Fleischersatz hat in China eine jahrhundertealte Tradition

Chinees vlees

Päckchen mit gefrorenem Lammfleisch, Riesengarnelen und Innereien stapeln sich in der Tiefkühltruhe eines großen chinesischen Supermarktes. In den Regalen stehen bunte Konservendosen mit Ente, Hühnchen und Muschelfleisch. Doch auch wenn die Produkte täuschend echt aussehen, enthält keines von ihnen Fleisch oder Fisch.

Es ist leicht, Fleischersatz für ein neues Phänomen zu halten, dass parallel zur steigenden Anzahl an Vegetariern und Veganerinnen entstanden ist. Die Firma Quorn, die seit 1985 vegetarische Lebensmittel herstellt, verzeichnet momentan die besten Verkaufszahlen in ihrer Geschichte. Der deutsche Wursthersteller Rügenwalder Mühle machte 2017 rund ein Viertel seiner Erlöse mit Fleischalternativen, bis 2020 sollen es 40 Prozent werden. Obwohl einige Veggie-Produkte wegen zu hohem Salzgehalt, Geschmacksverstärkern und Mineralölrückständen im “Ökotest” nicht gut abschneiden, scheint die Nachfrage nach Soja-Hack, Tempeh-Würstchen, Seitan-Burgern und anderen Ersatzprodukten immer weiter zu steigen.

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Da inzwischen fast jeder Supermarkt vegane Produkte im Sortiment hat, ist der Zugang zu Fleischersatz heute so einfach wie noch nie. Dabei werden Soja, Weizengluten und Tofu schon seit Jahrhunderten als alternative Proteinquelle genutzt.

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“Knusprige Tiger Prawns” im Londoner Supermarkt SeeWoo | Alle Fotos: Ruby Lott-Lavigna
Vegetarisches Hühnchen in der Tiefkühltruhe von SeeWoo
Vegetarisches Hühnchen in der Tiefkühltruhe von SeeWoo

“Viele Menschen glauben, dass Fleischersatz eine moderne, westliche Erfindung ist, dabei ist es tatsächlich eine chinesische”, sagt die Expertin für chinesisches Essen Fuchsia Dunlop. “Einige der chinesischen vegetarischen Gerichte sind außergewöhnlich, denn sie kommen dem Original sehr nahe.”

Tatsächlich sind Chinesen wahre Meister, wenn es darum geht, Fleisch und Fisch täuschend echt zu imitieren. Im richtigen Restaurant wird das schon beim ersten Bissen der “vegetarischen krossen Ente” klar – normalerweise Weizengluten oder Tofu, der so frittiert ist, dass er von einer knusprigen Entenhaut kaum zu unterscheiden ist. Diese verführerischen Gerichte haben einen festen Platz in Chinas langer kulinarischer Geschichte. Dunlop sagt, dass Fleischersatz bereits in den Aufzeichnungen über chinesische Festessen erwähnt werden, die aus dem Mittelalter stammen.


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“Es gibt Aufzeichnungen aus der Tang-Dynastie, zwischen 618 und 907, über ein Bankett, bei denen das Schweine- und Lammfleisch in Gerichten durch Gemüse ersetzt wurde”, sagt Dunlop. “Im 13. Jahrhundert gab es in der Hauptstadt der südlichen Song-Dynastie, dem heutigen Hangzhou, Restaurants, die buddhistische, vegetarische Gerichte servierten.”

Die vegetarische Küche in China ist eng mit der Geschichte der buddhistischen Mönche verknüpft, die während der späten Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) ins Land kamen. “Die Gerichte mit Fleischimitat werden vor allem mit buddhistischen Klöstern in Verbindung gebracht”, sagt Dunlop. “Obwohl die Mönche selbst nur einfache, vegetarische Speisen aßen, mussten sie auch Besucher bewirten, zum Beispiel Schirmherren oder Pilgerer.” Darum kopierten die Mönche klassische Fleischgerichte und ersetzten Fleisch und Fisch durch Gemüse, Tofu oder Gluten.

