Undergroundclub, Mainstreamparty, Szene-Event oder Promi-Geburtstag: Jason Manning war das egal. Er hat überall da fotografiert, wo Menschen die Sau rausgelassen haben. Von 1997 bis Ende der 2000er bereiste der britische Fotograf die Welt, um die drogengesteuerte Verbundenheit und den Exzess zu dokumentieren, der sich an diesen Orten frei entfalten konnte.
Die Aufnahmen, die Manning hauptsächlich für das damalige Mode- und Jugendmagazin Sleazenation machte, entstanden in den Superclubs, Bars und Squats von London bis Moskau und darüber hinaus. Heute sind sie Teil der Ausstellung Night by Night, die noch bis zum 14. Mai in der Lebenson Gallery in Paris zu sehen ist. Davor war sie in London.
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“Ich erwarte schon ein bisschen Gegenwind”, sagt Manning, mit dem wir vor der Ausstellungseröffnung in London gesprochen haben. “Die moralische und ethische Landschaft hat sich seitdem geändert und die Menschen sind sensibler geworden, was unbequeme Bilder angeht.”
Mannings Fotos spiegeln die Prinzipien wider, auf denen Sleazenation damals gegründet wurde: rücksichtsloser Spaß mit einer Prise Verwüstung. Aber sie zeigen auch die kulturelle Einstellung von jungen Menschen in dieser Zeit, die noch nicht von Social Media und den technischen Möglichkeiten von Smartphones geprägt war.
“Ich bin mir selbst nicht sicher, wie ich zu den Arbeiten stehe”, sagt der Fotograf. “Aber das ist wahrscheinlich auch egal, solange Menschen etwas daraus mitnehmen können. Ich sehe mich eher als eine Art Verwalter.” Trotzdem hatten wir ein paar Fragen an Manning. Und mehr von seinen Arbeiten bekommt ihr natürlich auch zu sehen.
VICE: Deine Bilder sind geprägt von Exzess. Hat es dich bereits an diese Orten gezogen, bevor du sie fotografiert hast?
Jason Manning: Ich bin nicht so häufig in Clubs gegangen, sondern habe mehr zu Hause gehockt und Drogen genommen, die nicht so gesellschaftstauglich waren. Während des Kunststudiums habe ich dann mehr fotografiert und bin anschließend nach Indien gereist, um dort Bilder zu machen. Als ich zurückkam, bin ich nach London gezogen und habe als Kurier gearbeitet. Zwischendurch bin ich immer wieder zu Veranstaltungen gegangen, von denen ich mir gute Motive erhoffte, wie zum Beispiel die Gay Pride Party im Clapham Common. Chaotische und freizügige Orte.
Freunde von Freunden haben dann Sleazenation gegründet. Sie gaben mir ein paar Filmrollen und schickten mich zur Renaissance, das war eine Partyreihe in London. Ich war ziemlich nervös, aber schon der erste Film wurde ganz gut. Ich hatte allerdings nie vor, nur in Clubs zu fotografieren. Ich mache einfach gerne Bilder von sozialen Situationen und von Menschen, und diese Orte boten sie im Überfluss.
Warst du selbst Teil einer Szene oder Subkultur?
Nicht wirklich. Als ich 17 war, versuchte ich mich als Goth, aber es war einfach hoffnungslos. Ich bin mir auch nicht sicher, warum ich das überhaupt probiert hatte. Ich schätze, wir wollen alle in irgendeiner Form Rock’n’Roller sein, gegen das Establishment. Ich habe früher regelmäßig John Peel im Radio gehört. In seiner Sendung lief in einem Moment irgendein extremes Noise-Zeug und im nächsten dann Detroit Techno. Ich fand es eigentlich immer schon cool, wenn man alles mag und einen roten Faden sieht, der sich durch alles hindurchzieht.
Und das hast du auf die Fotografie übertragen?
Ja, mir gefällt es, selbst außerhalb des Themas zu sein. Die Kamera gab mir etwas Distanz zu dem, was in den Clubs abging. Das passte gut zu meiner Art.
Du hast für verschiedene Magazine gearbeitet, aber vor allem für Sleazenation. Wie war das?
Es war der Gegenentwurf zu den anderen Style- oder Jugendmagazinen, die es damals gab. Ein bisschen Mittelfinger, ziemlich respektlos und witzig. Es gab einige Schlüsselfiguren, aber alle hatten eine ähnliche Einstellung. In dem Magazin ging eigentlich alles und jede und jeder konnte zum Ziel werden. Es war geprägt von einer “Ich hasse alle gleich”-Einstellung. Aber auch wenn es von einer gewissen Giftigkeit und Hang zur Provokation geprägt war, hatte es kulturelle Tragweite. Als die erste Ausgabe erschien, gab es empörte Artikel in konservativen Zeitungen. Vielleicht war in der Woche auch sonst einfach nichts Spannendes passiert.
Als ich dort anfing, sagten sie mir, dass ich keine Fotos von tanzenden Leuten machen, sondern mir das Drumherum anschauen soll. Zu der Zeit waren Partyfotografen vor allem mit Diafilmen unterwegs, mit extrem gesättigten Farben, und machten mit langsamen Verschlusszeiten Fotos von jungen Frauen mit ausstaffierten BHs, die direkt in die Kamera schauen. Wir wollten das Gegenteil davon.
Seit einiger Zeit gibt es überall 90er-Nostalgie, auch in der Fotografie. Viele Menschen fotografieren wieder mehr mit Film. Warum schauen wir zurück auf diese Zeit?
Es ist ganz natürlich für junge Menschen, sich ältere Versionen der Situation anzuschauen, in der sie sich gerade befinden. Ich bin mir nicht sicher, ob irgendwas besonders Wertvolles in dieser Zeit passiert ist. Also ich bin mir nicht sicher, ob die 90er oder 00er Jahre kulturell interessanter oder uninteressanter waren als die 50er. Sie sehen anders aus und andere Sachen sind passiert, aber es passieren ständig wichtige Sachen. Nostalgie ist für mich schon eine komische Sache, weil sie voraussetzt, dass früher besser war als das, was man heute hat.
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