Sex

Facefuck mit Barack

Es ist Wahltag in der westlichen Welt (ganz ehrlich, Europa: Du zählst nicht mehr) und während sich draußen ein Sturm zusammenbraut, bekomme ich es hier drinnen mit der Angst zu tun. Nicht etwa wegen der Wetterlage – der Wind, der draußen durchs alte Wien weht und das klassizistische Knochengerüst dieser verrottenden Stadt zum Klappern bringt, wird schneller wieder vorbeigehen, als sich die Leute selbst hier über die Witterungsverhältnisse aufregen können. Außerdem trägt dieser Sturm keinen proletarischen Frauennamen, was wohl das sicherste Indiz dafür ist, dass wir ihn nicht ernstnehmen müssen und er, wie so oft, im Glas enden wird, in das der Wiener gerne seinen Welthass hineinnuschelt, auch wenn anderswo erst kürzlich Millionen von Menschen durch einen echten Dreckshurricane ihr Haus, ihre Stromversorgung und ihre Perspektiven verloren haben.

Nein, das Wetter ist mir egal. Was mich wirklich nervös macht, ist meine aufblasbare Sexpuppe, die seit dem letzten Wochenende als eine Art Gargoyle über unsere Wohnung wacht. Ihr Schlauchbootkörper steht da wie ein Windhund, der ein Rennen wittert; ihr verstärkter Hartgummipenis zeigt wie ein mahnender Finger aus dem Fenster hinaus gen Westen. Es ist fast so, als würde die Puppe einen viel größeren Sturm spüren, der von dort herkommt, wo gerade auch noch Sandy mit ihrem Friseursalon des Schreckens über die Küste gewütet hat (Waschen, Schneiden, Föhnen und den Rest mit einem Film aus Scheiße und Ratten überziehen um 25 Dollar).

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Ihr Gesicht ist stoisch und starr, ihre Augen sind tot und seelenlos, ihr Torso riecht nach zu viel Abenteuer und bis auf den fortpflanzungsbereiten Schwellkörper könnte man meinen, sie stünde unter Schock. Was lustig ist, weil es doch eigentlich ich bin, der jedes Mal, wenn er an dem Zimmer vorbeigeht, einen kleinen Aorta-Anfall erleidet. Ursprünglich habe ich die Figur, die seit Halloween den Namen “Alucius” trägt, ja aufgestellt, um den Nachbarn von gegenüber einen Streich zu spielen. Jetzt erschrickt sie vor allem mich und meine Freundin; fast so, als wäre sie verflucht und hätte sich gegen ihre eigenen Herren gewandt. Das wirklich Beängstigende ist aber, dass ich jedesmal, wenn ich mich vor Alucius erschrecke, wie ein Tourette-Kranker plötzlich “Romney!!!” schreie – unwissend, ob das nun den Fluch beseitigen oder einfach nur dem Bösen einen Namen geben soll. Wenn man es sich recht überlegt, ist die Ähnlichkeit jedenfalls erstaunlich. Mit dem Unterschied, dass Alucius bislang noch nichts Abfälliges über “die 47 %” gesagt hat.

BACKGROUND

Wir erinnern uns: Bei einem Fundraising-Event irgendwann im prähistorischen Sommer hatte Mitt “Binders Full of Women” Romney ja das Pech, von jemandem  ernst genommen zu werden. So ernst sogar, dass dieser Jemand Mitt Romney nicht nur beim Wort nahm, sondern dieses Wort auch noch via Handyvideo unter das Volk brachte. Die Botschaft dahinter war so knackig wie beknackt: Scheiß auf 47 % der Menschen. Vor allem, wenn sie aufgrund ihrer niedrigen Lohnklasse das unsägliche Glück haben sollten, keine Einkommenssteuer abführen zu müssen. Wie zum Beispiel Romneys Großvater. Aber egal. Wenn ihr mich fragt, kann man Romney seine Ignoranz gegenüber der Armut der anderen nicht vorwerfen. Meine Mutter will inzwischen auch nichts mehr mit mir zu tun haben (zumindest nicht online), wie sie mich beim letzten gemeinsamen Familienabendessen mit meiner Freundin wissen ließ: “Manchmal sagst du ja schon was Gescheites, aber dann sagst du wieder, dass du guten Analsex gehabt hast und das muss ich wirklich nicht wissen.” Wahrscheinlich hat sie recht. Das ändert zwar nichts an meinem Analsex (oder daran, wie viele Nuancen von Rot angesichts solcher Situationen in die Wangen meiner Freundin passen), aber es ist nun mal ihr selektives Seelenheil, sich dieses Wissen zu künftig zu ersparen. Allerdings kandidiert meine Mutter auch nicht als Analsexbeauftragte, wenn ihr versteht was ich meine.

