Basilikata ist eine Region in Süditalien zwischen Kampanien und Apulien – also zwischen Absatz und Spitze des Stiefels. Trotz seiner wunderschönen Landschaften und historischen Städte – Matera wurde 2019 zu Europas Kulturhauptstadt gekürt – ist die Region bei ausländischen wie italienischen Touristen gleichermaßen unbekannt. Laut dem italienischen Nationalinstitut für Statistik stammen über die Hälfte der Besucherinnen und Besucher aus den angrenzenden Regionen und aus Lazio, der Region, in der auch Rom liegt.
Das dürfte auch damit zu tun haben, dass Basilikata nicht wirklich gut zu erreichen ist. Es gibt keinen größeren Flughafen und die Zugverbindungen sind alles andere als ideal. Die Region gehört zu den ärmsten in Italien, nur etwa 50 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter hat Arbeit. Deswegen ziehen viele junge Menschen aus der Region vom Land in die größeren Städte.
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Der Fotograf Michele Battilomo ist in einem kleinen Dorf bei Matera aufgewachsen. In seinem seit 2017 laufenden Projekt De-Population setzt sich der 33-Jährige mit seiner Heimatregion auseinander. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, warum er sich trotz allem dazu entschieden hat, zu bleiben.
VICE: Wie würdest du Basilikata einer Person beschreiben, die noch nie dort war?
Michele Battilomo: Basilikata ist eine der am dünnsten besiedelten Regionen Italiens. Die jungen Menschen hier wachsen mit einer Art Peter-Pan-Syndrom auf. Sie warten darauf, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Im Vergleich zu Apulien kommen hier nur wenige wieder zurück wenn sie einmal weggezogen sind, und renovieren dann den Bauernhof ihres Großvaters, um daraus ein Bed & Breakfast oder ein Restaurant zu machen.
Sie haben hier schon viel versucht: Landreformen, Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, Subventionen, Steuererleichterungen. Nichts davon hat funktioniert. Nicht mal das Ölfeld in Val d’Agri hat es geschafft, auch nur ein bisschen Fortschritt in die Region zu bringen. Ein Viertel der Menschen in Basilikata lebt in Armut. 23,4 Prozent, um genau zu sein.
Basilikata selbst ist eine Art gelobtes Land mit idyllischen Landschaften, kristallklaren Seen, antiken Ruinen, Weingütern und Bergen, aber hier herrscht auch ein starkes Gefühl gesellschaftlicher Schieflage. Der ganze Stolz der Region ist Matera, UNESCO-Welterbe und die einzige Provinzhauptstadt Italiens, die nicht ans Fernschienennetz angebunden ist.
Welche Auswirkung hat der Wegzug auf die Menschen, die bleiben?
Der Prozess scheint unaufhaltsam. Er hat vor Jahrzehnten eingesetzt und betrifft vor allem das Inland. Die Dynamik ist immer die gleiche: Es sterben mehr Menschen, als geboren werden, und die wenigen jungen Menschen, die es gibt, fliehen sobald sie können – entweder in die Städte oder an die Küste, wo man leichter Arbeit findet.
Ich habe mich auch gefühlt, als würde ich nicht reinpassen, weil es keine Leute in meinem Alter gab. Das hat mich dazu motiviert, das Hinterland der Region zu erkunden, um herauszufinden, was mit meiner Heimat passiert. Bei den Touren durch die kleinen Dörfer ist mir die Melancholie aufgefallen, die diese magischen Orte durchzieht. Es ist, als wäre dort die Zeit stehengeblieben, als würde man auf eine Erlösung warten, die niemals kommt.
Die drastischste Folge des Wegzugs ist die Zerstörung der sozioökonomischen und kulturellen Institutionen, weil ganz grundlegende Dinge fehlen. Die Schulen werden immer leerer, also legt man sie mit denen von benachbarten Dörfern zusammen oder verlegt sie in die nächstgrößere Stadt. Postämter und Banken schließen, ganze Krankenhausabteilungen werden in die Provinzhauptstädte Potenza und Matera verlegt. Mit der Fotografie kann ich anderen Menschen zeigen, wie sich meine Realität verändert.
Warum bist du geblieben?
Das hat verschiedene Gründe. Ich fühle mich meinem Land sehr verbunden, seinen starken Widersprüchen, den Werten und Traditionen, die es so einzigartig machen. Mit meinen Fotos versuche ich, diese ganzen Dinge am Leben zu halten, die bald verschwinden könnten.
Was halten die Einheimischen von den jungen Menschen, die weggezogen sind?
Für uns ist Migration normal. Unsere Großeltern lebten in Deutschland, unsere Eltern waren Arbeitsmigranten in Norditalien, meine Generation zieht zum Studieren weg. In der Peripherie zu leben, bedeutet, vergessen und marginalisiert zu werden.
Was kann man tun, um Basilikata und seine Einwohner von den Konsequenzen der Entvölkerung zu schützen?
Ich glaube, am wichtigsten ist es, die kulturellen Aktivitäten in der Universität zu fördern, damit sie einen guten Ruf in Sachen Lehre und Kreativangebot bekommt.
Wir müssten die Basilikata besser erreichbar machen, die bestehende Infrastruktur und die öffentlichen Verkehrsmittel besser nutzen. Außerdem müssen wir Breitbandinternet leichter zugänglich machen. Eine neue Vision für die Zukunft ist die einzige Möglichkeit, die Region auf lange Zeit sozioökonomisch wiederzubeleben.
Scrolle runter für mehr Fotos aus Basilikata.
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