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Vernetzte Cyborg-Pflanzen

Verdrahtete Pflanzen könnten das Internet der Dinge, um eine organische Welt erweitern und mit uns über elektrische Signale kommunizieren.

Bild: PLEASED

Das Internet der Dinge. Das quantifizierte Selbst. Gehirn-Computer-Schnittstellen. Wir verdrahten die physische Welt mehr und mehr mit dem menschlichen Körper. Aber sollten wir die Technisierung des 21. Jahrhunderts wirklich auch auf die Vegetation der Erde erweitern?

Italienische Forscher arbeiten an einem Netzwerk miteinander verbundener „Cyborg“-Pflanzen, um sie als organische Bio-Sensoren zu nutzen. Ich habe keine Ahnung, wie wir diese futuristischen Gewächse einmal nennen werden: Pflaborgs, Cy-Beete oder etwa Cyberflora. Die Pflanzen werden mit einem kleinen elektronischen Gerät verbunden, welches Umweltverschmutzung, Übernutzung von Chemikalien, Temperatur, Parasiten und sauren Regen misst und diese Daten durch ein drahtloses Netzwerk ins Labor kommuniziert.

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Das Projekt heißt PLEASED, und steht für PLants Employed As SEnsing Devices—also Pflanzen, die als Messwertgeber eingesetzt werden. Im Mai soll die Forschung abgeschlossen sein. Der Leiter der Studie Andrea Vitaletti, ein Computer-Ingenieur im W-LAB der Universität von Rom, sprach vergangene Woche mit der Mediengruppe youris.com über die Fortschritte des Projekts.

Die ehrgeizige Idee basiert auf der Erkenntnis von der außergewöhnlichen Intelligenz der Pflanzen. Forscher glauben, dass es möglich ist, diese natürliche Intelligenz zu nutzen, indem sie auf das „Hören“, was Pflanzen über ihre natürliche Umgeben wissen. Stell dir nur einmal vor, die Menschen hätten sich mit den exotischen, sprechenden Bäume in Avatar unterhalten können. Wenn die Vision Wirklichkeit wird, dann hätten wir Zugriff auf eine riesige Mengen an Daten über unsere Umwelt.

Natürlich leidet unsere Gesellschaft heutzutage nicht gerade unter einem Mangel an Daten. Wir haben bereits Sensoren, die alle Arten von Umweltbedingungen messen. Doch die Forscher sind vom Potenzial der Pflanzen als selbsterhaltende, organische Alternativen zu elektronischen Sensoren fasziniert. Sie sind billiger, allgegenwärtig und haben beeindruckende Funktionen zur Wahrnehmung.

Die weitläufigen Wurzeln, die sich durch den Boden und Zweige rangeln und bis in den Himmel strecken: Das sind die Augen und Ohren von Pflanzen, die kontinuierlich die natürlichen chemischen und physikalische Reize, die sie zum Überleben brauchen, übertragen. Aufgrund dieser Intelligenz waren Pflanzen über Jahrtausende hinweg in der Lage, sich immer wieder anzupassen, erklärt der Forscher Vitaletti. Pflanzen geben ein elektrisches Signal ab, wenn sie mit Umweltreizen interagieren und Wissenschaftler wollen die Signale nun analysieren, um Erkenntnisse aus dieser Flora-Kybernetik zu gewinnen.

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Für die Datensammlung muss das Grünzeug ziemlich verdrahtet werden. Das Verfahren funktioniert ähnlich, wie die Möglichkeit eine Prothese nur mit Gedanken zu kontrollieren, und zwar durch die Übertragung der elektronischen Aktivität des Gehirns auf einen Computer. Die Pflanzen werden mit EEG-Sensoren und Hardware ausgestattet, die ihre Signale lesen und aufnehmen.

Bild: PLEASED

Aber die Pflanzensprache dann auch wirklich zu verstehen, ist deutlich schwieriger. Die Herausforderung besteht darin, zwischen dem Chaos der elektronischen Störungen zu unterscheiden—welche äußeren Faktoren haben welches Signal verursacht? Die Forscher haben ihre Ergebnisse bisher in einem Open-Source-Datensatz veröffentlicht. Außerdem haben sie die Signale als Musik und Bilder dargestellt, um sie anschließend in einem interpretativen Tanz auszudrücken. Ernsthaft.

„Stell dir vor du kennst das elektronische Muster einer Sonnenblume, die gerade unter einer Dürre leidet,“ sagte Vitaletti in einem Interview. „Dann kannst du weiter nach diesem Muster bei Sonnenblumen suchen. Die Pflanze wird dir durch spezifische elektronische Signale sagen, wann sie Wasser braucht.“

Precision Farming und Hobby-Gärtner greifen heute schon auf Biosensoren zur Überwachung und Verbesserung ihrer Ernte zurück. Aber das PLEASED Projekt geht noch einen Schritt weiter und verwandelt die Pflanzen in Beobachtungsinstrumente.

Wir haben inzwischen also GPS-fähige Haie, Elefanten auf Twitter und Cyborg Pflanzen, die Big Data an die Cloud senden. Sind die Informationen es Wert, dass wir alle Pflanzen vernetzen? Auch wenn die Daten irgendwann später für den Umweltschutz eingesetzt werden können, wollen wir wirklich Pflanzen zu Maschinen machen? Irgendwas erscheint mir komisch daran, eine Arduino Platine von buschigen, grünen Blättern hängen zu lassen.