Menschen erzählen, wie sie durch ihre Fahrprüfung gefallen sind

Ein Fahrprüfer im Fahrschulauto

Erwachsenwerden ist hart. Man muss: nervige Abschlussprüfungen schreiben, obwohl man Liebeskummer hat. Alkoholabstürze im Park zelebrieren, um seine Freunde zu beeindrucken. Und den Führerschein machen, damit man einfach losfahren kann, wenn einem alles zu viel wird.

Wenn das nur so einfach wäre. Erst einmal muss man qualvolle Theoriestunden bei einem monoton vor sich hin redenden Fahrschullehrer oder einer gelangweilten Fahrschullehrerin über sich ergehen lassen, bis man die Stundenanzahl erreicht hat. Stunde um Stunde sitzt man später in einem ranzigen Fahrschulauto und übt verzweifelt, hinter dem Steuer nicht loszuweinen. Und dann steht endlich die lang ersehnte Fahrprüfung an.

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Diese eine entscheidende Fahrt, die mehr schlaflose Nächte und mentalen Stress verursacht als jede Abiturprüfung. Sie hat schon Menschen in den finanziellen Ruin getrieben und, trotz aller Übung, unzählige Heulkrämpfe verursacht. Manchmal passieren einfach Dinge, mit denen niemand gerechnet hatte. So wie bei diesen Menschen:

Olaf, 27

“Meine praktische Führerscheinprüfung ist ein Protokoll eines Scheiterns. Nachdem ich die theoretische Prüfungen locker bestanden hatte, ahnte ich schon Böses. Erstens wusste ich schon vorher, dass ich nicht der begabteste Autofahrer bin. Als sich im Schulhof der Oberstufe meine Klassenkameraden über Formel-1-Rennen, Oldtimer und Lamborghini-Flügeltüren unterhielten, interessierte ich mich immer eher für Politik, Fußball oder den herumkreisenden Joint. Aber nicht nur mein Desinteresse für motorisierte Gefährte, auch die leidvolle Erfahrungen in den Übungsstunden machten mir schnell klar: Ain’t that easy, diesen Führerschein zu bekommen. So wusste mein Fahrlehrer schnell, wer dieser ‘Spezi’ Olaf war.

Im Laufe der Fahrstunden wurde ich immer und immer wieder Zeuge, wie sich der füllige Mike über meine Parkmanöver und Schaltversuche beömmelte. In der Führerscheinprüfung hatte ich schon schweißige Hände, als der Prüfer auf dem TÜV-Gelände einstieg und seinen Bewertungsbogen zurecht legte. Zwei Mal abgewürgt und auf der Autobahn die Fahrbahnmarkierung mehrmals überfahren: durchgefallen. Beim zweiten Mal auch im 17. Versuch daran gescheitert, rückwärts einzuparken. Beim dritten Versuch dann auch mal straight als Geisterfahrer in eine Einbahnstraße gefahren. Danach waren meine Eltern etwa 1.000 Euro ärmer – man muss für jeden neuen Versuch ja Übungsstunden kaufen –, ich einige Selbstmordgedanken reicher und als Konsequenz aus beidem: bis heute froher Fahrrad- und ÖPNV-Nutzer. Beim vierten Mal hab ich es dann geschafft, im nächsten Jahr will ich den ersten Gebrauchtwagen, auch wenn nie ein Fernando Alonso aus mir wird. Fuck that Shit.”

Sina, 24

“Während der Prüfung bin ich über einen Gullydeckel gefahren. Er war offen. Ich hab ihn komplett übersehen – das Flatterband und die beiden rot-weißen Schilder leider auch. Damit war die Fahrt dann beendet.”


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Lena, 28

“Ich schäme mich immer, zugeben zu müssen, dass ich durch meine Führerscheinprüfung gefallen bin. Schließlich bin ich eine gute Autofahrerin und habe auch ohne Lappen schon Donuts mit dem Firmensportwagen meines Vaters gedreht – um zu lernen, ‘wie man ein Auto mit der Handbremse kontrollieren kann’.

