Warum Freiburger Studierende ein Porno-Start-up gegründet haben

Ein feministischer Pornodreh mit einem küssenden Paar in einer Küche, umringt vom Filmteam

Spätestens seit den Filmen von Erika Lust hat sich ein Genre etabliert, bei dem Frauen nicht nur als spermaschluckende Sexobjekte dargestellt werden: In feministischen Pornos verkörpern Frauen eine gleichberechtigte Rolle. Endlich.

Dennoch bleiben solche Pornos Nischenprodukte – besonders in Deutschland. Eine Gruppe von Studierenden aus Freiburg hat deshalb selbst einen Film gedreht. Wir haben mit der Studentin Kira Renée Kurz (25) gesprochen, die die Produzentin des Projekts ist.

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VICE: Kira, es gibt ja längst feministische Pornos. Warum braucht es noch einen von euch?
Kira: Feministische Pornos sind oft sehr abstrakt und experimentell. Es handelt sich eher um Kunstwerke, sodass es schwer fallen kann, sich damit zu identifizieren. Wir wollten eine natürliche und alltägliche Sexualität darzustellen, in die man sich besser hineinversetzen kann. Deshalb handelt es sich bei unserem Porno auch mehr um einen Kurzfilm als um einen klassischen Porno.

Außerdem finden wir, dass noch immer zu wenig Safersex, also mit Kondomen geschützer Sex, gezeigt wird. Auch das war uns bei unserem Film sehr wichtig.

Worum geht es in eurem Porno?
Ein junger Mann trampt und wird von einer Frau mitgenommen. Während der Fahrt lernen sich die beiden Protagonisten kennen, es entwickelt sich eine Intimität zwischen ihnen. Fast die Hälfte des Films besteht aus dem Kennenlernen. Während dieser Teil geskriptet ist, durften die Darsteller bei dem sexuellen Teil selbst entscheiden, was sie machen wollen. Dadurch wollten wir den Protagonisten die Freiheit geben, das zu tun, womit sie sich wohlfühlen. Die einzige Vorgabe war, dass es Safersex sein muss.


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Wie habt ihr die Schauspieler gecastet?
Die beiden Schauspieler sind Amateure und haben sich zusammen als Pärchen nach einem Instagram-Aufruf bei uns gemeldet. Nachdem wir mit dem Pärchen geskypt und uns persönlich mit ihnen getroffen hatten, war schnell klar, dass das gut funktionieren würde.

Sie wurden dann auch in den Entwicklungsprozess miteinbezogen, um die Charaktere möglichst authentisch darstellen zu können. Bezahlen konnten wir sie dafür leider nicht, da wir noch am Anfang stehen und kein Geld zur Verfügung haben. Den beiden ist es auch ein persönliches Anliegen, alternative Bilder von Sexualität zu zeigen.

“Beim sexuellen Teil durften die Darsteller selbst entscheiden, was sie machen wollen. Dadurch wollten wir ihnen die Freiheit geben, das zu tun, womit sie sich wohlfühlen. Die einzige Vorgabe war, dass es Safersex sein muss.” – Kira über ihr Porno-Start-up

Wie kamt ihr auf die Idee, einen Porno zu drehen?
Ich habe nach meinem Bachelor ein Jahr in einer Schule gearbeitet und auch mal Sexualaufklärung unterrichtet. Durch Gespräche mit Sexualpädagogen kam ich dann auf das Thema Pornografie und deren Auswirkungen. Leider wird in Pornos noch immer häufig mit Klischees und herabwürdigenden Darstellungen gearbeitet.

Als ich Leon, einen Freund von mir in Freiburg, kennenlernte und wir feststellten, dass wir solche klischeehaften Bilder beide problematisch finden, kamen wir auf die Idee, selbst einen Porno zu drehen.

Hofft ihr, dass sich auch Männer den Film anschauen und verstehen, dass es mehr Spaß macht zu masturbieren, wenn das Frauenbild ein wertschätzendes ist?
Ganz klar, ja! Es gibt auch sehr viele Männer die sich daran stoßen, dass die gezeigten Szenen nicht ihren Werten entsprechen und lieber Filme mit fairen Produktionsbedingungen sehen möchten.

