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Vertrieb einer Designrevolution

3D-Druckverfahren versprechen Big Business und gleichzeitig produzieren sie heute schon günstige Handprothesen. Wir haben uns mit Alexander Hafner, der MakerBot vertreibt, unterhalten, und uns den Druck der RoboHand demonstrieren lassen.

Der Replicator 2 von Makerbot druckt Teile der Robohand (Bild: Max Thesseling)

Die Möglichkeiten, die 3D-Drucker bieten, sind unendlich. Das meine ich wörtlich. Denn die Idee vom 3D-Drucker, der einen 3D-Drucker druckt, der einen 3D-Drucker druckt usw…— treibt mich seit einigen Tagen in den Wahnsinn. Die unendliche Kette sich selbst reproduzierender Maschinen erinnert mich irgendwie an eine postmoderne unendliche Matrjoschka-Kette oder an Unendlichkeitselefanten.

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Natürlich ein kleiner Mindfuck, aber wenn man sein eigenes Bild als Plastikfigur im Supermarkt drucken lassen kann, darf man sich innerlich auch mal einen Spiegel vor den Spiegel stellen. Oder aber man lässt diese Spielereien einfach bleiben und widmet sich Sinnvollerem.

Richard van As, der gemeinsam mit Ivan Owen die RoboHand entwickelt hat, ist wohl eines der besten Beispiele wie man kommerziell erhältliche 3D-Drucker sinnvoll nutzen kann. Seit er bei einem Arbeitsunfall vier Finger verloren hatte, war er von der Idee getrieben, eine günstige Prothese für sich selbst herzustellen. Van As bestellte sich zahlreiche Prothesenteile, probierte Verschiedenes aus und war mit nichts zufrieden. Das Meiste war ihm auch einfach viel zu teuer. Prothesen wie der X-Finger zum Beispiel kosten rund 10.000 $ pro Stück. Als ein Video von Iwan Owens mechanischer Hand viral wurde, wurde van As darauf aufmerksam. Der Requisitenbauer hatte die Hand eigentlich für eine Science Fiction-Convention konzeptioniert.

Richard van As baut in seiner Werkstatt in Südafrika am RoboHand. (Bildrechte: MakerBot / RoboHand)

Van As nahm Kontakt auf und bald kooperierten die beiden über zwei Kontinente hinweg und schickten Designpläne hin und her. Ein Versand von Prothesenteilen von Afrika nach Amerika wäre auch viel zu langwierig gewesen. So designte Owen und van As druckte die Vorlagen vor Ort auf seinem Drucker aus, probierte sie direkt und konnte gleich Feedback geben. Van As und Owen dokumentierten ihren Arbeitsprozess auf ihrer Facebook-Seite und bekamen bald die erste Anfrage zur RoboHand und mit Liam, ihren bis jetzt wohl bekanntesten „Kunden".

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Wegen des Amniotischen-Band-Syndroms ist Liam ohne Finger an der Hand geboren. Steuerbar wird die RoboHand für ihn einfach durch eine Handgelenksbewegung. Wenn Liam wächst, kann die RoboHand einfach reskaliert und neu gedruckt werden. So verhält es sich auch mit Ersatzteilen. Geht etwas kaputt, druckt man es einfach noch mal aus. Das Open Source Design dazu findet man in Thingiverse.

LIAM and his Hand

Die Nachfrage ist groß, nicht nur in Afrika. In Amerika wird sogar eine RoboHand Klinik eröffnen. In Atlanta hat die Ergotherapeutin Tyhanna Esham dafür eine Crowd Funding Kampagne gestartet. Sie möchte den Leuten dort die Möglichkeit geben die RoboHand herzustellen, anpassen zu lassen und den Umgang damit zu trainieren.

Einerseits ist das 3D Druck Business eine Milliarden Dollar schwere Industrie und manche Entwicklung bleibt so exklusiv finanzstarken Forschungslaboren überlassen, andererseits schafft es Zugang zu prothetischen Hilfsmitteln für finanziell Schwache.

