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Razzia in 68 Wohnungen: Polizei geht gegen Kunden von „Chemical Love“ vor

Rund 300 Beamte kamen zum Einsatz, als bundesweit insgesamt 63 mutmaßliche Großkunden des einst größten Online-Drogenshops Europas durchsucht wurden.
Ein Blick auf die Preise des einstigen Online-Angebots von Chemical Love legt nahe, dass die Betreiber wohl auch Großkunden anvisierten. Foto: Screenshot Chemical Love

Am frühen Morgen des 31.08.2016 hat es bundesweit in insgesamt 68 Wohnungen polizeiliche Razzien gegen mutmaßliche Großkunden des einstigen größten europäischen Online-Drogenshops Chemical Love gegeben. Insgesamt wurden 63 Tatverdächtige durchsucht, gegen die „aufgrund der Menge der bestellten Betäubungsmittel […] der Verdacht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" besteht, wie es in der entsprechenden Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz heißt.

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Die rund 300 Beamten konnten dabei mit 1,13 Kilogramm Amphetamin, 475 Ecstasy-Pillen, 40 LSD-Trips und 1,11 Kilogramm Marihuana nur eine vergleichsweise geringe Menge an Betäubungsmitteln sicherstellen. Außerdem wurden rund 6.500 Euro Bargeld, diverse Waffen, darunter ein Revolver, eine Machete und ein Säbel, sowie Falschgeld aus dem Verkehr gezogen.

Trotz härterer Strafverfolgung kaufen immer mehr Menschen ihre Drogen im Darknet

Ob es sich bei den beschlagnahmten Drogen tatsächlich um frühere Bestellungen handelt, die auf den Marktplätzen von Chemical Love vorgenommen wurden, könne man „nach so wenigen Tagen noch nicht feststellen", erklärte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz gegenüber Motherboard. Ob die Betäubungsmittel möglicherweise auch über andere Darknet- oder Clearweb-Angebote bezogen wurden, müssten die weiteren Ermittlungen klären.

Unter Verweis auf die fortlaufenden Ermittlungen wollte sich die Generelstaatsanwaltschaft gegenüber Motherboard nicht dazu äußern, ob nun gegen weitere mutmaßliche Großhändler in Verbindung mit Chemical Love vorgegangen wird oder ob die Ermittlungen auch auf kleinere Kunden ausgeweitet werden, die Bestellungen bei Chemical Love für den Eigenbedarf getätigt haben.

Bereits im Mai hatten Recherchen von Motherboard ergeben, dass die Betreiber von Chemical Love keinesfalls so sicher und diskret mit den Kundendaten umgingen, wie es bei einer klandestinen Operation im Darknet oder Clearnet eigentlich angebracht wäre—und wie sie selbst gerne großspurig behaupteten. Ganz im Gegenteil: Der Online-Shop loggte die Kunden- und Bestelldaten von mehreren tausend Kunden in seinem Warenkorbsystem WooCommerce fein säuberlich mit.

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Tausende Kundendaten in Gefahr: Der Chemical Love-Shop hat alles mitgeloggt

Wer also unter seinem echten Namen und mit echter Meldeadresse bei Chemical Love bestellt hat, muss damit rechnen, dass diese Daten auch in die Hände der Ermittler gelangen. Auf die Frage ob diese überhaupt im Besitz der Daten sind oder die Razzien am vergangenen Mittwoch aufgrund von Geständnissen der fünf bereits im April dieses Jahres festgenommenen mutmaßlichen Betreiber von Chemical Love durchgeführt werden konnten, wollte sich die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz jedoch ebenfalls nicht äußern.

Vier mutmaßliche Betreiber sitzen seit dieser Festnahme noch immer in U-Haft. Seit den Hausdurchsuchungen am vergangenen Mittwoch verhört die Polizei außerdem einen 38-Jährigen Ingolstädter, bei dem nicht nur über 16 Gramm Crystal Meth, sondern auch mehrere Waffen gefunden wurden, darunter ein funktionsfähigen Vorderlader, zwei Schreckschusswaffen und Säbel, wie der Donaukurier berichtet.

Das Amtsgericht Koblenz hatte noch am Tag der Razzien einen Haftbefehl wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erlassen.

Der ehemalige Admin von Chemical Love, den Motherboard exklusiv zu einem Interview treffen konnte, befindet sich derweil noch immer auf freiem Fuß.

Die Landeszentralstelle Cybercrime (LZC) der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz führt gemeinsam mit der Zentrale Kriminalinspektion Hannover bereits seit Mai dieses Jahres ein Ermittlungsverfahren im Fall des Online-Drogenversands. Für gut ein Jahr hatten die Betreiber von „Chemical Love" sowohl über das Darknet als auch im Clearweb harte Drogen angeboten und bis zu 50 Sendungen pro Tag verschickt.

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