Wie Puerto Ricos Köche der Wirtschaftskrise trotzen

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Puerto Rico

Wie Puerto Ricos Köche der Wirtschaftskrise trotzen

Puerto Rico hat Staatsschulden in Höhe von 72 Milliarden Dollar und das hat zu einer prekären Situation für die Köche und Restaurants der Insel geführt. Schon seit Jahren versuchen sie, die puerto-ricanische Küche wieder aufleben zu lassen und die...

Die puerto-ricanische Küche, die lange mit frittierten tostones und lechón am Straßenrand in Verbindung gebracht wurde, hat in den letzten zehn Jahren eine Wandlung erlebt. Die Insel war stark von importiertem Obst und Gemüse abhängig (das ist immer noch der Standard in den Supermärkten), aber jüngere Köche entdecken die frischen Erzeugnisse der Insel wieder und handeln immer öfter direkt mit den Bauern der Region. Köche wie José Santaella, José Enrique und weitere haben sich internationales Ansehen verschafft, indem sie sich auf regionale Erzeugnisse konzentrieren und sich von den traditionellen Zubereitungsarten entfernen, ohne dabei respektlos gegenüber der kulinarischen Geschichte des Landes zu sein.

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Momentan befindet sich die Insel inmitten einer Wirtschaftskrise und die Regierung hat einen Schuldenberg in der Höhe von 72 Milliarden Dollar akkumuliert. Die nahe Zukunft stellt viele vor ein Rätsel, denn aufgrund von Puerto Ricos Status als Commonwealth der USA kann die Insel weder den Bankrott erklären, wie es Detroit beispielsweise gemacht hat, noch den IWF um Hilfe bitten, da sie kein eigenständiges Land ist.

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Robert, ein Mitarbeiter im El Departamento De La Comida, bereitet Kürbis zu.

Derzeit werden diverse Austeritätsmaßnahmen umgesetzt wie die Erhöhung der Umsatzsteuer von 7 auf 11,5 Prozent. Das ist ein größer Sprung, vor allem wenn man bedenkt, dass die Arbeitslosigkeitsrate bei fast 14 Prozent liegt. Die Puerto Ricaner, die offiziell US-Bürger sind, verlassen die Insel in Scharen Richtung Festland—viele von ihnen junge Universitätsabsolventen—und lassen eine immer älter werdende Bevölkerung zurück.

Das alles hat sich zu einer scheinbar prekären Situation für die Restaurants und Köche hochgeschaukelt, die die Küche der Insel wiederbeleben und dabei helfen, die landwirtschaftliche Fülle wiederherzustellen.

Der Sommer ist immer eine langsamere Jahreszeit, sagt Sebastian Ramirez von Parcela, dessen Restaurant Ende Juli komplett geschlossen hatte. Es befindet sich im touristischen Viertel Condado in San Juan, wo Einheimische im Winter nicht hingehen. Im Sommer besuchen jedoch etwa 50 Prozent Einheimische und 50 Prozent Touristen sein Restaurant, die arepas, escalivada oder Kalbshirn in brauner Butter essen kommen. Parcela ist eines der beliebtesten Restaurants der Insel und seine Speisekarte ändert sich jede Woche, je nach dem was gerade verfügbar und nicht allzu teuer ist.

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„Durch den direkten Handel mit den regionalen Bauern verzichten wir auf einen Zwischenhändler", erzählt mir Ramirez übers Telefon. „Ich gehe direkt zur Quelle. Manchmal wäre der Preis über Zwischenhändler aus den USA billiger, aber ich kaufe lieber regional—auch wenn es ein bisschen teurer ist—, um die Kette zu brechen."

Wenn es darum geht, ob die Leute trotz der Wirtschaftskrise noch Geld ausgeben, sagt er: „Auf jeden Fall, die Leute achten mehr darauf, wann sie ausgehen, was sie kaufen und was sie konsumieren. Aber sie gehen immer noch in Bars und Restaurants. Die Auswirkungen sind also nicht allzu schlimm. Es ist ein guter Moment für viele, um die Abläufe in ihren Restaurants zu überdenken." Für ihn bedeutet das, die Zahlen immer genau im Auge zu behalten und auch hin und wieder einmal einen Mitarbeiter früher nach Hause zu schicken. „Die Angestellten wissen, dass sie sich auf die ruhigeren Monate einstellen müssen und sie wissen auch, dass sie sich auf den Winter einstellen müssen", sagt er.

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Brotfrucht-Beignets.

Maria Grubb arbeitet als Chefköchin im Gallo Negro in Santurce, das südöstlicher und mehr landeinwärts als Condado liegt. Sie ist gerade aus New York zurückgekommen, wo sie immer ihre Gewürze kauft. Ihr Restaurant, sagt sie, hat bis jetzt noch nichts von den Austeritätsmaßnahmen der Regierung bemerkt: „Momentan haben sie nur die Steuern erhöht. Bisher spüren das die Leute noch nicht. Wenn wir etwas bemerken werden, dann in den nächsten zwei Monaten, wenn die neuen Gesetze in Kraft getreten sind."

