Bart, für manche siehst du ziemlich verdächtig aus. Verstehst du, was ich meine? In den USA nennen wir das „racial profiling“, wenn jemand aufgrund seines Alters, Geschlechts, oder seiner geografischen Herkunft markiert wird.

Ich habe gehört die Bezeichnung „militant“ wird als Sammelbezeichnung benutzt, um Menschen ohne eindeutige Beweise aus der Luft zu töten?

Jede männliche Person im diensttauglichen Alter, die sich in der Zielregion aufhält, ist per Definition ein feindlicher Kämpfer („militant“). Und wer sind diese Menschen? Wir wissen es nicht. Die Regierung weigert sich, konkrete Informationen herauszugeben.

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Im Jemen habe ich eine Familie besucht, deren drei Söhne der Al-Qaida angehören. Natürlich hat man sie zu den feindlichen Kämpfern gezählt, obwohl sie nichts mit den USA zu tun hatten. Sie kämpften gegen ihre eigene korrupte Regierung. Das gibt den USA aber noch lange nicht das Recht, sie zu töten.

Wer sind die Feinde des Drohnenkrieges? 

Du hast die sogenannten „Zielgebiete“ besucht. Wie ist die Situation vor Ort?

Diese Plätze sind sehr gefährlich. Gefährlich weil militante radikal-islamistische Gruppen oft versuchen, die Scharia durchzusetzen und die Mehrheit der Menschen darunter leidet. Gefährlich aber auch, weil die USA Drohnenangriffe fliegen lässt. Deshalb leben die meisten Menschen in ständiger Angst. Außerdem sind die Drohnen das beste Rekrutierungsmittel für Al-Qaida. Im Jemen gab es 2009, als die US-Drohnenangriffe begannen, etwa 100 Al-Qaida Mitglieder, heute sind es an die Tausend.

Wir sind der Garant für die permanente Angst, in der sich diese Menschen wiederfinden. Anstatt auf bessere Polizeimaßnahmen, Gefangennahmen und Verhandlungen zu setzen, agieren wir als Schrecken aus der Luft. Dabei finden die meisten Kriege und die meisten terroristischen Vereinigungen ihr Ende durch Verhandlungen oder durch die Wiedereingliederung in ein funktionierendes politisches System.

Nur 2 Prozent der durch Drohnen getöteten Menschen standen auf der Liste mit der höchsten Priorität. 98 Prozent waren niedere Al-Qaida- oder Talibanmitglieder, bei den meisten handelte es sich um Unschuldige.

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Die Menschen in den Zielregionen haben Angst, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Sie haben Angst, auf Märkte zu gehen. Und jetzt haben sie noch mehr Angst, sich auf Hochzeiten oder Beerdigungen blicken zu lassen. Der Drohnenkrieg zerstört den Zusammenhalt der dortigen Gesellschaften. Man vertraut nicht einmal den eigenen Nachbarn. Alle verdächtigen sich gegenseitig. Wir benutzen Terror in unserem Kampf gegen den Terror.

Wounds of Waziristan zeigt das Leid der Opfer des Drohnenkrieges.

Wird der Drohnenkrieg auf lange Sicht institutionalisiert werden?

Er wurde schon längst institutionalisiert. Es gab zwar Gerüchte, dass der Präsident die Drohnen aus den Händen des CIAs nehmen würde, aber bis jetzt ist das noch nicht geschehen.

Warum ist der CIA so wichtig?

Ich glaube, weil er sich vor allem in Pakistan tief in die Gesellschaft eingegraben hat. Und nun behaupten diese Menschen, dass sie unersetzlich sind, für die Identifizierung der menschlichen Ziele des Drohnenkrieges. Dem US-Militär fehlt diese Präsenz vor Ort. Dennoch ist das, was der CIA vor Ort geleistet hat, dafür verantwortlich, dass mindestens 90 Prozent der Menschen in Pakistan die USA hassen.

Wie ist die gegenwärtige Situation in Pakistan? Ist das pakistanische Militär nicht zu stark an die Interessen der USA gebunden, um ein Nachlassen der Drohnenangriffe zu zulassen?

Um es mit dem Bild der Mafia auszudrücken: Die USA haben das große Geld und sie sagen der pakistanischen Regierung einfach, was sie zu tun und zu lassen hat, trotz der zunehmenden Stimmen gegen den US-Drohnenkrieg.

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Auch das Militär ist von amerikanischer Unterstützung abhängig. Chuck Hagel ist erst kürzlich nach Pakistan gereist und hat den Generälen gesagt: „Bleibt lieber in Reih und Glied, wenn ihr was von den 1,6 Milliarden Dollar sehen wollt, die wir euch jedes Jahr bereitstellen“. Weil Pakistan ein armes Land ist und weil die Korruption auf allen Ebenen vorkommt, will man natürlich, dass das Geld weiterfließt. Auf der anderen Seite will man, dass die Drohnenangriffe aufhören, deswegen guckt man im entscheidenden Moment weg.

Die Menschen tun dies aber schon lange nicht mehr, was die pakistanische Regierung und das Militär in eine ziemlich schwierige Situation bringt. Die Regierung fragt sich, was sie tun soll: Soll sie sich nach der Stimmung in der eigenen Leute richten, oder soll sie das tun, was der große Bruder aus den USA verlangt.

Wie haben Drohnen das US-Militär verändert?

Wir bilden derzeit bereits mehr Piloten für Drohnen aus als für konventionelle Kampfflieger. Wer Pilot werden kann, hat sich ebenfalls verändert. Heute sind das meist jüngere Leute, die mit einer Affinität für Videospiele aufgewachsen sind. Dieses Play-Station-Verständnis vom Krieg wird jetzt auf die Realität übertragen.

