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Familienaufstellung: Skywalker

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Star Wars ist nicht nur die erfolgreichste Spielfim-Saga des Universums, es ist auch die konfliktreichste Familienhistorie Hollywoods. Was mit Anakin Skywalkers Wechsel auf die dunkle Seite der Macht seinen Anfang nahm, gipfelte schließlich in dem epischen Ödipus-Kampf von Darth Vader und Luke Skywalker: Vater gegen Sohn.

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Umso dringender stellt sich vor dem Start von Episode VII nun die Frage nach der Zukunft von Luke Skywalker. Mit welchem Charakter wird Luke, der seinen eigenen Vater in Episode VI in die Knie zwang, um der dunklen Macht vorerst ein Ende zu setzen, auf die Leinwand zurückkehren? Wird er hell oder gar dunkel sein?

Seit dem Erscheinen des finalen Trailers zu „Star Wars: Episode VII—Das Erwachen der Macht” überschlagen sich die Theorien: Mit Han Solo, Prinzessin Leia und Chewbacca treten schließlich drei zentrale Charaktere der vorigen Trilogie auf. Einzig von Skywalker fehlt jede Spur. Und das, wo Mark Hamill doch als Darsteller gelistet ist. Hat es Luke womöglich auf die dunkle Seite der Macht getrieben? Führt er gar das Erbe seines Vaters fort?

„Star Wars kann als Neuauflage der Ödipus-Sage gedacht werden”, meint Timo Storck, er ist Professor für klinische Psychologie und Psychotherapie an der Psychologischen Hochschule Berlin, die Kulturpsychologie zählt zu seinen Fachgebieten. Dass der Satz „ich bin dein Vater” als ikonischer Slogan in die Popkultur einging, sieht er als klares Indiz für die zentrale Rolle, die der Familienkonflikt in Star Wars spielt.

„Die Sith sind vor allem emotions-, die Jedi dagegen vernunftgesteuert”

Gleichzeitig zeigt die Bedeutung und auch die Fan-Rezeption des Vater-Sohn-Konflikts, wie fundamental der Ödipus-Konflikt für die menschliche Psychologie insgesamt ist. Hollywoods erfolgreichste Saga spinnt sich um die zerrüttete Patchwork-Familie der Skywalkers, erzählt dabei vom Fehlen mütterlicher Figuren, der Angst vor Verlust, entfachter Geschwisterliebe und endet nach sechs Episoden im tödlichen Duell zwischen Vater und Sohn.

Dabei geht es um „sehr allgemeine menschliche Themen”, wie Professor Storck uns erläutert. Als wir ihn nach einer Famillienaufstellung rund um Luke und Han Solo fragen, antwortet er erfreut: „Die Kulturpsychologie ist sowieso mein Fachgebiet.”

Mit seiner Hilfe unterzogen wir die Ödipus-Protagonisten Anakin Skywalker respektive Darth Vader und dessen Nachkömmling Luke Skywalker einer Ferndiagnose—und stießen dabei nicht nur auf Lücken und Missverständnisse moderner Familienpsychologie, sondern auch einen möglichen Ausblick auf die Fortsetzung des Epos: Welche psychologischen Muster stecken hinter Hollywoods größtem Vater-Sohn-Konflikt? Und was mögen uns die Symptome über Luke Skywalkers Zukunft verraten?

Die emotionalle Entwicklung des jungen Skywalker

Hollywoods prominenteste Ödipus-Geschichte nimmt ihren Anfang im Heranwachsen des jungen Anakin Skywalker und dessen emotionalen Konflikten in den Episoden I bis III. Während Anakin zum Jedi ausgebildet wird, hat er immer wieder auch mit persönlichen Konflikten zu kämpfen, etwa als seine Mutter in Episode II von Tusken-Räubern entführt wird und anschließend in den Armen des jungen Padawan stirbt.

Kurz bevor sich der Kampf gegen die dunkle Seite in der Schlacht mit Darth Vader entlädt, entpuppt sich der Ödipus-Konflikt.

„Die Sith sind vor allem emotions-, die Jedi dagegen vernunftgesteuert”, erklärt Prof. Timo Storck, und hält das für eine nicht unerhebliche Bürde in der psychologischen Entwicklung des jungen Anakin. „Wenn man meint, ein Kind auf Aggressionslosigkeit trainieren und ihm beibringen zu können, nie wütend zu sein, werden sich diese Gefühle anders ihren Weg bahnen.”

