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Wir haben gerade eine existentielle CO-2-Schwelle ein für alle Mal überschritten

... und die Experten sind sich sicher, dass es jetzt keinen Weg zurück mehr gibt.

Bild: Flickr | Rubén Moreno Montolíu | CC BY-NC-SA 2.0

Es läuft gerade für die Apokalypse. Die Konzentration von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre hat nämlich vor wenigen Tagen offiziell die gefürchtete Schwelle von 400 ppm (parts per million) überschritten—und zwar, und das ist das Dramatische, endgültig.

In einem Blogpost hat das renommierte US-Forschungszentrum Scripps Institution of Oceanography am vergangenen Freitag verkündet, dass der monatliche Wert der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre die 400 ppm-Grenze nicht nur dieses Jahr nicht mehr unterschreiten wird, sondern tatsächlich niemals wieder. Diese Erkenntnis beruht auf wöchentlichen Messungen der Kohlendioxidkonzentration am Mauna Loa Observatory in Hawaii, wo Klimaforscher bereit seit 1958 regelmäßige Messungen des CO2-Niveaus durchführen.

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Warum ausgerechnet diese Zahl so erschreckend ist? Seit einigen Jahren warnen uns Klimawissenschaftler davor, dass die Überschreitung der 400 ppm-Grenze einen kritischen Meilenstein markiert: Der atmosphärische Kohlendioxidgehalt erreicht mit diesem Wert ein solches Ausmaß, dass automatisch unaufhaltsame Klimaveränderungen eintreten werden. Denn CO2 ist das bedeutendste Treibhausgas, welches stärker als jedes andere Spurengas die Erwärmung der globalen Temperatur vorantreibt.

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Im Jahr 2012 hatte die Arktis als erste Region der Erde diese Grenze überschritten. Drei Jahre später, und zum ersten Mal seit den Aufzeichnungen des Wertes, lagen die Kohlendioxidwerte einen ganzen Monat lag über der 400 ppm-Grenze.

Grafik: National Oceanic and Atmospheric Administration. Einige der Beschreibungen stammen von der Website „Keeling Curve Lessons" des Scripps CO2-Programms

Dieses Mal lässt sich der Trend den Experten zufolge nicht mehr revidieren. Bestätigt wird diese Annahme unter anderem durch das zyklische Verhalten der CO2-Kurve in Mauna Loa. Die Kohlendioxidwerte erreichen normalerweise ihren Jahrestiefpunkt gegen Ende September, so Scripps. Dieses Jahr hingegen bewegen sich die Werte noch immer bei ungefähr 401 ppm. Es kann nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, dass die Werte im Jahr 2016 noch einmal fallen, das Institut hält dies aber für „nahezu unmöglich".

Das einzig Positive an der erschreckenden Mitteilung ist vielleicht, dass jetzt hoffentlich endlich konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Im Klimaschutzabkommen von Paris beispielsweise—einem internationalen Abkommen, dass auf der UN-Klimaschutzkonferenz in Paris im Jahr 2015 getroffen wurde—wurden verschiedene kontrollierbare Ziele definiert, die im direkten Zusammenhang mit den Kohlendioxidwerten stehen.

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Jedes Land, das dieses Übereinkommen annimmt, verpflichtet sich zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst 1,5 °C im Vergleich zu vorindustriellen Levels. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen massiv reduziert werden und die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien erfolgen. Die 60 Nationen, die das Übereinkommen bisher ratifiziert haben, sind allerdings nur für 47,76 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich.

Um zu verstehen, welche irreversible Auswirkungen ein dauerhafter Klimawandel für die Erde bedeutet, lohnt es sich einen Blick auf einige der Felder zu werfen, die besonders drastisch betroffen sein werden.

Artensterben

Diese Folge des Klimawandels muss man eigentlich nicht weiter ausführen. Genaue Zahlen sind zwar schwierig abzuschätzen, aber das Artensterben hat, seit der moderne Homo sapiens die Erde bevölkert, wohl ungefähr um das Tausendfache zugenommen. Der World Wildlife Fund schätzt, dass jedes Jahr 10.000 Arten aussterben. Die Naturschutzorganisation Nature Conservancy rechnet damit, dass aufgrund des Klimawandels bis zum Jahre 2050 ein Viertel aller Arten von der Erde verschwunden sein.

Unterbrechung der Nahrungskette

Untrennbar mit dem Artensterben verbunden, bedeutet der Klimawandel auch, dass die Nahrungsketten aus dem Gleichgewicht gebracht werden, wenn nach und nach die Spitzenprädatoren und ihre Beutetiere verschwinden. In der Arktis führen steigende Meerestemperaturen etwa zu einem vermehrten Wachstum der Meeresalgen, was wiederum zu Lasten der Zooplanktonbestände und damit des Kabeljaus, der Robben und schließlich Eisbären geht. In den letzten 50 Jahren sind die Durchschnittstemperaturen in Alaska und im westlichen Kanada um bis zu 3,8°C angestiegen.

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Steigende Meeresspiegel

Die ansteigenden Meeresspiegel werden in nicht allzu ferner Zukunft verheerende Auswirkungen für die Menschen (und Tiere) haben. Wenn die Gletscher weiterhin so abschmelzen und sich die Wärmeausdehnung der Meere fortsetzt, so wird es zu Überflutungen ganzer Küstengebiete kommen, in denen die Umsiedelung der Bevölkerung notwendig wird.

Bis zum Jahr 2100 werden voraussichtlich allein 13 Millionen US-Bürger aufgrund ansteigender Meeresspiegel ihr Zuhause verloren haben. In einigen Regionen der Welt hat dieser Prozess bereits begonnen, zum Beispiel am Pazifik. Die Klimaforscher gehen davon aus, dass selbst, wenn wir den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf weniger als 2°C begrenzen können, der bereits erfolgte Anstieg der Meeresspiegel unumkehrbar ist.

Versauerung der Meere

Der Säuregrad der Meere dient als wichtiger Gradmesser für die Gesundheit unserer Umwelt. Schon heute hat sein Anstieg bereits zur Auslöschung ganzer Meeresökosysteme geführt. Die Meere absorbieren permanent überschüssiges CO2, wodurch ihr pH-Wert abfällt und es so zu einer Versauerung des Wassers kommt. Und der Anstieg der Meerestemperatur führt dazu, dass riesige, und für unzählige Meeresbewohner lebenswichtige, Korallenbestände, zum Beispiel am Great Barrier Reef in Australien, ausbleichen und absterben. Die Korallenpolypen können sich zwar theoretisch erholen und auf bestimmten Riffs wieder ansiedeln, die Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass ihre Ausbleichung schwerwiegende Verheerungen in unseren Meeresökosystemen zurücklassen wird.

Update (30.9.; 10:20): In einer ersten Version des Textes hieß es, dass 13 Millionen Menschen aufgrund des steigenden Meeresspiegels ihr Zuhause verlieren könnten; tatsächlich bezieht sich diese Hochrechnung alleine auf die Zahl der US-Bürger. Außerdem haben wir den Artensterben-Abschnitt ergänzt und hinzugefügt, dass die Schätzungen vom Aussterben von einem Viertel aller Arten bis zum Jahr 2050 von der Nature Conservancy-Organisation stammt.