Um mehr über den aktuellen Status in der Verbreitung der 3D Druck-Technologie zu erfahren, die Big Business und Demokratisierung von Design in einem verspricht, habe ich mich mit Alexander Hafner unterhalten. Er beschäftigt sich seit 25 Jahren mit Designproduktion am Computer, innovativen Wegen des Prototyping und verteibt MakerBot in Zentraleuropa. Für die MAKETECHX ist er nach Berlin gekommen, wo er auch den Druck der RoboHand live demonstriert hat.

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VICE: Wie viel kostet die RoboHand denn konkret? 

Alexander Hafner: Die Druckkosten errechnen sich durch den Kunststoffverbrauch und der liegt bei sechs Cent pro Gramm. Ich weiß nicht genau wie schwer die Robohand ist, aber nehmen wir mal an, sie hat 100 Gramm, dann wären wir bei sechs Euro. Das tolle an 3 D Druck ist ja auch, dass man wirklich nur das Materiel verwendet, das man auch braucht. Man hat keinen Verschnitt. Mit anderen Technologien muss man viel mehr vom Rohstoff selbst kaufen. Mittlerweile gibt es auch schon Leute, die sich auch mit dem Material unabhängig machen wollen und recycelbare Kunststoffe für den Replicator herstellen.

Ein auf der MakerTechX gedrucktes Modell der RoboHand. (Bild: Max Thesseling)

Sollen es denn in Zukunft auch in Richtung Bioprinting gehen? Soll sich jeder am Schreibtisch ein Ohr ausdrucken können? Was ist die Vision von MakerBot?

Wir sind auf das Verarbeiten von PLA Kunststoffen spezialisiert. Biologische Stoffe kann man mit diesen Druckern nicht drucken. Ohren, oder Nieren können nicht hergestellt werden, das soll auch so bleiben. Das passiert in hochspezialisierten Märkten, mit Geräten, die bis zu eine halbe Million Euro kosten. In München zum Beispiel werden Prothesenstümpfe mit einem 3D-Verfahren hergestellt. Die bestehen aber aus Metall. Die Idee von MakerBot ist es eher Privatpersonen, Designern und kleineren Unternehmen den Druck in Kunststoff zu ermöglichen; also einen breiten Zugang zu dieser Technologie zu schaffen.

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Auf Haiti gibt es eine Krankenschwester, die die Klammern um Nabelschnüre abzubinden, auf einem 3 D Drucker anfertigen lässt. Sie hatte aufgrund des geringen Budgets nicht genügend Klammern bekommen. Dann ist sie drauf gekommen, dass es günstiger ist die Klammern selbst zu drucken. Solche Bestecke sind ja auch oft Wegwerfartikel. Nehmen wir zum Beispiel Zahnspangen. Die sind besonders teuer, weil Kinder schnell aus ihnen rauswachsen. Man hat nun ein Verfahren entwickelt, bei dem der Kiefer des Kindes aufgenommen wird. Dann wird der Ist-Zustand mit einem Sollbild verglichen und für die Differenz eine Spange gedruckt. Das kann man alle paar Wochen aktualisieren. Es ist fast wie eine Monatskontaktlinse, die man einfach wegwirft. Allerdings ist das Material recyclebar. Das ganze kostet in etwa ein Zehntel der üblichen Behandlung.

2300 Euro für einen Drucker kann sich trotzdem nicht jeder leisten. Was sind die Alternativen um Zugang zu bekommen? 

In Deutschland gibt es schon Printshops um Designs drucken zu lassen. Im Beta Haus in Berlin steht ein MakerBot. Dort werden auch Kurse zur Benützung angeboten. Die Stadtbibliothek in Köln bietet das ebenfalls an. Jeder kann higehen und Gegenstände ausdrucken. Auch Schulen gibt es die bereits, die ihre Schüler mit 3 D Druckern vertraut machen und Gemeinden wollen Bürgern diesen Mehrwert anbieten. Es gibt auch Fälle von Jungunternehmern, die sich zusammengeschlossen haben um sich gemeinsam einen Drucker zu kaufen, bzw. haben sie Crowd Funding verwendet. Man findet also einen Weg.

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Wie wichtig ist der Open Source Gedanke für MakerBot?