Wer war an dem Projekt alles beteiligt?
Um unser Vorhaben umzusetzen, haben wir unser eigenes Porno-Start-up “feuer.zeug” gegründet. Wir wollten nicht einfach nur einen Film drehen – wir wollen mit unserer Filmgruppe Teil der Gegenbewegung zur Mainstream-Porno-Industrie sein. Mitglieder sind hauptsächlich Freunde und Bekannte von Leon und mir. Im Oktober konnten wir dann mit einem 13-köpfigen Team den ersten Porno drehen.

Das Gründerteam des Porno-Start-ups
Leon Schmalstieg und Kira Renée Kurz haben ihr eigenes feministisches Porno-Start-up gegründet | Foto: feuer.zeug

“Wir wollten nicht einfach nur einen Film drehen – wir wollen Teil der Gegenbewegung zur Mainstream-Porno-Industrie sein.” – Kira über “feuer.zeug”

Was verstehst du unter einem feministischen Porno?
Bei einem feministischen Porno spielen zwei Ebenen eine wichtige Rolle: die Produktions- und die Darstellungsebene. Das bedeutet, dass Schlüsselpositionen in der Produktion mit Frauen besetzt werden und diese den Porno maßgeblich mitgestalten. Bei der Darstellung ist es wichtig, auf herabwürdigende Szenen komplett zu verzichten. Es sei denn, beide wollen das. Konsens ist von großer Bedeutung, also zu zeigen, dass alle beteiligten Darsteller auf das Gezeigte wirklich Lust haben.

In Hinblick auf die Körperbilder wünschen wir uns eine große Vielfalt. Das gilt natürlich genauso für geschlechtliche Vielfalt und sexuelle Orientierungen. Auch eine anti-rassistische Positionierung finden wir sehr wichtig. Klassische Pornos in denen beispielsweise dunkelhäutige Menschen mitspielen, werden oft als “exotisch” bezeichnet – ein sehr rassistischer Ausdruck.

Was muss man am Set beachten, wenn man mit Laien dreht?
Unabhängig davon, ob man mit Profis oder Amateuren arbeitet, ist es wichtig, dass sich am Set alle wohlfühlen – vor allem, weil die Darsteller beim Sex einen großen Teil ihrer Persönlichkeit nach außen tragen. Deshalb haben wir uns schon vor dem eigentlichen Dreh oft getroffen, damit sich das Team kennenlernt und man sich nicht am ersten Drehtag zum ersten Mal begegnet.

Wir haben die gescripteten Szenen zuerst gedreht, damit sich alle einspielen und sich die Schauspieler bei den intimen Szenen wohlfühlen können. Da waren dann auch nur Regisseurin und Kameramänner anwesend und es gab keine Anweisungen mehr, sondern die Darsteller konnten selbst entscheiden, was sie uns zeigen wollen.

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Wie war die Stimmung am Set?
Freundschaftlich und locker. Trotzdem hatten wir natürlich wie bei jedem anderen Filmdreh einen Zeitplan, den wir grob einhalten wollten. Aber ich finde, wir haben es trotz entspannter Atmosphäre gut hinbekommen, produktiv zu sein. Wir hatten eine Sorgenbeauftragte am Set, mit der man reden konnte, falls einen irgendetwas belastet. So wollten wir dafür sorgen, dass keine Grenzen überschritten werden und sich jeder wohlfühlt. Es wurden jedoch keinerlei Probleme an sie herangetragen.

Werdet ihr noch mehr Pornos drehen?
Die Motivation ist auf jeden Fall da. Aber erstmal müssen wir abwarten, wie unser erster Porno ankommt und je nachdem können wir schauen, ob wir weitere Pornos finanzieren können.

Der Film von “feuer.zeug” feiert am 8. Januar Premiere in Freiburg. Hochladen wollen sie ihn auf feministischen Pornoplattformen. Mehr Infos findet ihr auf ihrer Website.

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