In Paraguays Hauptstadt Asunción – oder La Muy Noble y Leal Ciudad de Nuestra Señora Santa Maria de la Asunción, wie sie mit vollem Namen heißt, die sehr ehrwürdige und loyale Stadt unserer heiligen Frau Maria der Himmelfahrt – gibt es eine Handvoll Museen und historische Stätten. Die hat man jedoch relativ schnell durch, wie ich bei meinem Besuch feststellen musste. Aber die Stadt am Rio Paraguay hat noch mehr zu bieten.
Als ich in einer Bar ein paar Bier trank, überhörte ich ein Gespräch über den Friedhof La Recoleta. Er soll der schönste der Stadt sein. Mein Interesse war geweckt. Am nächsten Tag schnappte ich mir meine Kamera und machte mich auf den Weg.
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Dort angekommen, fand ich mich schnell in einem Gewirr aus gepflasterten Wegen wieder, gesäumt von kunstvoll dekorierten Familiengruften. Nur hin und wieder durchbrach das saftige Grün eines Baums die Steinbauten und Keramikfliesen. Hier wird niemand unter der Erde bestattet. Die Särge liegen eingemauert in Familiengruften und Mausoleen, manche kann man sogar durch Glasfenster sehen, einige sind mit Tüchern zugedeckt. In vielen Gruften stehen Fotos der Verstorbenen.
Als ich mich allerdings weiter vom Friedhofseingang entfernte, wurde es immer makabrer. Einige Gruften waren stark beschädigt, die Türen aufgebrochen, die Fenster eingeschlagen, Särge zerstört. Sie lagen teilweise halb verbrannt auf den Wegen, einige noch warm vom Feuer. Ein Stück weiter bemerkte ich Leichenteile und Knochen auf dem Boden. Mir wurde schlecht.
Schließlich fand ich zwei Friedhofswärter. Einer war um die 30, der andere etwa doppelt so alt. Der Jüngere erklärte mir, dass Grabräuber Schuld an den Verwüstungen seien. Um 18 Uhr, wenn der Friedhof schließt, klettern Leute über die hohen Friedhofsmauern und entzünden Feuer, um sich warm zu halten und zu kochen. Dann plündern sie die Gruften, nehmen mit, was sie können. “Schmuck natürlich, aber auch Bronzeplaketten”, sagte der Friedhofswärter. In Medienberichten ist außerdem die Rede von Kreuzen, Vasen, Türgriffen und sogar ganzen Türen.
Paraguay leidet unter anhaltender wirtschaftlicher Instabilität und Korruption. 27 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Die Friedhofswärter sprachen über das nächtliche Treiben auf dem Friedhof mit einer Mischung aus Machtlosigkeit und Belustigung.
Trotz der vielen Grabräubereien finden noch regelmäßig Bestattungen auf La Recoleta statt. In einem Bericht der Lokalzeitung ABC von 2019 sagt ein Wärter, dass der Friedhof immer zugleich von 22 Leuten bewacht werde. Allerdings ist das Friedhofsgelände weitläufig und hat 13 Tore, was die Arbeit sehr erschwert. Im Januar 2023 hat der Bürgermeister von Asunción die Begräbnisgebühren der Stadt verdoppelt und versprochen, Recoleta aufzuräumen und die Sicherheit dort zu verstärken. Bis heute hat sich jedoch nichts geändert.
Die Angehörigen versuchen ihr Bestes, mit der Situation umzugehen. Viele verwenden bei den Bestattungen weniger ansprechende Materialien, um die Gräber für potenzielle Diebe uninteressant zu machen. Andere bestatten ihre Angehörigen nicht mehr traditionell in Gruften, sondern weichen auf Friedhöfe aus, auf denen sie sie begraben können.
Auf La Recoleta jedenfalls finden die frisch Verstorbenen erstmal noch keine Ruhe.
Scroll runter für mehr Fotos von Aurélien Buttin vom Friedhof La Recoleta.
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