Von Opensource in der Drucktechnologie haben wir uns zum Teil verabschiedet. Was die Designs angeht muss man differenzieren. Auf Thingiverse kann ja jeder unter Creative Commons selbst bestimmen, was mit seinen Designs gemacht werden darf.

Der Austausch von kostenlosen Gegenständen soll natürlich gefördert werden, aber auch jene die von Design leben, sollen dazu die Möglichkeit haben. Beide Welten gibt es und beide Welten müssen gefördert werden. Grundsätzlich finde ich aber, wenn jemand etwas designt, soll er davon profitieren, wenn es sich die Leute ausdrucken. Eine goldene Schallplatte bekommt man ja auch erst für die entsprechend verkaufte Stückzahl.

Was die Technologie angeht haben wir uns aus DIY, bei dem alles Open Source ist, zum Teil verabschiedet. Das erklärt sich einfach aus den Kundenbedürfnissen. Bei unseren Käufern handelt es sich zu 70% um Profis oder Halbprofesionelle. 20 000 Geräte wurden bereits verkauft. Open Soure wäre dafür einfach zu langsam und zu unflexibel. Viele Inputs kommen aber noch aus diesem Bereich, der Kontakt ist also nicht verloren gegangen.

Bild: Der Replicator 2 von MakerBot beim Drucken einer RoboHand.

Sind die Versuche Waffen zu drucken für MakerBot Thema? 

Jeder muss sich mit Gegenständen die schädlich sind—es müssen ja nicht nur Waffen sein—auseinandersetzen. Das sollte aus unserer Sicht von den lokalen Regierungen reguliert werden. Man kann es nicht einfach verbieten. Eine Registrierung als Waffenhersteller wäre eine Lösung. Die Wertschöpfungskette fängt hier beim Design an, das heißt wer eine Waffe designt, ist auch ein Waffenhersteller. Würde jemand diesbezüglich an uns herantreten, würden wir natürlich entsprechend handeln. Viele Teile einer Waffe bestehen aber aus Metall und wir drucken mit Kunststoff. Das Positive überwiegt sowieso so sehr, dass wir lieber unser Augenmerk darauf richten.

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Wo sehen Sie denn besonderes positives Potential im 3 D Druck?

Ich glaube, dass wir zu viele BWLer in Deutschland haben und zu wenig Kreative. Deshalb ist es mir sehr wichtig jungen Leuten das Konstruieren mit Computern beizubringen. Vor sechs Jahren haben wir bereits Tutorials und Lehrbücher für Schulen herausgebracht. Ich habe die Technologie auch mit meinen eigenen Kindern ausprobiert und gesehen, das macht denen einfach Spaß. Ein Spielzeug oder ähnliches zu drucken oder einfach einzuscannen und dann entstehen zu sehen. Ich denke das ist durchaus für mich selbst auch eine Motivation in diese Branche zu arbeiten.

Alexander Hafner auf der MakerTechX in Berlin. Viel Arbeit. (Bild: Max Thesseling)

Sehen Sie in Zukunft in jedem Klassenzimmer einen MakerBot stehen?

Ich fänd's klasse! Es muss ja nicht in jedem Klassenzimmer einer stehen. Aber durch Spaß das Interesse am Lernen zu fördern finde ich gut. Besser die Schüler stellen ihr eigene Iphone Hülle her, als sie hocken den ganzen Tag nur davor. Sie sollen die Möglichkeit haben selber zu entscheiden was sie produzieren wollen. Ich sehe darin eine Demokratisierung der Produktion.

Auf der MAKETECHX hat Alexander Hafner mit dem Replicator und dem Digitizer gearbeitet hat. Unter anderem hat er sich an einer Adaption der RoboHand versucht. Mit einem hochflexiblen Kunststoff, möchte er die Haptik der Hand verbessern. Dieser Stoff soll in die Fingerspitzen eingebracht werden. Richard van As konnte leider nicht dabei sein, um das zu testen, weil er sein Visum nicht rechtzeitig bekommen hat. Ich vermute mal, dass solche Hindernisse aus dem 20. Jahrhundert die 3D-Produktion kaum aufhalten werden.