Immerzu heißt es: Erneuerbare Energien seien unzuverlässig und zu unbeständig. Schließlich drehen sich Windräder nur, wenn Wind weht, und Solarzellen produzieren nur Strom, solange die Sonne scheint. Zumindest für die Solarzellen wollen australische Forscherinnen und Forscher nun Abhilfe schaffen. Sie haben eine weitgehend unbekannte Methode geprüft, mit der sich auch nach Sonnenuntergang Strom aus Strahlung erzeugen lässt.
In einer Studie, die im Mai in der Fachzeitschrift ACS Photonics erschienen ist, stellen Physikerinnen und Physiker von der University of New South Wales etwas Neues vor: die thermoradiative Diode. Die besteht aus demselben Material, das in den Infrarotdetektoren von Nachtsichtgeräten und Wärmebildkameras verbaut ist. Das Funktionsprinzip ist im Grunde das gleiche wie bei einer Solaranlage – nur umgekehrt.
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Tagsüber sendet die Sonne Energie in Form von Sonnenstrahlen zur Erde. Ein Teil davon wird absorbiert und erwärmt unseren Planeten. Nachts strahlt die Erde diese Energie wieder in die Atmosphäre ab. Diese Strahlung befindet sich im Infrarotbereich und lässt sich mit bloßem Auge nicht sehen, aber wir können sie als Wärme spüren und mit einer Infrarotkamera sichtbar machen.
Michael Nielsen ist Dozent am Institut für Photovoltaik und erneuerbare Energie der University of New South Wales und Co-Autor der Studie. “Jedes warme Objekt strahlt Infrarotlicht abhängig von seiner Wärme aus. Je wärmer das Objekt ist, desto stärker nähert sich die Wärmeenergie, die es ausströmt, dem sichtbaren Licht an”, erklärt Nielsen.
“Die Erde strahlt ungefähr die gleiche Menge Energie in den Weltraum zurück, wie sie jeden Tag von der Sonne erhält. Wenn sie das nicht tun würde, würde unser Planet überhitzen”, schreibt Nielsen. “Diese Strahlung soll die thermoradiative Diode nutzen.” Je höher der Temperaturunterschied zwischen der aufgewärmten Erde und dem kalten Weltraum ist, desto mehr Strom produziert die Diode.
Bereits in der Vergangenheit haben Forscherinnen und Forscher versucht, aus der Wärmeabstrahlung der Erde Strom zu gewinnen. 2019 stellte ein Forscherteam ein Gerät im Wert von rund 30 US-Dollar vor, das nachts eine kleine Menge Strom erzeugen kann. Die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie sagen allerdings, dass sie zum ersten Mal die Wirkungsweise des Effekts präzise messen können.
Wirklich viel Strom konnte das australische Team zwar noch nicht bei seinem Versuchsaufbau gewinnen, die Forschenden glauben aber, dass sich die Effizienz unter günstigeren Bedingungen deutlich verbessern lasse.
Nielsen gibt zu, dass einiges an Selbstüberzeugung nötig gewesen sei, um den Ansatz überhaupt zu verfolgen. “Die theoretischen Grundlagen und die vorangegangene Arbeit anderer Forscher haben uns gezeigt, dass es möglich ist, und uns zum Weitermachen motiviert.”
Er hoffe jedenfalls, die Technologie werde im größeren Maßstab zum Einsatz kommen. Sie könne zum Beispiel genutzt werden, um Satelliten mit Energie zu versorgen.
Nielsen schreibt: “Prinzipiell kann sie überall dort eingesetzt werden, wo es einen Temperaturunterschied zwischen dem Objekt gibt, an dem die Dioden befestigt sind, und dem, auf das sie gerichtet sind.”
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