Fehlte Anakin in seiner Jedi-Entwicklung womöglich ein Rahmen für Wut, Verzweiflung und ungesteuerte Emotionalität? Der Jedi-Rat weist in Episode I schließlich darauf hin, dass Anakin Skywalker bereits zu viele negative Erfahrungen in sich trage, um zum Jedi-Ritter ausgebildet werden zu können. Auf Insistieren von Obi-Wan wird Anakin schließlich doch in den Kreis aufgenommen. „Man kann sich diese Emotionen aber nicht abtrainieren und so kommen sie mit einem Boomerang-Effekt umso heftiger und unintegrierter zurück.”

Psychologische Projektion: Anakin und das Andere

Eine zentrale Emotion, die Anakin in Episode III immer stärker auf die dunkle Seite der Macht treibt, ist die Angst, seine Frau Padmé zu verlieren. Doch „Anakin hat vielleicht vielmehr Angst, selbst etwas Gewalttätiges und Unkontrolliertes zu tun, das geliebte Personen schädigt”, meint Storck. Die Folge: Anakin verlagert seine Angst nach außen.

Der letzte, entscheidende Kampf zwischen Vater und Sohn. Screenshot Youtube

„Psychologisch nennt man das Projektion: Das, was eigentlich zu mir gehört, erlebe ich nur am Anderen. Als Darth Vader ist Anakin letztendlich derjenige, der seiner eigenen Familie und dem Universum den meisten Schaden zufügt.”

Dieser Mechanismus der Projektion kommt auch in sozialpsychologischen Theorien vor, die solche inneren Konflikte als einen Faktor für die Entwicklung von Fremdenhass sehen: „Ich habe Angst, von Fremden angegriffen zu werden, deshalb bekämpfe ich sie—eigentlich habe ich aber Angst vor etwas in mir selbst.

Wenn ich etwa Angst vor Einbrechern habe und an jeder Tür drei Schlösser anbringe, kann das an der unbewussten Fantasie von etwas Eigenem, Zerstörerischem liegen. Es geht in dem Fall um eine Angst, in die eigene Identität könnte etwas Destruktives einbrechen.”

Die Balance im Patriarchatskonflikt

Anakin Skywalkers Wechsel zur dunklen Seite der Macht ist nicht nur die zentrale Erzählung der ersten Star-Wars-Trilogie, sondern legt auch den Grundstein für den darauf folgenden Patriarchatskonflikt von Luke Skywalker und Darth Vader.

Doch was hätte den jungen Anakin Skywalker von seinem destruktiven Weg abhalten können? „Psychologisch würde man sagen: Wäre Anakin am Anfang etwas weniger hell und gut gewesen, dann hätte er nicht so böse und dunkel werden müssen. Wäre das, was ins Böse umschlägt, von Anfang an integrierter gewesen, hätte kein so dichotomer Wechsel stattfinden müssen.” In Star Wars werden die helle und die dunkle Seite der Macht radikal getrennt.

Gründet sich Anakins Wechsel auf die dunkle Seite also aus einer fehlenden Balance beider Seiten? Storck sieht hier kulturpsychologische Parallelen zur Charakterentwicklung von Tobey Maguire, der in „Spider-Man 3″ eine Zeitlang zum dunklen Spider-Man namens Venom mutiert: „Dieser Heldenfigur stellt sich eine ähnliche Aufgabe. Als Spider-Man ist man nicht nur derjenige, der allen hilft und Gutes tut, es gibt immer auch eine Kehrseite. Und es geht um die Aufgabe, dies zu integrieren. Anakin gelingt das nicht.”

Der Kampf gegen die dunkle Seite und die Ödipus-Theorie

Luke Skywalkers Kampf gegen die dunkle Seite der Macht ist das zentrale Motiv der Episoden IV bis VI. Und kurz bevor sich eben jene Fehde im Zweikampf mit Antagonist Darth Vader entlädt, entpuppt sich der Ödipus-Konflikt: Luke Skywalker erfährt von Jedi-Meister Yoda, dass es sich bei Darth Vader um seinen eigenen Vater handelt.

Als Vader sich nach dem finalen Duell schließlich geschlagen geben muss und sterbend in Lukes Händen liegt, bittet er seinen Sohn, die dunkle Maske zu entfernen. Senior und Junior blicken sich nun zum ersten Mal in die Augen und haben ihren Konflikt überwunden, so scheint es.

