Es gibt alle möglichen invasiven Arten: asiatische Karpfen, Algen, die neue Single von Carly Rae Jepsen, genetisch modifizierte Pflanzen. Während man nichts dagegen tun kann, wenn ein Video, in dem Tom Hanks mit sehr viel Mühe „I really really really like you” von den Lippen abzulesen ist, zu Bill-Murray-Meme-artiger Popularität aufsteigt, haben Forscher des Instituts für Pflanzenanbau der University of Guelph einen Weg gefunden, dass genmanipulierte Pflanzen ihre Pollen nicht weiter auf benachbarten Bauernhöfen und in der freien Natur verbreiten.
Der Forscher Sherif Sherif sagt, sein Team habe ein Gen in Pfirsichbäumen entdeckt, das Pflanzen die Selbstbestäubung ermöglicht. Wenn man dieses Gen genveränderten Nutzpflanzen einsetzen würde, könnte das Risiko enorm verringert werden, nicht-gentechnisch veränderte Nutzpflanzen in umliegenden Feldern und wilde Pflanzen zu kontaminieren.
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„Unsere größte Sorge in der Biotechnologie ist momentan der Genfluss, durch den der Erbfaktor einer transgenen Pflanze auf wilde Arten oder eine Biofarm übertragen wird”, sagt Sherif, dessen Studie letzten Monat im wissenschaftlichen Journal BMC Biology veröffentlicht wurde. „Es gibt beispielsweise einige herbizidtolerante Rapspflanzen, die transgen sind. Wenn dieses Gen auf invasive Gräser übertragen wird, könnte das Resultat eine Art Superunkraut sein, das man nicht vernichten kann. Das passierte ungefähr vor acht Jahren in Alberta, als wilde Rapspflanzen entdeckt wurden, die gegen drei Arten von Unkrautvernichtungsmitteln resistent waren.”
Stellt euch dieses Szenario wie die landwirtschaftliche Version einer Superheldenentstehungsgeschichte vor.
Es existiert aber theoretisch eine Methode, wie gentechnisch veränderte Pflanzen davon abgehalten werden können, wilde oder biologische Pflanzen zu verseuchen: Das von Sherif und seinem Team in einem Pfirsichbaum entdeckte Gen verhindert, dass Pflanzen blühen. Das führt dazu, dass sie nicht fremdbestäubt werden können. So haben die Pflanzen keine andere Wahl, als sich selbst zu bestäuben. Da die Blüten geschlossen bleiben, können die Gene der Pollen nicht vom Wind oder von Bienen auf andere Pflanzen übertragen werden. Wenn die Blüten von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht blühen, kann sich ihre DNA auch nicht auf einem anderen Feld verbreiten.
Stellt euch dieses Szenario wie die landwirtschaftliche Version einer Superheldenentstehungsgeschichte vor. Leider funktioniert das aber nicht bei jeder Pflanze. Zum einen muss die Pflanze sowohl weibliche als auch männliche Fortpflanzungsteile besitzen. Zum anderen müssen die beiden Teile kompatibel sein. Mais hat beispielsweise sowohl männliche als auch weibliche Teile, aber beide brauchen eine andere Maispflanze, um sich vermehren zu können.
„Biobauernhöfe befinden sich in einer Krise, weil sie es sich nicht leisten können, Spuren gentechnisch veränderter Pflanzen in ihren Pflanzen zu haben”, erklärt Sherif. „Die Biogarantie kostet diesen Farmen riesige Summen. Wenn sich aber eine Raps- oder Sojafarm mit transgenen Pflanzen im Umkreis befindet, haben sie ein Problem. Die Pollen können sich über Distanzen von mehreren Kilometern verbreiten.”
Sherifs Team testete seine Theorie mit Erfolg an Tabakpflanzen, denen sie das Gen einsetzten. Die Blüten der Pflanzen blieben geschlossen, sie konnten sich aber dennoch fortpflanzen. Momentan ist es jedoch noch zu früh, um sagen zu können, ob die Methode kommerziell eingesetzt werden kann. Sherif sagt, es müsse intensiver daran geforscht werden, um zu sehen, ob noch weitere Gene eine Rolle spielen, und um herauszufinden, auf welche anderen Pflanzen man sie anwenden könnte. Er fügt hinzu, dass er sich derzeit mit der Rapspflanze beschäftigt und mit der amerikanischen Lebensmittelsicherheits- und Arzneimittelzulassungsbehörde kollaboriert, um herauszufinden, ob das Gen angewendet werden kann, um die Verbreitung einer pestizidresistenten Pflaumenart zu kontrollieren.
Die Selbstbestäubung könnte jedoch nicht nur die Verseuchung nicht-gentechnisch veränderter Pflanzen verhindern, sondern auch eine mögliche Lösung (wenn auch nicht die beste) für die immer kleiner werdende Bienenbevölkerng darstellen. „Wir haben es mit einem ökologischen System zu tun, das sich ständig verändert”, sagt Jay Subramanian, ein außerordentlicher Professor in Pflanzenanbau der Universität und Sherifs Projektbetreuer. „Einige Helferlein der Landwirtschaft existieren nicht im gleichen Ausmaß wie früher, zum Beispiel Honigbienen. In 20, 30 oder 40 Jahren könnte eine solche Technologie dafür sorgen, dass uns das Essen nicht ausgeht.”
Natürlich ist die Ironie, Biotechnologie zur Bekämpfung von gentechnisch veränderten Pflanzen einzusetzen, nicht an den Wissenschaftlern vorbeigegangen. „Gentechnik findet in der Öffentlichkeit nicht immer Zuspruch, aber ob es uns nun gefällt oder nicht, sie wird nicht von der Bildfläche verschwinden”, sagt Subramanian.
„Wir sagen nicht, dass dieses Gen all unsere Probleme lösen wird”, meint Sherif. „Wir sagen nur, dass dieses Gen sie in Schach halten kann. Ob wir nun für oder gegen Gentechnik sind, wir können nicht mehr darauf verzichten. 2050 wird es neun Milliarden Menschen sowie alle möglichen Krankheitserreger und Belastungen wie Dürre oder Frost geben. Dann werden wir Pflanzen brauchen, die gegen diese Dinge resistent sind.”
„Mit den klassischen Fortpflanzungsmethoden von vor 100 Jahren sind wir dazu nicht in der Lage”, sagt er. „Bei der klassischen Fortpflanzung von Baumobst würde es beispielsweise mindestens 50 Jahre dauern, bis eine Pfirsich- oder Apfelsorte gegen einen einzigen Krankheitserreger resistent ist. Bei transgenen Pflanzen dauert es ungefähr ein Jahr. Wir müssen uns fragen, wie man sich um das ganze Land kümmert und diese Pflanzen kontrollieren kann.”