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Forscher entdecken wohl größte Stadt des Mittelalters im Dschungel Kambodschas

Zu einer Zeit, als in westeuropäischen Gefilden das tiefste Mittelalter herrschte, Hexen verfolgt wurden und die letzten Hygienestandards in trüben Abwässern versumpften, stand in der Gegend des heutigen Kambodschas eine beeindruckende Hochkultur in voller Blüte. Das UNESCO-Welterbe Angkor Wat zeugt von den Baukünsten, der Spiritualität und dem technischen Fortschritt der Khmer, doch diese riesige Tempelanlage ist nur ein kleiner Teil der Hinterlassenschaften des historischen Königreichs.

Mit einer neuen Lasertechnologie haben Archäologen nun verschiedene Städte aus dem 12. Jahrhundert entdeckt, die verborgen unter der Oberfläche im Urwald des nördlichen Kambodschas, in der Nähe Angkors, liegen. Einige sollen es in ihrer Größe durchaus mit der heutigen Hauptstadt des Landes, Phnom Penh, aufnehmen können, welche sich über eine Fläche von 678,5 Quadratkilometern erstreckt. Die Kmher-Städte erreichen damit eine Größe, die etwas kleiner als das heutige Hamburg und doppelt so groß wie München ist.

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Die Entdeckung im kambodianischen Dschungel zeigt nicht nur die enorme Ausbreitung des Kmher-Reichs, sie könnte auch neue Erkenntnisse über die Zivilisation hinter dem größten religiösen Komplex liefern.

Die LIdar-Studie von 2015 bestätigte die lange gehegten Vermutungen, dass ich eine Stadt am Fuß des Mount Keulen befand. Bild: Damian Evans/Journal of Archaeological Science

Doch nicht nur die Entdeckung selbst, sondern auch die von den Archäologen verwendete Technologie mit dem Namen Lidar ist vielversprechend: Die aus der Luft durchgeführten Laserscans ermöglichen es den Forschern, unter den Boden des Urwalds zu schauen. Bei Lidar handelt es sich dabei um eine Überwachungstechnologie, die zur Erstellung hochaufgelöster Landschaftskarten mit geodäsischen, archäologischen, geographischen, seismologischen oder atmosphärisch physikalischen Informationen verwendet wird. Zur Aufnahme der Scans montierten die Forscher einen Laser unterhalb eines Helikopters, für den die wilde Vegetation kein Hindernis in seinem Suchprozess darstellt.

„Mit einem Mal brachte das Lidar ein ganzes Stadtgebiet mit erstaunlicher Komplexität zum Vorschein”, so der australische Archäologe Damian Evans. „Es stellte sich heraus, dass wir seit zehn Jahren direkt über diesem Gebilde heraumgelaufen und -geflogen sind und wegen der Vegetation nichts davon bemerkt haben.” Insgesamt war das Gebiet der bisher größten luftgestützen archäologischen Studie, deren Daten im Jahr 2015 gesammelt worden waren, 1.901 Quadratkilometer groß.

Bild: imago

Angkor Wat wurde im 10. Jahrhundert auf dem politischen und militärischen Höhepunkt des Khmer-Reiches von König Suryarvarman II erbaut und gehört zu den größten prä-industriellen Städten der Welt. Ihre Bewässerungsanlangen ermöglichten es den Khmer, mehrmals im Jahr Reis zu ernten, so kam das Königreich durch den Verkauf seiner landwirtschaftlichen Überschüsse zu Reichtum. Das ermöglichte den Khmer den Bau gewaltiger Städte und Tempelanlagen.

Der neue Fund bestätigt einmal mehr, dass Angkor nur einen kleinen Teil eines viel größeren Komplexes darstellt und die Khmer über ein enormes Wissen verfügten. So entdeckten die Archäologen beispielsweise Bewässerungsanlagen, von denen bisher angenommen wurde, es hätte sie in dieser ausgefeilten Technologie erst Jahrhunderte später gegeben. Die Ergebnisse könnten nicht nur neue Erkenntnisse über den Aufstieg und die Herrschaft des Khmer-Reiches liefern, sondern auch über das mysteriöse Ende Angkors und des historischen Königreichs.

Heute sollen die ersten Teile der Studie der Royal Geographic Society in London vorgestellt werden. Weitere detaillierte Karten ganzer Straßenzüge und Wasserwege sollen in den nächsten Monaten folgen.