Als ich beim TÜV im Fahrschulauto saß, zitterten aber plötzlich meine Hände. Ich hatte damals ziemlich familiäre Probleme und bereitete mich parallel auf meinen Schulabschluss vor. Da waren keine mentalen Kapazitäten für Versagen übrig. ‘Sie können gerne etwas anderes hier streicheln, aber nicht das Gaspedal’, kommentierte mein Fahrprüfer von der Rückbank meine Aufregung und zwinkerte mir schmierig zu. Und auch in den restlichen 45 Minuten ließ er keine Gelegenheit aus, um darauf hinzuweisen, dass Frauen in anderen Bereichen ‘talentierter’ seien als beim Autofahren.

Dabei lief der Großteil der Prüfung gut. Mein Fahrlehrer erklärte mir später sogar beeindruckt, dass ich besser einparken könne als er. Aber dann machte ich einen Fehler. Ich konnte das TÜV-Gebäude schon sehen, ich musste nur noch eine Straße überqueren. Die war von beiden Seiten auf gut 500 Meter problemlos einsehbar und es war weit und breit kein Auto in Sicht. Als ich am Grünen Pfeil nach rechts abbiegen sollte, stoppte ich nicht komplett, ich rollte noch minimal. Und mein Fahrprüfer brach die Prüfung sofort ab. ‘Das ist aber schade’, rief er von der Rückbank, ‘dabei lief das doch jetzt alles fast perfekt!’. Mein Fahrlehrer war fassungslos. Normalerweise würde man in solchen Fällen ein Auge zudrücken, sagte er mir, als er mich zurück nach Hause fuhr und ich auf dem Beifahrersitz einen hysterischen Heulkrampf bekam. Bis heute kommt mir die Galle hoch, wenn ich ‘TÜV’ höre.”

Sebastian, 21

“Ich bin durch die Prüfung gefallen, noch bevor ich den Parkplatz verlassen habe. Vor Aufregung habe ich beim rückwärts Ausparken ein vorbei schleichendes Auto übersehen. Mein Fahrlehrer, der sich gerade erst richtig angeschnallt hatte, musste sogar im letzten Moment eingreifen.”

Karin, 28

“Das erste Mal, als ich die Autoprüfung machte, beging ich den Kapitalfehler: bei einem Fußgänger nicht abbremsen. Das war nicht gerade förderlich für meine Prüfungsangst. Beim zweiten Mal habe ich das mit dem Rückwärtsfahren nicht hinbekommen und beim dritten Mal hat einfach nichts richtig geklappt, sodass ich schlussendlich zu viele Fehler hatte. In der Schweiz kann man die praktische Autoprüfung dreimal machen, bevor man zum Psychologen muss – so durfte ich schließlich Fragen zu Prüfungsangst beantworten.

Er fragte mich unter anderem, ob ich mich als Autofahrerin überhaupt wohlfühle. Das war unglaublich frustrierend. Da ich auf dem Land aufgewachsen bin, wollte einfach so schnell wie möglich die Fahrprüfung machen, weil man sonst nirgendwo hinkommt. Beim vierten Mal konnte ich meine Prüfungsangst überwinden und dann hat es endlich geklappt.”

Moritz, 27

“Beim ersten Mal war ich zu aufregt, habe unter anderem das Anfahren am Berg verkackt. Beim zweiten Mal bin ich in eine Spielstraße eingefahren, langsam, aber im zweiten Gang. Mein Fahrlehrer und der Prüfer wurden sofort wild, ich verstand nicht warum. Die Prüfung war da zu Ende. Ich hätte im ersten Gang rollen lassen müssen. Dass ich in den ganzen Übungsstunden vorher kein einziges Mal durch eine Spielstraße fahren musste, ließ mein Fahrlehrer nicht gelten. Beim dritten Mal zwei Tage nach Silvester habe ich leicht nachverkatert und im tiefsten Schnee irgendwie bestanden.”

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