Doch die chinesischen Mönche waren nicht die einzigen, die mit vegetarischen Alternativen experimentierten. Auch ärmere Familien nutzten Tofu und Gluten als kostengünstigen Fleischersatz. Jade Rathor, Gründerin des chinesischen veganen Pop-up-Restaurants Phung Kay Vegan, erzählt mir, dass ihre Eltern aus diesem Grund vor 30 Jahren ein Tofu-Geschäft eröffneten, als sie von China nach Großbritannien zogen.

“Meine Eltern wohnten in einer kleinen chinesischen Stadt, da waren Fleisch und Fisch Luxus”, sagt Rathore mir am Telefon. “Darum stellten sie als Alternative Tofu her. In meiner Kindheit aßen wir sehr oft Tofu. Da er so vielfältig ist, kann man ihn in vielen Gerichten verwenden.”

Veganes Har Gow mit Garnelen im Pop-Up-Restaurant Phung Kay Vegan
Veganes Har Gow mit Garnelen im Pop-Up-Restaurant Phung Kay Vegan

Dunlop kann das bestätigen: “Tofu ist eine wichtige Proteinquelle, nicht nur für Vegetarier. Traditionell konnten sich die meisten Leute nur selten Fleisch leisten, stattdessen aß jeder Tofu. Darum ist es eine Hauptzutat in vegetarischen Gerichten, genau wie Gluten als weitere Proteinquelle.”

In ihrem Restaurant nutzen Rathore und ihre Geschäftspartnerin Angie Li vor allem asiatische Pflanzen wie die Teufelszunge oder Sojaprotein für ihre veganen Kreationen. Viele der Zutaten werden in Asien hergestellt.

Jeder, der schon mal durch einen asiatischen Supermarkt irrte, um ein wenig Reisessig oder eine Dose Bambussprossen zu kaufen, dürfte die große Auswahl an Fleischersatzprodukten aus nächster Nähe gesehen haben. Auch der chinesische Supermarkt SeeWoo in Londons Chinatown bildet keine Ausnahme: Neben der Fleischtheke und großen Behältern mit lebenden Krebsen gibt es eine große Auswahl vegetarischer Ersatzprodukte.

“Wir verkaufen vegane Ente, veganes Hühnchen und vegane Seeschnecken in Dosen”, sagt Wing-Ki To, die Assistentin der Geschäftsleitung des Supermarkts, die uns durch die Reihen führt. “Außerdem gibt es viele Tiefkühlprodukte: Hühnchen, Tintenfisch, Garnelen, Lamm, Rind- und Schweinefleisch.”

Konservendosen mit vegetarischem Hühnchen und Muscheln im Supermarkt SeeWoo
Konservendosen mit vegetarischem Hühnchen und Muscheln im Supermarkt SeeWoo

“Sie bestehen meist aus Weizengluten, die Tiefkühlkühlprodukte werden oft aus Sojabohnen hergestellt”, sagt sie. Außerdem werden mit verschiedenen Proteinen, zum Beispiel aus Bohnen, Garnelen oder Schweinefleisch imitiert. “Die Nachfrage ist groß und meiner Meinung nach ist sie in den letzten Jahren noch gestiegen, seit vegane und vegetarische Ernährung immer beliebter wird.”

Auch wenn die vielfältigen Fleischersatzprodukte, die wir heute im Supermarkt kaufen, meist industriell hergestellt werden, werden viele vegetarische Gerichte in China noch auf traditionelle Weise hergestellt.

“Es gibt sehr beliebte Gerichte in der Jiangnan-Region rund um Shanghai, die gebratene Ente oder gebratene Gans heißen”, sagt Dunlop. “Sie werden aus sehr dünnen Tofu-Schichten hergestellt, die in einer köstlichen Marinade aus Shaoxing-Reiswein, Zucker und Sojasauce eingelegt werden. Sie werden zusammengerollt, gedünstet und dann frittiert. Das Resultat hat große Ähnlichkeit mit gebratener Ente oder Gans: eine goldene, knusprige Haut und eine fleischartige Konsistenz.”

Hört sich wesentlich aufregender an, als ein Tofu-Würstchen aus dem Supermarkt.

Eine Version dieses Artikels erschien zuerst bei MUNCHIES UK.

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