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Afrikanischer Baum verleitet Schimpansen zu mysteriösem Stein-Ritual

Können Affen einen Holzstamm zu einer religiösen Stätte machen?
Rätselhafte von Schimpansen aufgeschichtete Steinhaufen in hohlen Bäumen Westafrikas | Bild: MPI-EVA PanAf/Chimbo Foundation

Im Gehölz der Savanne Guineas machte Laura Kehoe, Artenschutz-Forscherin an der Berliner Humboldt Universität, eine möglicherweise revolutionäre Entdeckung. Bei einer Exkursion stieß sie mit ihrem Team auf einen Baum, der merkwürdige Spuren zeigte. Die Wissenschaftler stellten eine Kamerafalle auf und erst die Auswertungen der Aufnahmen, welche nun in einer Studie veröffentlicht wurden, lieferten Einblicke in das Mysterium: Schimpansen, die den Baum aufsuchten, warfen Steine dagegen und legten ein aufgeregtes Gebaren an den Tag. Was hatte dieses Ritual zu bedeuten?

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Solch ein Verhalten konnte in der Affenforschung bisher nicht beobachtet werden. „Schimpansen verwenden Zweige, Blätter und Stöcke und einige Gruppen benutzen sogar Speere, um an Futter zu kommen", schreibt Kehoe in einem Artikel über ihre Forschung. „Steine werden dazu genommen, um Nüsse zu knacken oder große Früchte aufzubekommen. Normalerweise werfen Schimpansen Gesteinsbrocken, um ihre Stärke zu zeigen und ihre Position in der Gemeinschaft zu etablieren." Schon Jane Goodall entdeckte bei ihren Studien in den 1960ern zwar, dass Affen Werkzeuge benutzen, diese wurden jedoch für einen speziellen Grund eingesetzt.

Der Baum diente den Affen jedoch weder als Nahrungsquelle, noch ließ sich ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Tiere und ihrer sozialen Stellung erkennen. Auch das zur Kommunikation dienende Trommeln auf große Baumwurzeln lässt sich nicht ausreichend mit dem beim Werfen entstehenden Geräusch in Verbindung bringen. Und obwohl vor allem Männchen mit den Steinen und lauten Ausrufen auf den Baum zielten, legten auch einige Weibchen und Jungtiere dieses Verhalten an den Tag.

Die Prozedur des Steinewerfens schien viel eher einem ritualisierten Verhalten zu entspringen. Auch andere Bäume in der näheren Umgebung wie auch in weiteren westafrikanischen Ländern wie Guinea Bissau, Liberia und der Elfenbeinküste bargen ähnliche Geheimnisse: Es waren Spuren von Würfen sowie auch Steinhaufen in hohlen Baumstämmen zu finden.

Auffallend bei diesem Fund ist die Ähnlichkeit zu rituellen Stätten aus der menschlichen Frühgeschichte. Eine Theorie zur Erklärung des Verhaltens besagt, dass die Affen mit den Steinen Markierungen ihrer Wege oder Territorien anzeigen. Ebenso ist es jedoch möglich, dass die Tiere die Bäume als Art Kultstätten huldigen, wie sie auch von Menschen geschaffen und verehrt wurden.

Die Erforschung der steinwerfenden Schimpansen ist ein Teil des Pan African Programms: The Cultured Chimpanzee des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, in dem von 2010 bis zum Jahr 2018 verschiedene Studien zu lokalen Verhaltenstraditionen durchgeführt werden.

„Das PanAf-Projekt verfolgt einen ganz neuen Ansatz und wird viele interessante Einblicke in die Demografie und Sozialstruktur von Schimpansen, ihre Genetik, ihr Verhalten und ihre Kultur geben", so Hjalmar Kühl, Primatenforscher am Max-Planck-Institut und dem Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung. Nicht nur das, möglicherweise verrät das Ritual der Steine werfenden und stapelnden Affen auch einiges über die evolutionsbiologische Frühgeschichte des Menschen und sein rituellen Praktiken.

„Die Tiere zeigen das Verhalten auch, wenn Steine in dem Gebiet nicht im Überfluss vorkommen, oder auch, wenn geeignete Bäume nicht vorhanden sind. Es ist also wahrscheinlich, dass es kulturelle Elemente aufweist", erklärt der Max-Planck-Forscher Christophe Boesch. Da Affen in naher Verwandschaft zum Menschen stehen und die Ähnlichkeit zu den archäologischen Steinhaufen unserer eigenen Spezies so auffällig ist, hoffen die Wissenschaftler, nun auch weitere Erkenntnisse zu der Evolution des Menschen und seiner Kultstätten gewinnen zu können.