Yo Inky, du wirst auf immer in die Geschichte eingehen als El Chapo der Weltmeere.
Respektvoll werden sich deine grätigen Freunde im Südpazifik vor dir verbeugen, auch wenn du ihnen zum zwölften Mal erzählst, aus welchem unentrinnbarem Gefängnis du ausgebrochen bist: Dem staatlichen Aquarium von Neuseeland in Napier. Stolz wirst du ihnen die Narben aus dem scharfkantigen 50m-Abflußrohr präsentieren, das dich letztlich wieder dahin gespült hat, wo du hingehörst: Heim in den Ozean, du achtarmiger Bandit.
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Tatsächlich wollte doch das Aquarium von Napier den bereits zu Beginn des Jahres spektakulär getürmten Oktopus vor der Öffentlichkeit geheim halten. „Inky hat einen Houdini gemacht“, gab die Aquariumleitung dann gestern endlich auf Facebook zu, nachdem der als „beliebt und neugierig” beschriebene Tintenfisch von mehreren Besuchern vermisst wurde.
Die vielleicht spektakulärste Flucht eines Tieres (definitiv aber die eines Tintenfisches!) scheint 1:1 von der berühmten Zahnarztpraxis-Szene aus „Findet Nemo” inspiriert worden zu sein:
„Inky” wartete ab, bis ein Angestellter bei Wartungsarbeiten den Deckel seines Aquariums nicht ganz richtig aufgelegt hatte. Dann hangelte er sich unbemerkt am Beckenrand hoch, schlüpfte durch den kleinen Spalt nach außen, sprang (möglicherweise) mit einem Salto Mortale auf den Boden und schleimte sich quer durch den Raum. Sein Ziel hatte er schon angepeilt: Ein offenes Abflussrohr in der Ecke, das direkt ins Meer führte, und… „weg war er. Hat nicht mal ne Nachricht hinterlassen”, schmollte der Aquariums-Manager Rob Yarrall im öffentlich-rechtlichen Radio New Zealand.
Tintenfische sind nicht nur sehr klug (sie besitzen neun „Gehirne”—eins für den Kopf, ein größeres Nervenbündel für jeden ihrer acht Arme) und stellen sich enorm geschickt im Lösen handwerklicher Aufgaben an (auch den Weltrekord im Dosenöffnen hält ein neuseeländischer Oktopus), sondern schaffen es auch, ihren weichen Körper auf die Größe ihres Schnabels zusammenzuquetschen—was erklärt, wie der „El Chapo der Weltmeere” sich durch ein Rohr zwängen konnte, das nur 15 cm Durchmesser hatte.
Mit diesem Stunt hat sich Inky einen Platz in einer langen Reihe der aufsehenerregenden Tier-Türmungen aus Zoos und anderen Gefängnissen verdient—eins der berühmtesten Fluchttiere wurde sogar nach dem kriminellen Mastermind Fu Manchu benannt. Der Orang-Utan mit dem gleichen Namen kletterte durch Lüftungsschächte und knackte sein eigenes Käfigschloss im Zoo von Omaha, versteckte den Draht professionell vor den Wärtern in seinem Mund und hing mit seiner Gang lässig in benachbarten Bäumen ab.
Als ein weiterer spektakulärer Ausbruch darf die Geschichte von Chuva gelten, einem königsblauen Macaopapagei aus dem Zoo in Vancouver in Kanada. Weil der Mensch das gemeinste aller Biester ist, hatte er dem Vogel die Flügel gestutzt, doch während einer Art gemeinschaftlichen Freigang im Zoogarten nutzte der verstümmelte Papagei seine Chance, machte sich ab durch die Hecke und schnappte sich eine Mitfahrgelegenheit in Form eines Wohnmobils, das gerade den Parkplatz verließ. Erst rund 40 Kilometer weiter wurde er aufgegriffen.
Beschreibung des Getürmten: „ungefähr so groß wie ein Rugbyball”
Gangsterboss-Tintenfisch Inky kam 2014 in einem recht heruntergerocktem Zustand in das neuseeländische Aquarium. Ein Fischer hatte ihn mit Kampfnarben und abgeschnittenen Gliedmaßen (ein echter Yakuza eben) nur einen halben Kilometer vor Napiers Küste aus einem Fangkorb gezogen, wo er seine Zeit damit verbrachte, mit lästigen Fischen zu kämpfen.
Inky, der als waschechter Neuseeländer „ungefähr so groß wie ein Rugbyball” beschrieben wird, ist derweil über alle Berge. Die Angestellten fanden lediglich ein paar verräterische, kreisförmige „Oktopusspuren” in Form von Saugnapf-Abdrücken am Boden, wodurch sie seine Flucht minutiös rekonstruieren konnten.
„Ja, das ist maximal ungewöhnlich, und ja, wir werden den anderen [Oktopus] genau beobachten”, sagte der Aquariumsdirektor der Tageszeitung Hawkes Bay Today über den Ausbruch. Denn Inky ist dort nicht der einzige seiner Art: „Wir haben noch einen Tintenfisch, Blotchy, aber der ist kleiner und hat nicht wirklich so eine Persönlichkeit wie Inky”, gab sich Yarrell enttäuscht.
Hoffen wir, dass Blotchy dieses harsche Urteil nicht gehört hat—sonst könnte er sich ebenfalls zur Flucht aufmachen. Schließlich ist er der einzige Mitwisser.