Diese neuen Piloten brauchen nicht mehr die lange Erfahrung, die für Piloten früher unabdingbar war. Und auf eine sehr perverse Art und Weise macht es diese neue Situation möglich, dass die Drohnen-Piloten eine Beziehung zu ihren Opfern aufbauen können. Anders als die traditionellen Kampfflieger, die vorbeiflogen und ihre Bomben abwarfen, verbleiben diese neuen Krieger für lange Zeit in der Nähe ihrer Ziele. Diese werden ausgespäht und erkundet. Ein Drohnen-Pilot kann zum Beispiel die Familie einer Zielperson über die permanente Beobachtung am Bildschirm recht gut kennenlernen, aber irgendwann wird er den Feuerbefehl kriegen und sie töten

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Drohnen-Piloten bei der Arbeit via Wikimedia.

Gibt es wirklich eine Drohnen-Lobby in den USA?

Oh ja, dies Vereinigung trägt das Akronym AUVSI (Association for Unmanned Vehicle Systems International) und ist sehr mächtig. Diese Lobby ist das Sprachrohr für tausende Firmen, die im Drohnen-Business mitmischen. Sie haben sogar eine Vertretung im Kongress bestehend aus Demokraten und Republikanern. Die meisten Vertreter stammen aus Regionen, in denen Drohnen produziert werden.

Diese Lobby war maßgeblich an der Öffnung des amerikanischen Luftraums für Drohnen zum September 2015 beteiligt. Außerdem hat sie Druck auf die FAA (Federal Aviation Administration) ausgeübt, die Regularien für Drohnen zu lockern. Diese Lobby setzt sich nicht nur für den Gebrauch der Drohnen außerhalb der USA ein, sondern auch verstärkt für die Nutzung der Drohnen im Inland durch Polizei, FBI und Grenzschutz.

Ein Werbevideo der AUVSI zeigt die vielfältigen Möglichkeiten unbemannter Fahrzeuge.

Denkst du, die verstörende Vorstellung einer bewaffneten Überwachungsdrohne, die von einem Polizeibüro in den USA gesteuert wird, ist für die Zukunft denkbar?

Nun ja, Drohnen können auch sehr klein und sogar niedlich aussehen. Die Drohnenindustrie hat nach den Anschlägen von Boston sofort behauptet, die Täter hätten durch den Einsatz von Drohnen schnellstmöglich gestellt werden können. Ich glaube, man kann sich immer schöne Geschichten ausdenken, etwa wie die vom alten Mann, der an Alzheimer erkrankt ist und verloren durch die Stadt irrt, dann aber von einer freundlichen Drohne aus deiner Nachbarschaft wiedergefunden wird.

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Doch wo zieht man die Grenze? Wenn man der Polizei erst mal erlaubt, die eigene Privatsphäre mit  Füßen zu treten und Drohnen, die durch Häuserwände sehen können und mit Wärmesensoren und Gesichtserkennung gespickt sind, zu verwenden, betritt man ein selbstgeschaffenes Minenfeld.
 
Was denkst du über das Amazon-Projekt „Prime-Air“?

Auf der einen Seite denke ich, dass es total blödsinnig ist. Wir leben doch sowieso in einer auf die Spitze getriebenen Konsumgesellschaft. Also: Einfach hoch mit dem Arsch! Raus aus dem Haus! Hol dir das, was du brauchst. Geschäfte gibt’s im Überfluss.

Natürlich gibt es auch manchmal Fälle, wo die Logistik zum Problem wird. In meinen Augen machen Drohneneinsätze in humanitären Zusammenhängen durchaus Sinn. Aber wie verdient man Geld mit humanitären Einsätzen? Das große Geld lässt sich nur mit kommerziellen Einsätzen machen. Und das ist das Problem. Natürlich habe ich nichts gegen Drohnen, die Pizzas liefern. Es erscheint mir zwar reichlich idiotisch und ich glaube nicht, dass wir es brauchen, aber ich bin nicht dagegen. Solange es Pizzen statt Bomben regnet, bin ich damit einverstanden. 
 
Wie organisiert man den Widerstand und was hoffst du für die Zukunft?

Ich denke, das Wichtigste ist ein Wandel der öffentlichen Meinung. Hinzu kommen die Proteste, die wir initiieren. Die Proteste vor den Militärbasen, vor dem CIA-Hauptquartier und vor den Büros der Drohnenhersteller helfen dabei, mediale Aufmerksamkeit zu schaffen und es ist ein wichtiger Teil bei der Beeinflussung der öffentlichen Meinung.

Mede Benjamin bei einer Anti-Kriegsdemo in Washington 2007 (via Flickr: Elvert Barnes).

Ich bin mir sicher, dass wir diese Politik herumreißen können. Und ich glaube der positive Ausblick ist der, dass die Menschen überall auf der Welt endlich anfangen zu verstehen, dass es keine Rolle spielt, wer im Weißen Haus sitzt. Es spielt keine Rolle, ob George Bush oder ein netter Afro-Amerikaner mit seiner Bilderbuchfamilie im Weißen Haus sitzt. Was zählt ist, ob die Bevölkerung mobilisiert und genügend informiert ist, um ihre Regierung dazu zu zwingen, das Richtige zu tun. Ich denke, wir erleben derzeit die Wiederbelebung einer Bewegung, die mit dem Antritt Obamas an Fahrt verloren hatte und die jetzt auch im Falle der Wahl einer Frau zur ersten Präsidentin der USA nicht an Kraft einbüßen wird.

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