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Biodynamik

Biodynamik funktioniert—auch wenn man dafür Hörner mit Kuhmist füllen muss

Kuhhörner und Mondphasen waren Teil meiner Jugend—und bestimmen auch heute noch mein Leben als Koch.
Photo via Flickr userTheamaria

Im Jahr 1924 präsentierte Rudolf Steiner erstmals einer Gruppe von Bauern seine Idee der biodynamischen Landwirtschaft. Eine Idee, bei der ein Bauernhof als selbstversorgendes Lebewesen verstanden wird und die heute immer noch genauso aktuell ist wie damals. Wenn nicht aktueller.

Ich wuchs mit einem ähnlichen System wie Steiners auf, eins, nur nicht ganz so militant. Ich lebte mit meiner Mutter eine Weile in einer Kommune eine kurze Zugfahrt außerhalb von Kopenhagen. Ausserdem ging ich in eine Schule, in der mehr Wert auf Samba tanzen und auf die Entwicklung von Kreativität gelegt wurde, als auf Grammatik und Mathematik.

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Laut Steiner sollte alles auf einem Bauernhof voneinander abhängig und verbunden sein, sodass alles einen einzigen Organismus bildet. Die Pflanzen, der Boden, die Tiere, die Menschen und das Universum sind alle Teil des Ganzen. Wenn alles richtig aufeinander abgestimmt ist, kann die „irdische und kosmische Energie" fließen.

Eine seiner Praktiken war es, das Horn einer Kuh mit frischem (weiblichem) Kuhfladen zu füllen. Das Horn wird im Frühling für ein halbes Jahr vergraben. Der Inhalt wird dann mit warmen Wasser vermischt und über das Feld verstreut, um die „kosmischen Kräfte" auf die Pflanzen zu übertragen. Laut der kosmischen und irdischen Pole, von denen der Rhythmus der biodynamischen Landwirtschaft abhängt, solltest du beim Anpflanzen deiner Nutzpflanzen die Mondkonstellation berücksichtigen und darauf achten, ob es sich um einen Erde- oder Feuer-Tag handelt. Zu den anderen exzentrischen Praktiken Steiners gehören das Füllen einer Hirschblase mit Schafgarbenblüten, die dann über den Sommer auf einem Ast aufgehängt wird.

Funktionieren diese Techniken eigentlich? Anscheinend gibt es gute Neuigkeiten für all die gutgläubigen Anhänger. Humusproduzierende Mikroben gedeihen in Kuhfladen von laktierenden Kühen prächtig und Humus trägt zum Nährstoffgehalt und zur Speicherung von Feuchtigkeit im Boden bei. Genau wie die Gravitation des Mondes die Gezeiten beeinflusst, soll der Grundwassergehalt im Boden erhöht werden, wenn die Samen einige Tage vor Vollmond ausgestreut werden. Das führt dazu, dass die Pflanzen besser hydriert werden.

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Rudolf Steiners selbstversorgende biodynamische Landwirtschaftsphilosophie hat sich mittlerweile auch auf die Infrastruktur vieler Bauernhöfe ausgewirkt. Hier in Norwegen versuchen Bauernhöfe wie Ramme Gård das Beste aus dem zu machen, was die Natur ihnen bietet. Die Gebäude werden mit Bioenergie, wie beispielsweise mit regional produzierten Holzschnitzeln, geheizt und der Strom stammt von Solarzellen. Regenwasser wird gesammelt und zur Bewässerung verwendet, die Dieselmotoren der Traktoren und anderer Maschinen werden so umgebaut, dass sie mit Rapsöl laufen.

Ob unsere Bauern ihre Felder mit gefüllten Kuhhörnern düngen oder ihre Samen nach der Mondkonstellation pflanzen, ist für uns relativ unbedeutend.

Was für uns wirklich zählt, ist die Qualität des Endprodukts. Im Maaemo haben wir langsam gelernt, dass wir nicht wirklich etwas kreieren können, wenn wir nicht wissen, woher unsere Produkte stammen. Wir haben viel Zeit damit verbracht, all unsere Lieferanten kennenzulernen, damit wir besser verstehen können, wie wir ihre Produkte am besten präsentieren.

Wenn wir die Bauernhöfe besuchen, von denen wir unsere Produkte beziehen, respektieren wir mehr, womit wir kochen. Am wichtigsten ist aber die Begeisterung und die Leidenschaft, die wir in den Gesichtern unserer Bauern sehen, wenn sie von den ersten Erbsen der Saison oder von einer gerade angebauten Feldfrucht erzählen.

Ich selbst bin nicht völlig überzeugt davon, dass das Anbauen von Pflanzen nach Mondphasen, das Vergraben von Hörnern, die mit Kuhmist gefüllt sind oder fermentierter Urin als Düngemittel sich direkt auf die Pflanzen oder das Produkt auswirken. Aber ich hab auch noch keinen einzigen Bauern getroffen, der biodynamische Landwirtschaft betreibt und mit seiner Ernte nicht zufrieden wäre.

Um dich als Chefkoch eines Restaurants wirklich weiterzuentwickeln, musst du dich damit identifizieren können, was bei dir auf die Teller kommt. Das ist selbstverständlich.

Wir unterstützen unsere Lieferanten bei ihrer Aufgabe, bestmögliche Produkte herzustellen, genau so wie sie uns unterstützen, indem sie von uns gewünschte Arten von Gemüse anbauen. Wir helfen auch gerne bei der Ernte und scheuen uns nicht davor, uns die Finger schmutzig zu machen.

Ich selbst bin nicht völlig überzeugt davon, dass das Anbauen von Pflanzen nach Mondphasen, das Vergraben von Hörnern, die mit Kuhmist gefüllt sind oder fermentierter Urin als Düngemittel sich direkt auf die Pflanzen oder das Produkt auswirken. Aber ich hab auch noch keinen einzigen Bauern getroffen, der biodynamische Landwirtschaft betreibt und mit seiner Ernte nicht zufrieden wäre. Vielleicht ist es einfach die Liebe und die Leidenschaft, die den Unterschied macht.