Als Deutscher, der sich noch gut an die Zeit vor der Wende erinnert, hegt Christian Petersen-Clausen eine ganz besondere Faszination für Nordkorea. Der Fotograf, der vor Kurzem als Tourist fast ein Dutzend Städte im Einsiedlerkönigreich besuchte hat, sagt, er habe mehr Ähnlichkeiten mit der DDR erwartet.
„Ich wollte eigentlich sehen, wie Durchschnitts-Nordkoreaner so sind”, sagte er. „Ich war zur Zeit des Mauerfalls 13. Ich war sehr daran interessiert, wie es in Nordkorea aussieht. Es ist im Grunde wie Ostdeutschland vor der Wende, aber ultranationalistischer und viel extremer.”
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Petersen-Clausen, der in China lebt und noch einen festen Job in der Werbebranche hat, ist mit einem Pekinger Touren-Anbieter durch Nordkorea gereist. Journalisten, die das Land besuchen, bekommen meist „Aufpasser” des Regimes zur Seite gestellt. Auch wenn seine Gruppe von zwei nordkoreanischen Touristenführern herumgeführt wurde, sagt Petersen-Clausen, er habe im Rahmen der touristischen Erfahrung relativ frei mit Einheimischen interagieren können.
„Ich war ein totaler Außenseiter”, sagte er. „In China gewöhnen sich die Leute an Fremde und Menschen aus dem Westen. In Shanghai und Peking wird man nicht einmal mehr angeschaut. In Nordkorea ist es so, als sei Elvis gerade vom Mond herabgestiegen oder so. Alles kommt einfach zum Stillstand.”
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Er gibt zu, seine Führer hätten ihn in „die besten Teile des Landes, die Propaganda-Regionen” gelenkt, doch er habe dennoch ein paar ehrliche Aufnahmen einfangen können, wie ein paar Arbeiter, die sich zusammen eine Raucherpause gönnen oder einen Mann, der nach einem Grillfest zum Nationalfeiertag auf einer Bank ein Nickerchen macht.
Er sagte, eine Sache, die ihn auf seiner Reise überrascht habe, sei, dass viele Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner „verdammt viel Ahnung” vom Leben in der Außenwelt hätten. Er sah Menschen in Pjöngjang mit Smartphones, die an das mit Propaganda gefüllte „Intranet” des Landes angeschlossen sind und nicht ins Ausland telefonieren können, doch Petersen-Clausen sagte, es sei relativ einfach für die Leute, an chinesische oder südkoreanische SIM-Karten zu kommen. Ausländische Medien, die auf USB-Sticks ins Land geschmuggelt werden, seien Berichten zufolge auch weit verbreitet.
„Sie sehen sich chinesische und südkoreanische Soaps an, sie sehen die Autos, die Mode, alles”, sagte er. „Es wird ihnen im Grunde unter die Nase gerieben, wie arm sie sind, und gleichzeitig dürfen sie darüber kein Wort verlieren.”
Die Schüler und Schülerinnen an den Schulen, die er besuchte, nutzten Rechner mit Windows XP, und in der Musikabteilung der Bücherei von Pjöngjang gab es Alben aus dem Ausland zum Anhören—darunter Thriller von Michael Jackson.
Petersen-Clausen sagt, der Lebensstandard sei außerhalb der Hauptstadt viel niedriger. Viele Leute hätten in China hergestellte Solarzellen auf ihren Dächern, um sich mit Strom zu versorgen, und überall gäbe es Gemüsegärten.
„Auf dem Land herrschte bitterste Armut”, sagte er. „In jedem noch so kleinen Winkel, ob der nun in einem Garten liegt oder nicht, wird Gemüse angebaut. Es gibt keine einzige Rose oder so. Sie denken sich: ‚Scheiß auf sowas, wir pflanzen Zeug an, das wir essen können.’”
Der Fotograf sagte, er habe das Land mit dem Eindruck verlassen, dass es sich verändere—nicht im politischen Sinne, denn Kim Jong-uns Regime hat die Macht fest in Händen, sondern in kultureller Hinsicht, durch den Einfluss des Nachbarlands China. Zwar ist Nordkorea noch immer ein totalitärer Staat, doch Petersen-Clausen sagte, die Bürgerinnen und Bürger, denen er begegnet ist, hätten unbezähmbar gewirkt.
„Sie versuchen noch immer, ihre Würde zu wahren und das Beste aus der Situation zu machen”, sagte er. „Die Freude sickert durch. Der menschliche Geist lässt sich nicht so leicht unterdrücken.”
Christian Peterson-Clausens Fotos werden in einem Wandkalender 2016 von NK News, einer unabhängigen Nachrichtenseite über Nordkorea, erscheinen. Der Erlös wird zu der eingehenden Berichterstattung der Seite über die abgeschottete Nation beitragen, und VICE-Leserinnen und -Leser bekommen einen Rabatt von 5 Dollar—einfach den Gutschein-Code „vicenews” verwenden.