„Es würde ihm gut tun, etwas mehr wie Han Solo zu sein, nicht immer nur vernünftig und gut.”

Für Timo Storck ist die Sache mit dem Ödipus-Konflikt nicht ganz so einfach: „Dreh- und Angelpunkt in der psychoanalytischen Ödipus-Theorie sind Beziehungsgeflechte. Nach Freudscher Entwicklungstheorie bringt die Ödipus-Sage, wie Sophokles sie aufschreibt, etwas ganz Allgemeines in Bezug auf menschliche Konflikte mit sich. Das wird gerne verkürzt auf die Figur von fünf- bis sechsjährigen Jungen, die den Vater aus dem Weg räumen wollen, um die Mutter für sich zu haben.

Man muss aber differenzieren: Es geht dem Jungen darum, sowohl die Mutter als auch den Vater für sich zu haben. Heute würde man sagen, es geht von Geburt an um Erfahrungen des kleinen Kindes, in denen es lernt, dass andere Menschen in der Welt Beziehungen untereinander haben—und aus denen können sie ausgeschlossen sein.”

Im Sinne der Ödipus-Theorie würde der junge Skywalker seinen Vater aus dem Weg räumen, um seine Mutter für sich zu beanspruchen. Doch Storck merkt an, dass die mütterliche Seite im familiären Konflikt von Episode IV bis VI konsequent ausgespart werde—zumindest auf den ersten Blick. Folglich kann Skywalker kaum gegen seinen Vater und um seine Mutter kämpfen. Führt er also vielmehr einen Kampf um seinen Vater? Dass Skywalker dabei die dunkle Seite der Macht im Weg steht, könnte für Prof. Storck auch etwas über die psychologische Bedeutung der allgegenwärtigen Macht selbst bedeuten: „Könnte die Macht nicht auch mütterlich sein?”

Wie der Vater, so der Sohn?

Episode VI beendete den ödipalen Konflikt zwischen Vater und Sohn mit dem Tod von Darth Vader und der Niederlage der dunklen Seite der Macht. Doch der Titel von Episode VII verrät es bereits: Die Macht erwacht.

Auf welcher Seite wird sich Luke Skywalker diesmal positionieren? Führt er womöglich das Erbe seines Vaters fort? Storck plädiert für eine metaphorische Perspektive: „Wenn man das Ende von Episode VI als symbolischen Vatermord interpretiert, dann löst sich Luke Skywalker von der Vorgabe, er müsse sich den Prinzipien des Vaters unterwerfen und für immer sein Schüler sein.

Der symbolische Vatermord würde es möglich machen, sich über die Prinzipien des Vaters auch hinwegsetzen zu können—und die Folge wäre das eigene Erwachsenwerden. So gelesen ergäbe das Ende von Episode VI einen willkommenen und förderlichen Entwicklungsschritt für Luke Skywalker. Er hat einen Schritt unternommen, der es ihm ermöglicht, ein Leben nach eigenen moralischen Prinzipien zu führen. In diesem Sinne würde ich mir um Lukes weitere Entwicklung erstmal keine Sorgen machen.”

Allerdings findet Storck es für den Ausblick auf die folgenden drei Episoden auch kritisch, dass Luke Skywalker „schon [immer] ziemlich gut gewesen ist”. Ist sein Charakter vielleicht ein wenig zu hell?

Man erinnere sich an den finalen Zweikampf: Vader liegt Luke wehrlos zu Füßen. Als der Imperator Luke dazu auffordert, Vader zu töten, wirft Luke sein Lichtschwert fort und weigert sich, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. „Es würde ihm gut tun, etwas mehr wie Han Solo zu sein, nicht immer nur vernünftig und gut”, stellt Storck fest. „Unter dieser Perspektive würde ich mir vielleicht doch Sorgen um Luke Skywalker in Episode VII bis IX machen.”

Luke droht die dunkle Seite der Macht nicht unbedingt wegen des indirekten Vatermords. Könnte es nicht viel mehr das fehlende Ausleben seiner egoistischen Charakterzüge sein, das Luke auf die dunkle Seite der Macht ziehen könnte?

Schafft es Luke, in Zukunft zu erkennen, dass er dunkle Züge in sich trägt? „Wenn ja, dann schätze ich die Aussichten für ihn gut ein. Gelingt es ihm nicht, droht vielleicht [doch] die dunkle Seite der Macht.”