Mitt Romneys Selbst- und Gottgefälligkeit ist die eine Sache. Die Selbstverständlichkeit aber, mit der Romney diese sozialen und gesellschaftlichen Ungleichheiten als gottgegeben ansieht, ist eine ganz andere. Wer denkt, dass diese 47 % auch in der Natur vorkommen, der hat wohl noch nicht gesehen, wie Kapuzineräffchen auf ungleiche Bezahlung reagieren:

Wenn euer Gehirn genau wie meines im Wahlkampfmodus läuft und von Gerechtigkeitswut betrieben wird, bleibt dieser Tage nur eine Quelle für einen unanständigen, aber ordentlichen Boner: Der Boner des Präsidenten.

BONER

Ich weiß, ich weiß. Auch wenn hier bei uns im verharzten Europa jeder Mitt Romney für den Teufel aus den Tenacious D-Videos hält, ist nicht gleich jeder ein Freund von Obama. Immer mehr gehen mit Denkerpose und Zeigefinger gegen “Change” und “Hope” vor, als wären es zwei billige Huren aus New Jersey (Nachname: DellaFuckyou). Als ich heute ausgebliebene Wahlversprechen damit verteidigte, dass es den perfekten Präsidenten wohl nur in einer Diktatur ohne jeden Widerspruch geben könnte, kam als Antwort: “Sich über solche Details der (US)-Demokratie zu beschweren, ist wie wenn man sich über die Busfahrpläne in Moskau zur Stalin-Ära mokiert – da passt mal 99,95 % Grundlegenderes nicht.” Obama sei “Opium fürs Volk” und habe nichts weiter verändert, als unsere Selbstbeweihräucherung in Sachen Toleranz.

Ich denke, mit diesem “Opium fürs Volk” ist es ein bisschen wie mit vielen anderen Drogen-Mythen: Von der beruhigenden, eskapistischen Wirkung des Obama-Opiums haben auch nur die was gehört, die es selbst noch nie genommen haben. Die USA selbst stecken jedenfalls immer noch in der Krise und dass wir in Europa sie jetzt wieder lieber mögen, ist ihnen (zurecht) genauso egal, wie unser (zu unrecht) um sich greifender Anti-Amerikanismus in Zeiten der Bush-Präsidentschaft. Wenn überhaupt ein Drogenvergleich passt, dann ist Obama bitteschön das Viagra des Volkes. Es macht niemanden schlauer, erweitert nicht das Bewusstsein und führt vielleicht zu Selbstüberschätzung, aber es lässt dir eine Schwellung wachsen, mit der du stolzer als ein Duracell-Häschen in die Zukunft gehst:

Draußen herrscht inzwischen Biedermeier-Wetter – nicht ganz Sonne, nicht ganz Sturm – und drinnen geht Alucius langsam die Luft aus. Seine Beine schrumpfen zu kleinen Würsten, sein Kopf knickt allmählich ein und lässt die darin liegende Leere erahnen. Nur der Penis steht noch, wie es sich für einen guten Mormonen, äh, für eine gute Sexpuppe gehört. Irgendwo livetickern Besessene jede einzelne Sekunde des Wahlkampfs und bescheinigen ein Unentschieden. Fürs Erste. In der Zwischenzeit unterstreicht die Ebbe über Wien das träge Motto des Westens: “Es muss was geschehen, aber es darf nichts passieren.” Verdammt richtig. Heute ist jeder mit Schadenseindämmung beschäftigt und die große Hoffnung liegt bestenfalls am Horizont. Ein kleiner Trost liegt für mich in der Erektion von Obama. Selbst, wenn dieser Mann irgendwann nicht mehr Präsident ist, wird sich sein Penis immer noch stolz in den unpassendsten Momenten aufrichten und damit den American Dream leben. Auch, wenn Europa vielleicht nicht mehr viel zählt und große Gesten von uns genauso viel wert sind, wie Heulkrämpfe von sentimentalen Senioren: Wenn es hilft, würde ich mich von diesem Boner jederzeit facefucken lassen. Jawoll, Mr. President. Wenn Sie sich also mal ein bisschen abreagieren müssen, bitte. Michelle kann ja auch nicht immer. Und ich muss gestehen, in diesen asexuell aufgeladenen politischen Zeiten macht mich diese Vorstellung sogar ein bisschen an. Aber womöglich finde ich es auch nur geil, wie Alucius vor sich hin stirbt. Mahalo!


ALMOSEN FÜR DIE HOSENLOSEN:

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