Vor über 500 Jahren beobachtete Leonardo da Vinci, wie Luftblasen im Wasser aufsteigen – was man als Maler und Universalgelehrter der Renaissance halt so tut. Dabei bemerkte er, dass einige Blasen beim Aufsteigen scheinbar aus dem Nichts anfingen, ihren geradlinigen Kurs zu ändern und sich in Zickzack- oder Drehbewegungen der Oberfläche zu nähern.
Ein halbes Jahrtausend lang konnte niemand eine zufriedenstellende Erklärung für die Ausreißerbläschen liefern, das Problem ging als “Leonardos Paradoxon” in die Geschichte ein. Also in die Geschichte der Menschen, die sich wissenschaftlich mit Flüssigkeiten und Luftbläschen beschäftigen.
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Jetzt glaubt ein internationales Forscherduo, mithilfe neuer Simulationen und hochpräziser Messungen endlich eine Lösung für dieses recht spezielle Rätsel gefunden zu haben. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Autoren Miguel Herrada von der Universität Sevilla und Jens Eggers von der Universität Bristol am 17. Januar in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences.
Laut der Studie werden die Bläschen, wenn sie einen bestimmten Durchmesser überschreiten, instabil und beginnen, von ihrem geraden Aufstiegspfad abzuweichen. Schuld daran sind Wechselwirkungen zwischen der Strömung und kleinen Deformationen der Bläschenform.
“Die Bewegung der Bläschen im Wasser spielt eine zentrale Rolle bei einer ganzen Reihe natürlicher Phänomene, sowohl in der Umwelt als auch der chemischen Industrie”, schreiben die Autoren in ihrer Studie.
Luftbläschen sind in unserem Alltag so allgegenwärtig, dass man schnell vergisst, dass sie komplizierten physikalischen Gesetzen gehorchen und schwer zu untersuchen sind. Beim Aufstieg in einer Flüssigkeit spielen nämlich eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle, die sich gegenseitig beeinflussen: die Viskosität der Flüssigkeit, also ihre Dickflüssigkeit, die Reibungsfläche des Bläschens und umgebende Störstoffe, die die Form der Bläschen verzerren und die Dynamik der sie umgebenden Flüssigkeit verändern.
Leonardo da Vinci war bereits vor 500 Jahren aufgefallen, dass Bläschen, die über einen Durchmesser von weniger als einen Millimeter verfügen, tendenziell senkrecht im Wasser aufsteigen. Größere Bläschen und Blasen hingegen kriegen bei ihrem Weg an die Oberfläche Dellen, welche sie in einen Schlingerkurs bringen können.
Um das komplexe Wechselspiel zwischen Luft und Wasser wissenschaftlich zu beschreiben, verwendeten Herrada und Eggers die Navier-Stokes-Gleichungen. Sie sind das mathematische Modell zur Beschreibung von Flüssigkeiten. Damit konnten die Forscher auch den exakten Kugelradius bestimmen, ab dem die Bläschen beginnen, Dellen zu kriegen und instabil werden: 0,926 Millimeter, das ist etwa so groß wie die Spitze eines Kugelschreibers.
Ein Bläschen, das diesen Radius überschreitet, bekommt besagte Dellen, also eine andere Krümmung. Diese Krümmungsveränderung erhöht wiederum die Fließgeschwindigkeit des Wassers an der Bläschenwand – und weil die Bläschen ungleichmäßig gekrümmt sind, kommen sie ins Schlingern. Durch das damit einhergehende Druckungleichgewicht kehrt das Bläschen wieder in seine ursprüngliche Position zurück. Dann beginnt der Prozess wieder von vorne. Das erklärt dann wohl die Spiral- und Zickzackbewegungen.
Aber die Studie liefert nicht nur die Antwort auf ein 500 Jahre altes Rätsel, für das sich bis gerade die Wenigsten von uns interessiert haben dürften, sondern auch auf andere Fragen zum eigenwilligen Verhalten von Bläschen und weiteren Objekten, die sich einer leichten Einordnung entziehen.
“Bislang war man davon ausgegangen, dass der Sog der Blase instabil wird, jetzt demonstrieren wir einen neuen Mechanismus, der auf dem Zwischenspiel zwischen Strömung und Blasendeformation basiert”, schließen Herrada und Eggers ihre Studie ab. Die neuen Erkenntnisse würden die Untersuchung kleiner Verunreinigungen ermöglichen, wie man sie in der Praxis häufig vorfinde. Na dann.
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