In genau diesem Moment laufen weltweit mindestens 39 Menschen mit einem Baby-Yoda-Tattoo herum. Das weiß ich, weil ich einen Artikel darüber gelesen habe. Da habe ich sie alle gesehen: ein trauriger Baby Yoda, ein tanzender Baby Yoda und ein Baby Yoda, der einen Frosch isst. Wenn man sich richtig krass anstrengt und eine unglaublich lange Zeit zurückdenkt – in den Dezember 2019, um genau zu sein – fällt einem ein, dass damals Baby Yoda der heiße Scheiß unter den Memes war. Tja, heute ist er das nicht mehr.
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Man könnte glauben, dass Menschen ihre Meme-Tattoos irgendwann bereuen. Tattoos altern ja generell, aber wer sich ein Meme tätowiert, wird merken, dass der Witz schneller alt aussieht, als die Tinte trocknet, mit der er gestochen wurde. Aber wenn Menschen spontan genug sind, sich wirklich ein Meme tätowieren zu lassen, kümmert die wirklich ein veraltetes Meme? Um das rauszukriegen, habe ich ein paar von diesen impulsiven Menschen getroffen.
Christine, 31, “Trollface”
An die ersten Memes erinnern wir uns doch alle noch. Ohne Zweifel wirst du das Tattoo am Oberarm der 31-jährigen Christine erkennen: eine morbide grinsende Fratze, die in den späten 2000ern auf Reddit und 4Chan kursierte.
“Ich war ein Teenager, als ich es mir habe stechen lassen. Und ich glaube, Alkohol war auch irgendwie im Spiel”, sagt Christine. “Ich weiß gar nicht, warum ich so viele Tattoos habe.” Einen bestimmten Grund, warum sie genau dieses Gesicht auf dem Arm hat, gibt es nicht. Ein Freund wollte ein Tattoostudio eröffnen, sie ließ ihn auf ihrem Arm üben. Ihre anderen Freunde fanden das schrumpelige Gesicht witzig, aber nur wenige wussten, was es bedeutet. “Damals kannten viel weniger Leute Memes als heute”, sagt Christine.
Sie hat das Tattoo nie bereut, sie kann es leicht verstecken. Trotzdem überlegt sie, es vielleicht entfernen zu lassen, weil es nicht zu ihren anderen Tattoos passt. “Ich bereue keines meiner Tattoos, sie sind alle irgendwie verrückt. Ich nehme das Leben generell nicht so ernst“, sagt Christine. “Damals war es lustig und neu, heute sollte ich mich wohl dafür schämen. Tue ich aber nicht.”
Matty, 40, “Left Shark”
Vor fünf Jahren hat ein tollpatschiger Hai Katy Perry die Show bei der Super-Bowl-Halbzeitshow gestohlen. Die Person in dem zwei Meter großen Haikostüm war komplett unfähig, auch nur halbwegs auf den Beat zu tanzen. Weil wir uns alle beim Super Bowl in den stolpernden Hai verliebt haben, war das “Left Shark”-Meme eines der ersten, die wirklich fast jeden erreicht haben. Bereits sechs Tage nach der Show erwirkten Katy Perrys Anwälte Unterlassungsforderungen gegen die Leute, die im Internet unautorisierten Hai-Merch verkauften. Doch der 40-jährige Matty war schneller: Direkt am Tag nach dem Super Bowl ließ er sich den Hai auf seinen Knöchel tätowieren.
“Es war eher spontan”, sagt Matty. Weil er mit Nachnamen “Clark” heißt, wird er manchmal “Shark” genannt. Ein befreundeter Tätowierer skizzierte den Hai noch am Abend der Show und einen Tag später ließ ihn sich Matty ihn stechen. “Wir wollten das nicht ausschlachten, es war einfach nur eine bescheuerte Idee.” Das Stechen habe nur 15 Minuten gedauert und weniger als 100 Dollar gekostet, sagt er.
“Als diese Hai-Sache größer wurde, wurde meine Woche chaotisch”, sagt Matty. Sein Tattoo war in den Schlagzeilen, in den US-amerikanischen Late Night Shows und sogar Katy Perry postete ein Bild davon. “Dein Ego sagt dir: Die reden über dich! Und am Ende kapierst du, dass sie sich eigentlich nur lustig machen und sich fragen, wer zur Hölle so bescheuert sein kann, sich einen tanzenden Hai stechen zu lassen”, erzählt Matty. “Na ja, ich. Er ist ja schließlich auf meiner Haut.”
Das “Left Shark”-Meme habe sich nicht lange gehalten, sagt Matty. Aber eine halbes Jahrzehnt später erinnert der tanzende Hai ihn noch immer an “verdammt verrückte sechs Wochen”. Er sagt, dass die Hälfte der Menschen, die das Tattoo sehen, es auch wiedererkennen. Für die andere Hälfte ist es ein Cartoon-Hai. “Für eine Woche war dieser Hai das Wichtigste der Welt – und dann hat die Welt sich ohne ihn weitergedreht.”
Anonym, 23, “RIP Harambe”
Es gibt diese Individuen, deren Fluch es ist, dass sie erst nach ihrem Tod gefeiert werden – Van Gogh, Galileo, Harambe. Falls dir Letzterer nichts sagen sollte: Harambe war ein 17 Jahre alter Gorilla, der erschossen wurde, nachdem ein Kind im Zoo von Cincinnati in sein Gehege gefallen war. Sofort wurde Harambe zum Meme – und posthum berühmt. Mit eigenem Hashtag (#harambe) und wilden Gerüchten, dass Harambe 11.000 Stimmen bei der Präsidentschaftswahl bekommen hätte. Das war der Grund, warum ein anonymer junger Student sich den Gorilla auf den Oberschenkel tätowieren ließ.
“Mein Tätowierer und ich haben zusammen gekifft”, erzählt der Harambe-Tätowierte. Eine Woche nach dem Tod des Gorillas ließ er sich den Affen stechen, weil er sowieso gerade wegen eines anderen Motivs im Tattoostudio war. Dort sagte ihm der Tätowierer, dass er gerne ein Harambe-Tattoo machen würde, der Student willigte ein.
“Es war seine Idee und ich fand sie super”, sagt der 23-Jährige. “Es war ein Partyspiel, ein Witz.” Damals wurden auf Partys “Shots auf Harambe” getrunken und da war sein Tattoo natürlich ein Knüller. “Ich will nicht sagen, dass mein Tattoo Gesprächsthema war – aber doch, eigentlich war es das.”
Nach neun Monaten hatte Harambe ausgedient. “Dumm” sei die Idee gewesen und auch nicht mehr so lustig wie gedacht. Der junge Student ging wieder zu seinem Tätowierer und der verwandelte Harambe in einen Stormtrooper aus Star Wars. “Ich bin nicht so der große Star-Wars-Fan, aber das Bild sah cool aus.”
Obwohl er sich von seinem Tattoo getrennt hat, würde der 23-Jährige jedem empfehlen, sich ein Meme tätowieren zu lassen. “Gut wäre aber eins an einer verdeckten Stelle, damit man nicht schief angeschaut wird.”