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In der Nähe des Marktes und des Kunstmuseums in Santurce befindet sich Santaella, das dem gleichnamigen Koch José Santaella, der im Le Bernadin ausgebildet wurde, gehört. Er macht sich keine Sorgen wegen der derzeitigen wirtschaftlichen Lage der Insel: „In dieser schwierigen Zeit sage ich immer, wenn das Konzept gut ist, dann wird es trotzdem funktionieren." Bei seinen Mittagsangeboten denkt er aber auch an die Geldtaschen seiner Kunden. Am Mittag ist es ein bisschen ruhiger geworden, aber am Abend ist das Restaurant immer noch voll. Mit seinem Kochstil kommt er sowohl denen entgegen, die auf der Suche nach klassischen puerto-ricanischen Gerichten sind, als auch denen auf der Suche nach der weniger traditionellen Seite der Insel. Seine Philosophie lautet: „Wir haben zwar Foie gras hier, aber es gibt auch immer tostones", und das bereitet er immer mit möglichst regionalen und biologischen Produkten zu.

Der Fokus auf regionalen Produkten der Köche der Insel hat einen Fahrstuhleffekt auf die Kultur im Gesamten. Tara Rodriguez Besosa, die einen Supermarkt und das Café El Departamento de la Comida in Tras Tallares besitzt, hat einen Wandel beobachtet: „Seit der Krise haben viele Leute bemerkt, dass importierte Erzeugnisse unserer lokalen Wirtschaft nicht helfen, deshalb versuchen viele lokale Unternehmer direkt mit regionalen Produzenten zu kollaborieren, um unsere nicht-existente Wirtschaft zu fördern."

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Weil Besosa besser über die Gesetze und den Lebensmittelhandel auf der Insel Bescheid weiß, ist sie pessimistischer eingestellt als die Köche. Das puerto-ricanische Ministerium für Verbraucherschutz (DACO) in Puerto Rico, das die Preise von importierten Waren und auch die mancher regionaler Waren je nach Ernte festlegt, hat die Macht, die Lage zu vermiesen, wie sie sagt. „Die letzten zwei Wochen war Kaffee ein Problem, weil der Preis von importiertem Kaffee gesenkt wurde. Jetzt müssen regionale Kaffeeanbauer mit diesem Preis konkurrieren, obwohl sie eigentlich versucht hatten, den Preis zu erhöhen." Die Bauern befinden sich in der Klemme und für Puerto Ricaner, die die lokale Wirtschaft unterstützen wollen, wird es noch schwieriger, auch wenn sie es wollen.

Photo by the author.

Ein Kürbis-Gericht wird im El Departamento De La Comida angerichtet.

Obwohl viele Köche auf der Insel das traditionelle mofongo nicht mehr zubereiten, versucht Manolo Lopez mit seinem Stand beim Smorgasburg-Markt in Brooklyn den New Yorkern MofonGO näher zu bringen. Und damit hat er Erfolg: Jede Woche verkocht er mehr als 900 kg Kochbananen. Obwohl seine Familie auf Puerto Rico „hektarweise Kochbananen" besitzt, muss er sie aus Ecuador oder Panama beziehen. Puerto Rico fehlt die Infrastruktur, um seine Kochbananen zu exportieren und momentan ist MofonGO noch nicht groß genug, als dass sein Bedarf rechtfertigen würde, einen eigenen Schiffscontainer für Lopez nach New York zu schicken.

Lopez' Mutter startet bald einen Food Truck mit gesundem Mittagessen an der puerto-ricanischen Westküste und sie wird alles aus San Sebastian, Moca, Aguada und Añasco beziehen. Auch während der Krise hält er den Zeitpunkt für den richtigen: „Momentan ist es die beste Gelegenheit. Bei all den Herausforderungen und der Negativität muss es auch gute Neuigkeiten geben, um etwas dazu beizutragen, die Probleme der Insel wieder in Ordnung zu bringen." Er räumt aber ein, dass es „mit all den Steuern noch schwieriger wird; es ist eine größere Herausforderung, ein Geschäft zu eröffnen."

Während die abenteuerfreudigen Restaurant optimistisch den Status Quo erhalten, scheint eine noch stärkere Abhängigkeit vom Tourismus unumgänglich; neue Geschäfte kommen vielleicht nicht in Gang und regionale Produktion werden teurer bleiben als importierte. Puerto Ricos kulinarische Renaissance wird zweifelsohne weitergehen, aber mit zusätzlichen Sparmaßnahmen und ohne neue Bestimmungen müssen sich die Köche einer riesigen Herausforderung stellen.