„Wir vermissen ihn. Seine Seminar-Skripte waren die gründlichsten, das war vor Klausuren sehr praktisch."
Die Sitzgruppen im Hauptgebäude des Schweinfurter Campus, in denen sich Studenten zum Lernen treffen und der verdächtigte 25-Jährige verhaftet wurde. Alle Bilder: Max Hoppenstedt | MOTHERBOARD
Stefan verbringt in den ersten fünf Semestern einen großen Teil seiner Zeit an der FH—und das nicht nur als fleißig lernender Student, sondern auch für Grillabende mit Kommilitonen. Zwar ist seine ausgiebige Anwesenheit auf dem Campus manchen Kommilitonen suspekt, was ihm die Staatsanwaltschaft nun jedoch vorwirft, hätte ihm eigentlich keiner zugetraut—auch wenn eine Recherche auf dem Campus zeigt, dass unter manchen Studenten schon länger durchaus Hinweise auf eine aktive Deepweb-Nutzung Stefans kursieren.Geistesgegenwärtig reißt er das Stromkabel aus seinem batterielosen Laptop mit verschlüsselter Festplatte.
Mitten in der Schweinfurter Innenstadt steht dieses Gebäude, das im Volksmund nur „rosa Villa genannt wird." Wenn sich der 25-Jährige in einem Schweinfurter Untersuchungsgefängnis befindet, dann würde er hier einsitzen.
Auch Karl-Heinz Segerer vom LKA Bayern, das vor dem Zugriff über mehrere Monate ermittelt hatte, verweist auf die laufenden Ermittlungen, die eine Bestätigung von Hinweisen oder Verdachtsmomenten schwierig machen. „Unser Ziel ist es jetzt erst mal, die Burschen abzugreifen."„Unser Ziel ist es jetzt erstmal, die Burschen abzugreifen."
Verstöße gegen die Hochschulordnung
Bibliotheksschließfächer auf dem Schweinfurter Campus. In einem solchen Fach könnte Stefan über mehrere Semester einen Mini-Hausstand gelagert haben.
Stefans Kommilitonen sind allesamt überrascht von der Festnahme, und manch einer wüsste ihn gerne auch während der Prüfungsphase noch an der Hochschule. „Er hatte immer alle Unterlagen und Skripte gründlich mitgeschrieben. Wir könnten seine Hilfe für die Klausuren gerade gut gebrauchen und vermissen ihn schon", erzählt ein Kommilitone, mit dem Stefan schon für viele Klausuren lernte.„Abschreiben ist in der Untersuchungshaft immerhin ausgeschlossen."
Codewort WTF?
Der Haupteingang der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt am Schweinfurter Campus ist iner der Eingänge, von dem aus der Zugriff erfolgt ist.
Das an den Campus grenzende Wohngebiet, in dem auch viele Studenten wohnen. Auf der anderen Seite des Unigeländes lockt ein nicht minder attraktives Industriegebiet.
Das LKA im Darknet
Dass jetzt deutsche Behörden einen Weg gefunden haben, die Infrastruktur von Tor auszuhorchen, hält nicht nur Moritz Bartl von den Zwiebelfreunden für ausgeschlossen: „Ich traue den deutschen Behörden nicht die Kompetenzen zu, rein technisch an Hidden-Services heranzukommen."Allerdings wäre es nicht undenkbar, dass inzwischen auch die deutsche Polizei von Operation Onymous profitiert und zumindest einige abgefallene Daten-Krümel für die eigenen Ermittlungen nutzt. So wurde im November 2014, unmittelbar im Anschluss an Operation Onymous, ein mutmaßlicher Betreiber eines Deepweb-Drogenshops in Hessen festgenommen und insgesamt 12 Strafverfahren wegen Drogenhandels durch das LKA eingeleitet.Klar ist, dass nur wenige Tage nach den ersten Server-Abschaltungen durch das FBI auch drei internationale Exit Nodes (also jene Tor-Server, die die angefragten Daten letztlich wieder an die Nutzer ausliefern), die die Zwiebelfreunde und Moritz Bartl betreiben, von der Polizei hochgenommen wurden.„Ich traue deutschen Behörden nicht die Kompetenzen zu, an Hidden-Services heranzukommen."
Bisher sind tatsächlich nur ganz wenige Fälle bekannt, in denen es der deutschen Polizei gelungen ist, Straftaten im Darknet zu verfolgen. So wurde beispielsweise im März 2013 der Drogenhändler „Pfandleiher" in der niederbayrischen Provinz festgenommen. Das LKA Bayern hatte für den Fall eigens eine Ermittlergruppe eingerichtet—und zur Unterstreichung der eigenen Innovationskraft mit dem Titel „Seidenstraße" ausgestattet. Auf die Spur war man dem Verdächigen aber dennoch nur durch den Zufall eines fehlgeleiteten Paketes gekommen.Kaum mehr als eine Handvoll deutscher Deepweb-Waffenhändler sind wohl keine Scammer.
Unterfränkische Dörfer. Auch in der Nähe von Schweinfurt hat eine Durchsuchung stattgefunden.
Auch nach mehrfachen Nachfragen ist es weder dem bayrischen LKA noch dem BKA möglich, zum Ausmaß des Darknet-Waffenhandels überhaupt genauere Angaben zu machen. „Es heißt eben nicht umsonst Darknet", seufzt eine Sprecherin des BKA. Tatsächlich ist das Darknet den Beamten sattsam bekannt—technisch naiv ist man gemeinhin wohl nicht—aber geknackt ist es eben noch lange nicht.Es heißt nicht umsonst Darknet.
Das große Hörsaal-Gebäude des Schweinfurter Campus mit der Bibliothek im Hintergrund.
„Mit diesen Maßnahmen drängt man die Schwarzmärkte doch nur in Regionen, die viel schwerer für westliche Behörden zu erreichen sind. Jetzt können wir halt sehen, dass diese Hidden Services eher in Russland oder Osteuropa gehostet werden. Die Geheimdienste aller Seiten wissen vielleicht dennoch davon, aber die Betreiber werden dann eben nicht ausgeliefert."„Diese Operationen bringen nichts. Dann ziehen die Server halt nach Osteuropa weiter."